Screenshot 2024 03 15 133229Heilmittelgesetz: Geltungsbereich wird ausgeweitet. Bild: Shutterstock

Biorespect, eine Trägerorganisation der SAG, hat die Revision des Heilmittelgesetzes HMG unter die Lupe genommen und eine Stellungnahme veröffentlicht. Das Heilmittelgesetz HMG soll den Schutz der Gesundheit von Menschen und Tieren gewährleisten, dass nur hochwertige und sichere Heilmittel in Verkehr gebracht werden. Bisher waren gentherapeutische Verfahren im Transplantationsgesetz geregelt. Nun soll das HMG mit Bestimmungen zu «Arzneimitteln für neuartige Therapien, ATMP» ergänzt werden – der Begrifft wird neu zur Bezeichnung von neuen Gentherapien verwendet. Diese Ergänzung bedeute eine deutliche Ausweitung des Geltungsbereiches des HMG und sei für Anwender:innen verwirrend, schreibt die Organisation.

Gentherapeutika werden umbenannt

Grund für diese Änderung soll eine Anpassung an EU-Richtlinien für ATMPs sein. Biorespect zeigt sich erstaunt, dass die Begriffsbestimmung im Entwurf zum HMG aber von der EU-Regulierung abweicht. Denn Gentherapien werden als «Arzneimittel für neuartige Therapien» bezeichnet. Dies sei eine Verschleierung der Begrifflichkeit in unzulässiger Weise, da es nicht mehr ersichtlich sei, um welche Art Therapeutika es sich handelt. Die Nichtnennung von Gentherapien im Vorentwurf HMG erscheine als intransparent und dazu geeignet, Klient:innen und Patient:innen in die Irre zu führen, schreibt biorespect. Eine ähnliche Verschleierung kritisiert die SAG im Bereich der landwirtschaftlichen Anwendungen schon länger: dort wird die neue Gentechnik als «Präzisionszüchtung oder neue Züchtungstechnologie schöngeredet.

Kein Wunder, fordert biorespect Transparenz: Die Öffentlichkeit solle wissen, wann es sich bei den ATMPs (auch) um Gentherapeutika handelt. Alles andere würde eine informierte Entscheidung unterlaufen. Hintergrund dieser Verschleierung ist vermutlich, dass eine mangelnde Akzeptanz der Bevölkerung befürchtet werde, wenn gentherapeutische Heilmittel, als eben solche benannt werden. Statt diese aber begrifflich zu verschleiern, sollte vielmehr über mögliche Risiken aufgeklärt und die Patient:innen als Subjekte behandelt werden, fügt die Organisation hinzu. Ob die Akzeptanz grösser wird, wenn man die Begrifflichkeiten verwischt sei zudem zu bezweifeln.

Gentherapeutische Verfahren bleiben umstritten

Tatsächlich lässt sich eine gewisse Skepsis in der Bevölkerung gegenüber gentherapeutischen Anwendungen feststellen. Dies hat mit den bekannt gewordenen Problemen dieser Therapieform zu tun. Trotz grossem Aufwind liegt die Erfüllung der grossen Versprechungen (Heilung von Volkskrankheiten) noch in weiter Ferne, erläutert biorespect. Seit den 90er Jahren befinden sich die Verfahren der Gentherapie in einer experimentellen Phase und werden bisher nur bei wenigen seltenen Erkrankungen angewendet. Weiterhin sind Rückschläge in der Anwendung zu verzeichnen. Als ein Beispiel sei hier nur «Zolgensma» von Novartis genannt. Im Jahr 2022 starben zwei behandelte Kinder durch Leberversagen – Ursache soll eine Immunantwort gewesen sein.

Erhöhte Gesundheitskosten durch Gentherapeutika

Gentherapien stehen zudem in der Kritik, weil die Anwendung der Produkte sehr teuer ist. Das teuerste Medikament auf dem Markt – mit einem Marktpreis von ca. 3,5 Millionen USD – ist «Hemgenix» (seit Ende 2023 auch hierzulande zugelassen) von CSL Behring, ein Mittel gegen Hämophilie B, eine Bluterkrankung. In der Schweiz sind die Kosten für die Anwendung noch nicht erstattungsfähig. Angesichts des Kostendrucks im öffentlichen Gesundheitswesen erwartet biorespect, dass Bund und Parlament eine Debatte über die Anwendung von Gentherapeutika in die Wege leiten. Der Hersteller müsse daraufhin die Hinweise über Nebenwirkungen ergänzen.

Vermehrte Zulassung von Gentherapeutika erwartet

Wie aus den Heilmittellisten von Swissmedic ersichtlich, sind in der Schweiz aktuell 18 Gentherapeutika in der Schweiz zugelassen: Von Wundpflastern auf Zellbasis bis hin zu gentechnisch hergestellten Arzneimitteln gegen Muskelerkrankungen oder Hämophilie. Die Preisspanne der erstattungsfähigen Mittel reicht von 3'000 Franken bis hin zu 1,8 Millionen Franken pro Anwendung bei Zolgensma, einem Novartisprodukt, das bei spinaler Muskelatrophie bei Kindern eingesetzt wird. Nach der Revision der HMG rechnet biorespect mit noch mehr Zulassungen. Denn ein Anlass der Novellierung sei auch der anvisierte Vorteil für den Marktplatz Schweiz. Ob aber eine vermehrte Zulassung solcher Heilmittel auch im Interesse der Allgemeinheit ist, bleibe fraglich.

Sicherheitsbedenken bei gentherapeutischen Anwendungen

Gentherapeutische Arzenimittel sind experimentelle Verfahren und sollen an strengere Sicherheitsvorkehrungen gebunden sein, schreibt der erläuternde Bericht. Doch die Sicherheitskriterien sollen auf dem Verordnungsweg reguliert werden – ein Fauxpas, wie biorespect darauf hinweist. Die vorgelegten Regelungen seien nicht ausreichend, um den Schutz von Mensch und Tier zu gewährleisten. U.a. fehle die Bestimmung eines Zeitraumes, über welchen eine Nachbeobachtung erfolgen muss. Unklar sei auch, in welcher Form diese Nachbeobachtung, bzw. die Risikovorsorge dokumentiert werden muss. Auch wenn der Forschungsstandort Schweiz mit der Revision gestärkt werden soll, gelte es in erster Linie den Schutz der Beteiligten zu gewährleisten – ganz im Sinne des Vorsorgeprinzips.

Swissmedic: Finanzierung prüfenswert

Brisant: Hinsichtlich der Geschäftstätigkeit der Swissmedic als Zulassungsbehörde sieht biorespect eine problematische Entwicklung und fordert eine Klarstellung hinsichtlich möglicher Interessenkonflikte bei der Arzneimittelzulassung. Per Selbstdefinition sei Swissmedic eine öffentlich-rechtliche Anstalt, die sich durch Gebühren und Beiträge des Bundes finanziert. Die Gebühren werden den Antragsteller:innen erhoben. Ein Teil der Finanzierung aber stamme aus der sogenannten «Aufsichtsabgabe» (vgl. HMG Art. 65). Das bedeutet, dass ein bestimmter Satz (lt. Geschäftsbericht Swissmedic zurzeit 6,5 Promille) des Fabrikpreises eines jeden verkauften Medikamentes an die Swissmedic abgeführt wird. Biorespect schliesst ein Interessenkonflikt nicht aus und verlangt eine grundsätzliche Überprüfung. Denn laut Geschäftsbericht 2022 sei die Aufsichtsabgabe inzwischen sogar die Hauptfinanzierungsquelle der Swissmedic. Swissmedic dürfte als Zulassungsinstitut für Heilmittel nach Auffassung der Organisation nicht vom Verkauf der Arzneimittel profitieren: Dieser Profit aus dem Verkauf der Arzneimittel impliziert ein Eigeninteresse an der Zulassung und am Verkauf von denselben Mitteln.

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