(Gen)Technologie: Keine Lösung für globale Ernährungs-sicherheit

Gen­tech-Befür­wor­ter füh­ren häu­fig das Argu­ment an, mit­hil­fe der Tech­no­lo­gie eine wach­sen­de Bevöl­ke­rung in Zei­ten des Kli­ma­wan­dels ernäh­ren zu wol­len. So soll glo­ba­le Ernäh­rungs­si­cher­heit geschaf­fen sowie welt­weit Hun­ger und Man­gel­er­näh­rung ein Ende berei­tet wer­den. Doch die­ses Argu­ment trägt der Rea­li­tät kaum Rech­nung. In ihrem Arti­kel erklärt die Wis­sen­schaft­le­rin Jen­ni­fer Clapp des Inter­na­tio­nal Panel of Experts on Sus­tainable Food Systems, war­um Tech­no­lo­gie (allein) kei­ne Lösung für die glo­ba­le Ernäh­rungs­si­cher­heit ist und was statt­des­sen getan wer­den soll­te.

Das eigent­li­che Pro­blem: Ver­tei­lung und Zugang

Welt­weit sind mehr als 700 Mil­lio­nen Men­schen von Hun­ger betrof­fen, wäh­rend 2,3 Mil­li­ar­den unter Ernäh­rungs­un­si­cher­heit lei­den. Unter Ernäh­rungs­un­si­cher­heit ver­steht man dabei, dass der Zugang zu siche­ren, nahr­haf­ten und aus­rei­chend Lebens­mit­tel nicht (dau­er­haft) gesi­chert ist.

Tat­säch­lich ist Hun­ger kei­ne Fra­ge der man­geln­den Pro­duk­ti­on von Lebens­mit­teln, son­dern der Ver­tei­lung und des Zugangs. Welt­weit wer­den genü­gend Nah­rungs­mit­tel pro­du­ziert, um die Welt­be­völ­ke­rung zu ernäh­ren. Doch vie­le die­ser Nah­rungs­mit­tel wer­den ander­wei­tig ver­wen­det: Sie wer­den als Vieh­fut­ter expor­tiert, zur Her­stel­lung von Bio­kraft­stof­fen ver­wen­det, oder zu hoch­ver­ar­bei­te­ten Lebens­mit­teln wei­ter­ver­ar­bei­tet. Nicht zuletzt wird auch ein gros­ser Teil der Nah­rungs­mit­tel – knapp 20% – in pri­va­ten Haus­hal­ten, der Gastro­no­mie und im Ein­zel­han­del ver­schwen­det.

Der Grund für die­se Fehl­ver­tei­lung liegt u. a. in wirt­schaft­li­chen Inter­es­sen gros­ser Lebens­mit­tel­kon­zer­ne. Hun­ger geht mit Armut ein­her. Vie­le Men­schen kön­nen sich Lebens­mit­tel nicht lei­sten bzw. haben nicht die Res­sour­cen, um die­se selbst her­zu­stel­len. Lebens­mit­tel an die­se armen Bevöl­ke­rungs­schich­ten zu ver­kau­fen ist wenig pro­fi­ta­bel und daher unin­ter­es­sant. Statt­des­sen wer­den mit den pro­du­zier­ten Nah­rungs­mit­teln lukra­ti­ve­re Märk­te erschlos­sen.

Grund­ur­sa­chen von Hun­ger

Die Ursa­chen für Hun­ger lie­gen also deut­lich tie­fer als das häu­fig ange­nom­men und in Zusam­men­hang mit (gen)technologischen «Quick Fixes» dar­ge­stellt wird. Hun­ger ent­steht vor allem in Fol­ge gros­ser Ungleich­hei­ten bei Reich­tum, Macht und Zugang zu Land.

Auch Kon­flik­te spie­len eine zen­tra­le Rol­le. Glo­ba­le «Hun­ger-Hot­spots» sind oft Kriegs­ge­bie­te, in denen Hun­ger auch als per­fi­de Waf­fe ein­ge­setzt wird.

Alles eine Fra­ge des poli­ti­schen Wil­lens

Dar­um, so schreibt Clapp, müs­sen die­se eigent­li­chen Ursa­chen ange­gan­gen wer­den – um Hun­ger zu been­den, sind poli­ti­scher Wil­le und poli­ti­sche Mass­nah­men nötig.

Neben Lösungs­stra­te­gien für Kon­flik­te und Nicht-Tole­rie­ren von Hun­ger­tak­ti­ken in Kon­flikt­zo­nen soll­ten vor allem Mass­nah­men zur Besei­ti­gung von aus­ge­präg­ten Ungleich­hei­ten an erster Stel­le ste­hen.

So gelang es bei­spiels­wei­se in Bra­si­li­en mit­hil­fe von finan­zi­el­ler Unter­stüt­zung, Ernäh­rungs­pro­gram­men an Schu­len und Min­dest­lohn­richt­li­ni­en, in nur 18 Mona­ten die Anzahl an Per­so­nen, die von star­ker Ernäh­rungs­un­si­cher­heit betrof­fen sind, um 85% zu redu­zie­ren.

Um die glo­ba­le Ernäh­rungs­si­cher­heit nach­hal­tig zu gewähr­lei­sten, bedarf es, Clapp zufol­ge, einer stren­gen Kar­tell- und Wett­be­werbs­po­li­tik. So kön­ne man die Macht und Kon­zen­tra­ti­on von Unter­neh­men in der glo­ba­len Lebens­mit­tel­ket­te vom Saat­gut bis zum Ein­zel­han­del ein­däm­men und für erschwing­li­che Lebens­mit­tel sor­gen.

Wei­ter­hin müss­ten unge­rech­te Han­dels- und Export­re­ge­lun­gen durch­bro­chen wer­den, um so arme Regio­nen aus einem Abhän­gig­keits­ver­hält­nis zu befrei­en. Statt­des­sen soll­te auf loka­le, wider­stand­fä­hi­ge Lösun­gen (z.B. agrar­öko­lo­gi­sche Ansät­ze) gesetzt wer­den.

Auch in der Schweiz sind Ände­run­gen nötig

Um den Wan­del zu einem nach­hal­ti­ge­ren Ernäh­rungs­sy­stem zu ermög­li­chen, muss auch die Schweiz einen Bei­trag lei­sten und das eige­ne Ernäh­rungs­sy­stem anpas­sen. Neben den bereits erwähn­ten Mass­nah­men beginnt der Wan­del mit mehr Selbst­ver­sor­gung durch die eige­ne Land­wirt­schaft. Dies kann dazu bei­tra­gen, dass Län­der, aus denen bis­her impor­tiert wird, mehr Lebens­mit­tel für die Ver­sor­gung ihrer Bevöl­ke­rung haben. Das wie­der­um bedeu­tet, die regio­na­le Schwei­zer Lebens­mit­tel­pro­duk­ti­on zu stär­ken und einen bewuss­ten Kon­sum tie­ri­scher Pro­duk­te zu prak­ti­zie­ren. Denn viel Fut­ter­mit­tel wird aus dem Aus­land impor­tiert und belegt somit Land­wirt­schafts­flä­che, die nicht für die Pro­duk­ti­on von mensch­li­chen Lebens­mit­teln vor Ort genutzt wer­den kann und auch inner­halb der Schweiz geht viel Flä­che für die Fut­ter­pro­duk­ti­on ver­lo­ren.

Was bedeu­tet das für die neue Gen­tech­no­lo­gie?

Die neue Gen­tech­nik geht die genann­ten Ursa­chen nicht an. Der Bei­trag, den sie zur Bekämp­fung von Hun­ger und zur Schaf­fung von Ernäh­rungs­si­cher­heit lei­sten kann, ist daher äus­serst frag­lich.

Mehr noch: Sie för­dert ein indu­stri­el­les Land­wirt­schafts­sy­stem, das nicht auf loka­le Ange­passt­heit oder Gerech­tig­keit aus­ge­rich­tet ist. Zudem sind Pflan­zen der neu­en Gen­tech­nik häu­fig mit Paten­ten belegt und wer­den von gros­sen Agrar- und Bio­tech­no­lo­gie­un­ter­neh­men ver­mark­tet. Daher ist davon aus­zu­ge­hen, dass sich die Macht- und Abhän­gig­keits­ver­hält­nis­se ent­lang der Lebens­mit­tel­ket­te ver­ste­ti­gen und sogar wei­ter aus­prä­gen.

Die neue Gen­tech­nik ist kei­ne Lösung für Ernäh­rungs­si­cher­heit. Denn ohne poli­ti­sche Mass­nah­men, die gerech­te­re und nach­hal­ti­ge­re Lebens­mit­tel­sy­ste­me för­dern und gegen­über dem Pro­fit gros­ser Kon­zer­ne prio­ri­sie­ren, kann glo­ba­lem Hun­ger – trotz mög­li­cher tech­no­lo­gi­scher Fort­schrit­te – kaum ein Ende berei­tet wer­den.

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