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Der Umwelt­aus­schuss des EU-Par­la­ments sprach sich am 24. Janu­ar 2024 über­ra­schend deut­lich (47 zu 31) für den Reform­vor­schlag der Euro­päi­schen Kom­mis­si­on zur Dere­gu­lie­rung der neu­en gen­tech­ni­schen Ver­fah­ren aus. Die Schluss­ab­stim­mung im EU-Par­la­ment steht im Febru­ar an. Soll­te das Euro­päi­sche Par­la­ment für die Dere­gu­lie­rung stim­men, könn­ten gen­tech­nisch ver­än­der­te Bäu­me und Büsche sowie Ern­te­pflan­zen, Grä­ser und Blu­men in die Umwelt ent­las­sen wer­den, ohne dass sie einer Risi­ko­be­wer­tung unter­zo­gen wer­den müss­ten.

Eine Min­der­heit der Mit­glie­der des EU-Par­la­ments spricht sich hin­ge­gen für eine obli­ga­to­ri­sche Risi­ko­be­wer­tung für alle all die­se Gen­tech­nik­pflan­zen aus. Sie beru­fen sich auf  eine Ana­ly­se der fran­zö­si­schen Agen­tur für Lebensmittel‑, Umwelt- und Arbeits­schutz (ANSES, 2023) oder der Öko­lo­gi­schen Gesell­schaft Deutsch­land, Öster­reich und der Schweiz (GfÖ). Sie waren vor allem vor den Risi­ken für Wild­ar­ten. Nach Ein­schät­zung von Öko­lo­ge Prof. Dr. Kat­ja Tiel­bör­ger könn­ten rund 300’000 Wild­pflan­zen­ar­ten von der geplan­ten Dere­gu­lie­rung betrof­fen sein – mit unvor­her­seh­ba­ren und nach­tei­li­gen Fol­gen für Öko­lo­gie und Bio­di­ver­si­tät.

Bei­spiel geno­me­di­tier­te Pap­peln

Bereits geringfügige geno­mi­sche Veränderungen mit Hil­fe neu­er geno­mi­scher Tech­ni­ken können art­spe­zi­fi­sche Merk­ma­le wesent­lich verändern, wie die Fach­stel­le Gen­tech­nik und Umwelt (FGU) am Bei­spiel geno­me­di­tier­ter Pap­peln auf­zeigt.

For­schen­den in den USA ist es gelun­gen, mit Hil­fe neu­er gen­tech­ni­scher Ver­fah­ren die Jugend­pha­se bei Pap­peln, die natür­li­cher­wei­se sie­ben bis zehn Jah­re dau­ert, auf weni­ge Mona­te zu verkürzen und damit eine vor­zei­ti­ge Blüte aus­zu­lö­sen. Dies zeigt, dass die grund­le­gen­den art­spe­zi­fi­schen Eigen­schaf­ten der Pap­pel mit nur weni­gen klei­nen gene­ti­schen Veränderungen und ohne Hinzufügen neu­er Gene verändert wer­den können. Ähnlich wie bei einjährigen Acker­bau­pflan­zen ist es damit theo­re­tisch möglich, Gen­tech­nik­pap­peln inner­halb kur­zer Zeit zu kreu­zen und zu selek­tie­ren und damit deren Frei­set­zung und Ver­mark­tung deut­lich zu beschleu­ni­gen. Bei einer Frei­set­zung könn­te es zu einer unkon­trol­lier­ten Aus­brei­tung die­ses Merk­mals des früh­zei­ti­gen Blü­hens in der Natur kom­men, mit immensen Fol­gen für geschützte Pap­pel­ar­ten, wie bei­spiels­wei­se die Schwarz­pap­pel, die auf der Roten Liste der gefährdeten Arten steht. Dadurch könnten auch kom­ple­xe Ökosysteme beeinträchtigt oder gestört wer­den, denn Pap­peln inter­agie­ren mit einer Viel­zahl von Arten, ins­be­son­de­re mit Insek­ten, dar­un­ter auch geschützte Schmet­ter­lings- und Käferarten.

Pap­peln wach­sen im gemässigten Kli­ma der nördlichen Hemisphäre von Por­tu­gal bis Chi­na, den mei­sten Regio­nen Eura­si­ens, den USA und Kana­da. In Mit­tel­eu­ro­pa ist die Pap­pel die am schnell­sten wach­sen­de Baum­art. Zu den natürlich vor­kom­men­den ein­hei­mi­schen Arten gehören die Weiss­pap­pel, die Schwarz­pap­pel, die Espe, sowie Hybri­den wie die Grau­pap­pel. Darüber hin­aus gibt es wei­te­re Unter­ar­ten, die für kom­mer­zi­el­le Zwecke ange­baut wer­den.

Pap­pel­ar­ten gel­ten als Pio­nier­pflan­zen, die auch unter ungünstigen Umwelt­be­din­gun­gen wach­sen und sich ver­meh­ren können. Sie ver­brei­ten sich über Pol­len und Samen, Wurzelschösslinge oder auch Tei­le von abge­bro­che­nen Ästen und Stockausschlägen.

Die Samen kei­men überall leicht, wo aus­rei­chend Feuch­tig­keit vor­han­den ist und hem­men­de Boden­ve­ge­ta­ti­on fehlt. Unter günstigen Bedin­gun­gen kann sich das gene­ti­sche Mate­ri­al eines ein­zi­gen Bau­mes in einer gan­zen Regi­on aus­brei­ten. Zudem besit­zen Pap­peln ein enor­mes bio­lo­gi­sches Poten­zi­al zur Hybri­di­sie­rung und somit bil­det der eura­si­sche Raum von Chi­na bis Mit­tel­eu­ro­pa ein rie­si­ges zusammenhängendes Ökosystem für Pap­pel­ar­ten. Wird neu­es gene­ti­sches Mate­ri­al in die­ses Ökosystem ein­ge­bracht, ist der Gen­fluss kaum zu kon­trol­lie­ren.

Zwar sind Pap­peln Wind­be­stäu­ber, doch die Knos­pen der Schwarz­pap­pel sind auch für Bie­nen wich­tig: Sie bil­den eine Harz­quel­le für das von Honig­bie­nen pro­du­zier­ten Pro­po­lis. Im zei­ti­gen Frühjahr sind eini­ge Pap­pel­ar­ten wich­ti­ge Pol­len­lie­fe­ran­ten für Honig­bie­nen und ihr Pol­len kann auch im Honig ent­hal­ten sein.

Trans­ge­ne Pap­peln

Pap­peln sind wirt­schaft­lich wert­vol­le und inten­siv genutz­te Waldbäume. Dies ist auf ihre vor­teil­haf­ten züchterischen und agro­no­mi­schen Eigen­schaf­ten wie schnel­les Wachs­tum, gerin­ger Lignin­ge­halt, ein­fa­che vege­ta­ti­ve Ver­meh­rung und Nei­gung zur Hybri­di­sie­rung zurückzuführen. Ihre Holz­ei­gen­schaf­ten machen Pap­peln zu einer wich­ti­gen Roh­stoff­quel­le für Zell­stoff, Holz und Brenn­stoff. Doch ihre lan­ge Jugend­pha­se (7 bis 10 Jah­re) macht Kreu­zung und Selek­ti­on sehr zeit­auf­wen­dig und schränkt die Züchtungsstrategien in der kon­ven­tio­nel­len Zucht stark ein. Daher wird schon seit län­ge­rer Zeit mit Gen­tech­nik bei Pap­peln geforscht.

Die ersten Feld­ver­su­che mit trans­ge­nen Pappelbäumen wur­den bereits 1994 in Chi­na durchgeführt. Zwei Pap­pel­ar­ten wur­den für den grossflächigen Anbau zuge­las­sen. Öffent­lich ver­füg­ba­re Anga­ben zu den Ver­brei­tungs- und den Anbau­ge­bie­ten feh­len aber weit­ge­hend. Mit vie­len ande­ren Sor­ten wur­den Frei­set­zungs­ver­su­che durch­ge­führt, sowohl in Chi­na wie auch in Euro­pa (mehr dazu).

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