Fokus auf die positiven Aspekte der synthetischen Biologie... Bild: República de Colombia via Wikimedia Commons

Vom 21. Okto­ber bis 2. Novem­ber fand im kolum­bia­ni­schen Cali die 16. Kon­fe­renz zum Über­ein­kom­men über die bio­lo­gi­sche Viel­falt (COP16) unter dem Mot­to «Frie­den mit der Natur» statt. Im Rah­men des The­mas Syn­the­ti­sche Bio­lo­gie ging es dabei auch um Ent­wick­lun­gen im Bereich der aggres­si­ven gen­tech­ni­schen Ket­ten­re­ak­ti­on Gene Dri­ves und deren Vor- und Nach­tei­le. Vie­le der Ver­trags­par­tei­en schie­nen hier­bei jedoch nicht an einer mög­lichst effi­zi­en­ten Bewer­tung der Risi­ken für die bio­lo­gi­sche Viel­falt inter­es­siert. Statt­des­sen wur­den vor allem die posi­ti­ven Aspek­te der syn­the­ti­schen Bio­lo­gie im All­ge­mei­nen und von Gene Dri­ves im Ein­zel­nen in den Vor­der­grund gestellt.

Gene Dri­ves sind eine spe­zi­fi­sche Anwen­dung der neu­en gen­tech­ni­schen Ver­fah­ren. Sie sind eine Art gen­tech­ni­sche Ket­ten­re­ak­ti­on, bei der mit­hil­fe der Gen­sche­re CRISPR/Cas9 ver­än­der­te Gene schnell durch Fort­pflan­zung in einer gan­zen Popu­la­ti­on ver­brei­tet wer­den kön­nen. Die Ver­brei­tung des künst­lich ver­än­der­ten Gens ist dabei deut­lich schnel­ler als es der natür­li­che Fort­pflan­zungs­pro­zess erlau­ben wür­de: Die Men­del­schen Ver­er­bungs­re­geln wer­den aus­ge­he­belt.

Seit der Ent­ste­hung der Kon­ven­ti­on vor gut 30 Jah­ren, hat sich viel ver­än­dert. Ursprüng­lich wur­de Bio­tech­no­lo­gie als Bedro­hung für die Bio­di­ver­si­tät ein­ge­stuft, dies sieht jetzt jedoch anders aus. Ver­mehrt liegt der Fokus auf den Mög­lich­kei­ten und Vor­tei­len von Bio­tech­no­lo­gien (dar­un­ter auch Gene Dri­ves), wohin­ge­gen die Risi­ken und somit auch das Vor­sor­ge­prin­zip von eini­gen Ver­trags­par­tei­en zuneh­mend ver­nach­läs­sigt wer­den.

Infol­ge der COP15 2022 wur­de eine mul­ti­dis­zi­pli­nä­re Exper­ten­grup­pe beauf­tragt, sich mit Ent­wick­lun­gen der syn­the­ti­schen Bio­tech­no­lo­gien und deren Aus­wir­kun­gen aus­ein­an­der­zu­set­zen. In die­sem Rah­men wur­den The­men wie «selbst­ver­brei­ten­de Impf­stof­fe für Wild­tie­re», «selbst­li­mi­tie­ren­de Insek­ten­sy­ste­me» und «Gene Dri­ves zur Kon­trol­le von krank­heits­über­tra­gen­den und inva­si­ven Arten» unter­sucht. Auf der COP16 hat die Grup­pe nun ihre Berich­te prä­sen­tiert. Meh­re­re Ver­trags­par­tei­en – dar­un­ter Bra­si­li­en und Gross­bri­tan­ni­en – spra­chen sich bereits vor der Kon­fe­renz gegen eine Ver­län­ge­rung des Man­dats der Exper­ten­grup­pe aus und stell­ten sich quer als es um die Beur­tei­lung der Berich­te der Expert*innen ging. Sie plä­dier­ten dafür, den Fokus auf die posi­ti­ven Aspek­te der syn­the­ti­schen Bio­lo­gie zu set­zen. Die­se posi­ti­ven Aspek­te wur­den auch im Rah­men eines Forums betont. Hier wur­den unter ande­rem die Ein­satz­mög­lich­keit von künst­li­cher Intel­li­genz zur Bio­di­ver­si­täts­för­de­rung prä­sen­tiert, sowie für den Ein­satz von Gene Dri­ves zur Mala­ria­be­kämp­fung gewor­ben.

Let­zen Endes konn­ten sich die Ver­trags­par­tei­en auf einen Text eini­gen, wel­cher die Ent­wick­lung eines the­ma­ti­schen Akti­ons­plans sowie den erneu­ten Auf­bau einer Exper­ten­grup­pe vor­sieht. Kri­ti­schen Stim­men zufol­ge, fokus­sie­re sich das End­ergeb­nis jedoch mehr auf die Ent­wick­lung von Kapa­zi­tä­ten als auf die Risi­ko­be­wer­tung und es herr­sche somit ein Ungleich­ge­wicht bei der Bewer­tung von Vor­tei­len und Risi­ken. Wei­ter­hin blei­be die Fra­ge der Finan­zie­rung offen, da die Erfor­schung der Tech­no­lo­gien meist mit einem kosten­in­ten­si­ven Pro­zess ver­bun­den sei und vie­le Län­der finan­zi­el­le Mit­tel lie­ber in natio­na­le als in glo­ba­le Pro­zes­se inve­stie­ren wür­den.

Die Ver­trags­par­tei­en des Car­ta­ge­na Pro­to­kolls (einem Fol­ge­ab­kom­men des Über­ein­kom­mens) begrüss­ten zudem frei­wil­li­ge Leit­li­ni­en zur Risi­ko­be­wer­tung von leben­den modi­fi­zier­ten Orga­nis­men, die Gene Dri­ves ent­hal­ten. Sei­tens der UN hiess es, der Leit­fa­den lege den Schwer­punkt auf wis­sen­schaft­li­che Trans­pa­renz und Genau­ig­keit und sei ein wich­ti­ger Schritt auf dem Weg zu welt­weit ein­heit­li­chen Stan­dards im Bereich Bio­si­cher­heit. Wissenschaftler:innen kri­ti­sier­ten die Leit­li­ni­en jedoch bereits im Vor­aus. Sie sei­en nicht aus­rei­chend vor­sorg­lich, unter ande­rem da sie die Beweis­last auf den Scha­dens­nach­weis ver­la­ger­ten.

Locke­rungs­vor­ha­ben und Rele­vanz für die Schweiz

War­um die ange­streb­te Locke­rung? Neben der Schäd­lings­be­kämp­fung erhofft sich die Indu­strie mit Gene Dri­ves auch eine Beschleu­ni­gung der Züch­tung. Das lukra­ti­ve neue Geschäfts­feld bewegt Agrar­mul­tis dazu, sich gegen eine stren­ge Risi­ko­prü­fung der Tech­nik zu posi­tio­nie­ren und Infor­ma­tio­nen so zu ver­mit­teln und zu inter­pre­tie­ren, dass die­se die eige­nen Erwar­tun­gen bestä­ti­gen.

Die Schweiz hat 2018 die Mög­lich­keit ver­passt, den Umgang mit Gene Dri­ves im Rah­men der Revi­si­on der Ein­schlies­sungs­ver­ord­nung (Stel­lung­nah­me zur Ein­schlies­sungs­ver­ord­nung)  und der damit ver­knüpf­ten Frei­set­zungs­ver­ord­nung expli­zit zu regeln. Ent­spre­chen­de For­de­run­gen ver­schie­de­ner Orga­ni­sa­tio­nen wur­den nicht berück­sich­tigt. Die Ant­wort des Bun­des­rats auf die dies­be­züg­li­che Inter­pel­la­ti­on (20.3073) zeigt, dass eine sol­che Anpas­sung der aktu­el­len Rege­lung auch in der Zukunft nicht vor­ge­se­hen ist.

Doch Gene-Dri­ve-Orga­nis­men respek­tie­ren kei­ne Lan­des­gren­zen und kön­nen gan­ze Popu­la­tio­nen nega­tiv beein­flus­sen. In der Schweiz wird aktu­ell hef­tig über die Dere­gu­lie­rung der neu­en Gen­tech­nik debat­tiert. Um Umwelt­ri­si­ken aus­zu­schlies­sen ist es wich­tig, die Emp­feh­lun­gen der Ethik­kom­mis­si­on im Aus­sen­hu­man­be­reich (EKAH) zu fol­gen: Die­se beinhal­ten unter ande­ren eine stren­ge Risi­ko­prü­fung ent­lang des Vor­sor­ge­prin­zips sowie einen ent­spre­chen­den und kon­se­quen­ten Ein­satz der Schweiz in der inter­na­tio­na­len Regu­lie­rungs­dis­kus­si­on.

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