genedrivenews
Der französische Conseil D'Etat fordert die strenge Regulierung von Genomeditierung und ungerichteter Mutagenese gemäss GVO-Richtlinien. Bild: Shutterstock

Der französische Staatsrat (oberstes Verwaltungsgericht) bekräftigt, dass sowohl die Genomeditierung (von Biotechnologen bevorzugt als gerichtete Mutagenese bezeichnet) als auch die ungerichtete Mutagenese als gentechnische Verfahren geregelt werden sollen. Die französische Regierung hat nun sechs Monate Zeit, die neuen gentechnischen Verfahren zu regulieren. Damit zieht Frankreich mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) mit – und handelt gegen den Standpunkt des Premierministers.

Der EuGH hat im Juli 2018 entschieden, dass durch Mutagenese gewonnene Organismen gentechnisch veränderte Organismen sind. Damit unterliegen auch die neuen gentechnischen Verfahren den in der GVO-Richtlinie vorgesehenen Vorschriften: sie müssen einer Risikobewertung nach dem Vorsorgeprinzip unterzogen und gekennzeichnet werden sowie rückverfolgbar sein. Zudem sind die Hersteller dazu verpflichtet, Nachweisverfahren für ihre genomeditierten Produkte mitzuliefern. Von diesen Verpflichtungen können nur Mutagenese-Verfahren, die über eine „history of safe use“ verfügen, ausgenommen werden. Jedoch steht es den Mitgliedstaaten frei, strenger zu regulieren und auch diese Organismen den in der GVO-Richtlinie vorgesehenen Regulierungen zu unterwerfen. Genau dies verlangt der Staatsrat nun von der französischen Regierung. Frankreich muss sein Umweltgesetz so ändern, dass keine Form der Mutagenese mehr vom Gesetz ausgenommen wird.

Zudem sollen Pflanzensorten, die durch Mutagenese entstanden sind und ohne die für GVO geltenden Risikobewertung zugelassen wurden, dem Vorsorgeprinzip entsprechend neu überprüft oder vom offiziellen Pflanzenkatalog gestrichen werden. Der Grund dafür sind Risikofaktoren, die von der Nationalen Behörde für Ernährung, Umwelt und Arbeitsschutz (Anses) identifiziert wurden. Anses stellte einen Zusammenhang zwischen dem Anbau herbizidresistenter GV-Pflanzen, der Entstehung herbizidtoleranter Unkräuter und dem daraus resultierenden verstärkten Einsatz von Herbiziden fest. Diese Entscheidung betrifft insbesondere die herbizidresistente Sonnenblume Clearfield-Plus und den Clearfield-Raps.

Die Regierung soll nun nach Rücksprache mit der Europäischen Kommission geeignete Vorschriften für den Anbau solcher Pflanzensorten entwickeln, um der Entstehung von Herbizidresistenzen vorbeugen zu können. Laut Empfehlungen der Anses soll die Rückverfolgbarkeit von derartigem Saatgut u.a. durch ein Dokumentationssystem gewährleistet werden. Damit stellt der Staatsrat die Regierung vor eine grosse Aufgabe. Denn noch nie wurden die Techniken, die zur Erzeugung der offiziell katalogisierten Saatgutsorten verwendet wurden, genau überprüft.

Frankreichs Entscheidung, die Gesundheit und die Umwelt vor die wirtschaftlichen Interessen einiger wenigen Saatgut- und Pestizidkonzerne zu stellen, sollte der Schweiz als ein Vorbild dienen. Im Jahr 2020 stehen auch hierzulande wichtige Entscheidungen zur Regulierung der neuen gentechnischen Verfahren an. Da die Mutagenese in der Schweiz nicht als Gentechnik eingestuft ist, lobbyieren Agrarindustrie und die mit ihr verbandelte Wissenschaft aktiv dafür, dass auch die neuen gentechnischen Verfahren in diese Kategorie eingeteilt werden. Damit könnten sie ihre Produkte schnellstmöglich und ohne Risikoprüfung oder Kennzeichnung vermarkten. Für Mensch und Umwelt birgt dies jedoch erhebliche Risiken und auch die Wahlfreiheit der Konsumierenden wird dadurch eingeschränkt.