"Präziser" heisst nicht risikofrei. Bild: Shutterstock
Neue gentechnische Verfahren

Neue gentechnische Verfahren

Neue Gentechnikverfahren (NGT) sind moderne Methoden zur Veränderung des Erbguts von Organismen. Dazu zählen Verfahren wie CRISPR/Cas9, mit denen sich einzelne Gene ansteuern, verändern oder gezielt ausschalten lassen - oft ohne dabei neue Erbgutsausschnitte einzufügen. , ohne zwingend neue Erbgutssequenzen einzubringen.

Im Vergleich zu älteren gentechnischen Verfahren, bei denen der Ort der genetischen Veränderung im Genom nicht gesteuert werden konnte und daher zufällig war, sind neue Gentechnikverfahren relativ zielgerichtet. Sie ermöglichen zudem eine bisher ungesehene Eingriffstiefe mit entsprechend erhöhten Risiken, die weitgehend unerforscht sind.

Die Abgrenzung zwischen „alter“ und „neuer“ Gentechnikverfahren ist jedoch willkürlich und eher politisch-rechtlich bestimmt. So gibt es «neue Gentechnikverfahren» wie Zinkfinger-Nukleasen, die bereits seit über 20 Jahren angewendet werden oder andere – etwa TEGenesis, bei denen die Veränderung des Erbguts nicht gesteuert werden kann.

Es sind mehrere Begriffe im Umlauf, die synonym für neue Gentechnikverfahren verwendet werden, darunter Genomeditierung, zielgerichtete Mutagenese, neue genomische Techniken und neue Züchtungstechnologien.

Die SAG spricht bewusst von „neuen Gentechnikverfahren“, da die anderen Begriffe die gentechnische Natur der Methoden verschleiern und somit irreführend sind.

Neue Gentechnikverfahren sind moderne biotechnologische Methoden, mit denen tiefgreifend und relativ gezielt in das Erbgut von Pflanzen, Tieren und auch Menschen eingegriffen werden kann. Sie werden sowohl in der Pflanzen und - Tierzüchtung sowie in der Medizin eingesetzt. Daraus können neue biologische Eigenschaften aber auch neue Risiken resultieren.

Bei den klassischen Gentechnikverfahren liess sich der Einbauort neuer Genkonstrukte nicht gezielt steuern, komplexere Veränderungen waren kaum möglich. Neue Gentechnikverfahren versprechen hingegen, das Erbgut und die Genregulation präzise, geplant und weitgehend nebenwirkungsfrei verändern zu können. Begriffe wie „Genome Editing“ oder „Präzisionszüchtung“ vermitteln den Eindruck eines technologischen Durchbruchs. Damit verbunden ist das Versprechen, einzelne Genomsequenzen gezielt „umzuschreiben“, sodass das Ergebnis der Eingriffe von natürlichen Mutationen kaum zu unterscheiden sei.

Unter dem Oberbegriff "neue Gentechnikverfahren" werden sehr unterschiedliche Techniken zusammengefasst, die Gene verändern oder deaktivieren. Die künstlichen Veränderungen können Gene inaktivieren oder ihre Funktionsweise verändern. Verfahren mit der Genschere CRISPR/Cas nutzen dabei die zelleigenen Reparaturmechanismen, um die gewünschten Veränderungen am Erbgut vorzunehmen. Im Zentrum der aktuellen Forschung stehen vor allem diese Methoden.

Umfassende Informationen zu den neuen gentechnischen Verfahren finden Sie hier und hier.

Übersicht neue Gentechnikverfahren:

1. Oligonukleotid-gesteuerte Mutagenese (OgM)

OgM werden seit den frühen 2000-er Jahren eingesetzt und zunehmend durch effizientere Verfahren wie CRISPR/Cas9 ersetzt und seltener genutzt. Bei diesem Verfahren werden kurze, synthetisch hergestellte DNA- oder RNA-Abschnitte (sogenannte Oligonukleotide) in die Zelle eingeschleust, um spezifische Veränderungen im Erbgut herbeizuführen. Diese Oligonukleotide binden an die Ziel-DNA und nutzen die zellulären Reparaturmechanismen, um Mutationen einzuführen.

2. „Programmierbare Nukleasen“

"Programmierbare Nukleasen“ sind Enzyme, die an bestimmten Stellen im Genom anbinden und das Erbgut an dieser Stelle verändern.

Die Fähigkeit, an bestimmte DNA-Sequenzen anzulagern, ist entsprechend dem gewünschten Zielort modifizierbar. Nach der Bindung zerteilen („schneiden“) die Nukleasen das Genom: Sie erzeugen Doppelstrangbrüche der DNA. Diese Brüche lösen zelleigene Reparaturmechanismen aus. Welcher Mechanismus dabei zum Einsatz kommt, ist schwer zu steuern, aber entscheidend für die Auswirkungen des Verfahrens. Die Sequenz des betroffenen Gens kann durch das Einfügen oder Entfernen einzelner DNA-Bausteinen inaktiviert werden oder durch eine andere – funktionale – Sequenz (beispielsweise ein anderes Gen) ersetzt werden.

Am erfolgreichsten ist derzeit der Einsatz von DNA-Scheren wie CRISPR/Cas zur Veränderung des natürlichen Erbguts ohne die Einfügung zusätzlicher DNA. Damit werden in der Regel die natürlichen Gene „ausgeschaltet“ (knock-out). Für diese Anwendung muss die DNA für die Genschere nicht unbedingt vorgängig im Erbgut verankert werden, sondern kann beispielsweise − bei bestimmten Pflanzenarten − als vorsynthetisiertes Enzym in die Pflanzenzellen eingebracht werden („transiente Methode“ - transient = vorübergehend). Die Genschere gelangt dabei auch in den Zellkern, zerschneidet die DNA und überlässt der Zelle die Reparatur der zerschnittenen DNA-Sequenz. Das Enzym wird von der Zelle abgebaut.

Diese transiente Methode wird aus wirtschaftlichen und rechtlichen Gründen von Seiten der Gentechnik-Befürwortenden in den Vordergrund geschoben: Man hofft, die gesetzlichen Regelungen für Zulassung und Kennzeichnung unterlaufen zu können, wenn keine zusätzliche DNA in die Pflanzen oder Tiere eingefügt wird (Wolter & Puchta, 2017). Dies ist eine rechtlich umstrittene Strategie (Kraemer, 2015; Spranger, 2015), die auch wissenschaftlich nicht nachvollziehbar erscheint, da das Erbgut eines Organismus durch diese Methode sehr wohl gentechnisch verändert wird: Die Zerstörung natürlicher DNA-Strukturen, beispielsweise durch Entfernen von DNA-Abschnitten, ist ein willkürlicher technischer Eingriff ins Erbgut, der mit Risiken einhergeht, auch wenn keine zusätzliche DNA inseriert wird.

Programmierbare Nukleasen im Einzelnen:

3. TEGenesis

TEGenesis ist ein neues Gentechnikverfahren, das mithilfe von Chemikalien und Umweltstress die Aktivität von sogenannten Transposons steuert. Transposons sind springende Elemente (DNA-Abschnitte) im Erbgut, die ihre Position verändern können. Somit kann in epigenetische Prozesse eingegriffen werden: Gene stören oder ihre Funktion beeinflussen. Die Einstufung von TEGenesis war umstritten. Letztlich wurde es als Gentechnik eingestuft, da das Verfahren über keine Geschichte der sicheren Nutzung verfügt.

Mehr zu TE-Genesis

CRISPR/Cas9, entdeckt 2012, basiert auf einem natürlichen Abwehrmechanismus von Bakterien. Dabei führen kleine „Lotsen“ (guide-RNA) die Genschere (Cas-Enzym) zu jene Genorte im Erbgut, wo beide Stränge der DNA geschnitten (Doppelstrangbruch) und die gentechnische Veränderung vorgenommen werden soll. So können Erbgutsabschnitte entfernt, verändert oder eingefügt werden. Mit CRISPR/Cas lassen sich nicht nur einzelne kleine Mutationen, sondern auch mehrfache oder grössere Veränderungen im Genom vornehmen. 

Die Möglichkeiten für die Anwendung von CRISPR/Cas sind weitaus vielfältiger und komplexer als einzelne Punktmutationen. Auch ohne das Einfügen zusätzlicher Gene können die Eigenschaften von Organismen radikal verändert werden. Diese neuen Gentechnikverfahren gehen mit spezifischen Risiken einher, die bislang weitgehend unerforscht sind.

Mehr über CRISPR/Cas erfahren

Off-target Effekte statt Präzision

Entgegen der Behauptungen der Agrarindustrie ist CRISPR/Cas nicht so präzise, wie dargestellt. Da die Genschere nicht nur die Zielsequenz, sondern auch ähnliche DNA-Stellen erkennt, können unbeabsichtigt tausende weitere DNA-Sequenzen verändert werden (sog. „Off-Target-Effekte“).

Die Vorstellung, mit neuen Gentechnikverfahren gezielt einzelne Funktionen ein- oder auszuschalten, ist eine starke Vereinfachung. Viele Gene haben mehrere unterschiedliche Aufgaben – in verschiedenen Geweben, Entwicklungsphasen oder Zellprozessen (sog. pleiotrope Geneffekte). Diese komplexen Zusammenhänge werden oft vernachlässigt. Deshalb bleibt die Gentechnik ein reduktionistischer Ansatz, der Organismen wie einfache Baukästen behandelt, an denen man beliebig „herumschrauben“ kann.

Erhöhte Eingriffstiefe

Die neuen Gentechnikverfahren unterscheiden sich stark von herkömmlicher Züchtung, u.a. in ihrer Eingriffstiefe: Mit CRISPR können mehrere Stellen im Erbgut gleichzeitig verändert werden, da die Genschere an allen passenden Zielsequenzen schneidet. So lassen sich ganze Genfamilien (Gene, die ähnliche oder identische Strukturen haben) in einem Schritt ausschalten – etwas, das mit klassischer Züchtung oder alter Gentechnik nicht möglich ist.

Mehr erfahren im Video von Testbiotech

Neue Gentechnikverfahren sind nur dann schnell, wenn genügend genomisches und bioinformatisches Wissen vorhanden ist. Diese zu sammeln ist ein langwieriger Prozess, welcher viele Jahre dauern kann.

Wenn es um CRISPR geht, zeigt sich die Pflanzenforschung begeistert - vor allem vom Tempo, mit dem sich im Labor Pflanzen verändern lassen. Doch ob sich die Geschwindigkeit im Labor auch in der praktischen Züchtung umsetzen lässt, ist fraglich. Häufig wird verschwiegen, dass im Labor zunächst nur Pflanzvarianten entstehen, die erst noch – oft zeitaufwendig – zu marktfähigen Sorten weiterentwickelt werden müssen. Zusätzlich verzögern verschiedene Faktoren den Weg vom Labor aufs Feld:  unerwartete Genveränderungen, pleiotrope Effekte, schwer zu bearbeitende Sorten sowie Patente, die wichtige Informationen unter Verschluss halten.

Mehr erfahren im Factsheet «Speedy CRISPR»

Aktuelle Beiträge zum Thema

EU: Debatte um Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit

Verlängerung des Gentechnik-Moratoriums bis 2030

Schweizer Konsumierende kritisch gegenüber Lebensmitteln aus Gentechnik

Gentech-Mikroorganismen: Eine Gefahr für die Umwelt?

Unsere Themen

Wir befassen uns intensiv 
mit den Auswirkungen 
der Gentechnologie auf 
Umwelt, Gesundheit 
und Gesellschaft.

Ihre Themenbereiche reichen von GVO in der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion über neue gentechnische Verfahren bis hin zu Themen wie Klimawandel, Nanotechnologie und synthetische Biologie. Ziel ist es, durch Information, Diskussion und Aktion, ein kritisches Bewusstsein zu schaffen und Alternativen aufzuzeigen. 

Ich mach mit:

Saatgut und Lebensmittel aus neuer Gentechnik könnten bald ohne Kennzeichnung und Risikoprüfung verkauft werden. Was halten Sie davon?

Damit wir wissen, was auf unseren Tellern landet, sammeln wir Stimmen aus der Praxis.

So geht's:

  1. Laden Sie den passenden Fragebogen herunter.
  2. Beantworten Sie 1-3 Fragen.
  3. Senden Sie uns Ihre Antworten, den Namen Ihres Betriebs und ein hochauflösendes Foto per Email an info@gentechfrei.ch.

 

Kurzumfrage für Akteur:innen aus den Bereichen:

 

Alternativ können Sie die Fragen als Word-Dokument anfordern: info@gentechfrei.ch.


Wir veröffentlichen Ihre Einsendung auf unserer Kampagnenseite und teilen sie in den sozialen Medien. Helfen Sie uns, Transparenz, Wahlfreiheit und Nachhaltigkeit zu sichern! Danke für Ihre Unterstützung.

Fragen?
E-Mail an info@gentechfrei.ch oder 044 262 25 76.

Veranstaltung:

Zürich isst! Sichern Sie sich Ihr Ticket für unsere Filmvorführungen mit anschliessenden Podien!

Im September 2015 steht ganz Zürich im Zeichen von Ernährung, Umwelt und Genuss. «Zürich isst» bietet der Bevölkerung mit vielfältigen Veranstaltungen die Gelegenheit, sich mit Fragen einer nachhaltigen Ernährung auseinanderzusetzen. Zum Programm: www.zuerich-isst.ch. DIE ZUKUNFT PFLANZEN – BIO FÜR 9 MILLIARDEN       
23. September 2015, 18 bis 21.30, Riffraff Kino Zürich