Gentechnik in der Landwirtschaft birgt grundlegende Risiken wie Auskreuzung und Kontamination. In einem kleinräumigen Land wie der Schweiz ist eine strikte Trennung der Produktionsketten von gentechnisch veränderten (GVO) und gentechnikfreien Produkten – und damit die Koexistenz von GVO- und Nicht-GVO-Kulturen – kaum machbar. Die SAG setzt sich dafür ein, dass die Wahlfreiheit von Betrieben, die gentechfrei produzieren möchten, geschützt bleibt und im Schadensfall die Haftung beim Verursacher liegt. Bis 2030 gilt in der Schweiz ein Moratorium für den kommerziellen Anbau von GVO-Pflanzen. Forschung und Freisetzungsversuche werden dadurch nicht eingeschränkt. Auch der Import von GVO-Produkten ist grundsätzlich möglich, wird jedoch von der Branche derzeit weitgehend vermieden.
Im Gentechnikgesetz ist die Haftung unter Kapitel 5 geregelt und besagt, dass die Person zu Rechenschaft gezogen wird, die gentechnisch veränderte Organismen (GVO) in Umlauf bringt. Wenn ein Schaden auftritt, dies kann z.B. die Kontamination eines gentechfreien Feldes mit Pollen von Gentechpflanzen sein, so müssen die Anbauenden von GVO für den Schaden aufkommen.
Internationale Standards in der Haftungsfrage
Die Schweiz hat 2014 ein internationales Protokoll zur Haftungsregelung bei Schäden durch gentechnisch veränderte Organismen ratifiziert. Das Zusatzprotokoll von Nagoya/Kuala Lumpur über Haftung und Wiedergutmachung schafft einen internationalen Mindeststandard für die Haftung im Fall von Biodiversitätsschäden, die grenzüberschreitend durch gentechnisch veränderte Organismen verursacht werden.
Das Zusatzprotokoll ist eine Erweiterung zum Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit aus dem Jahr 2000, welches den Handel mit gentechnisch veränderten Organismen regelt. Im Nagoya-Prokol wurde festgelegt, welche Massnahmen im Schadensfall zu treffen sind, wer diese Massnahmen ergreifen muss und wem die Kosten auferlegt werden können. Die Regelung steht im Einklang mit dem Schweizer Recht. Anpassungen von Schweizer Gesetzen waren für die Umsetzung daher nicht nötig.
Das bestehende Bundesgesetz über die Gentechnik im Ausserhumanbereich definiert klare Haftungsregeln; diese Regeln sind sogar konkreter und umfassender als die Regeln des Zusatzprotokolls von Nagoya/Kuala Lumpur. In der Schweiz werden auch Sach- und Körperschäden von den Haftungsregeln erfasst, während sich das Zusatzprotokoll auf Schäden an der Biodiversität beschränkt.
Haftungsregelung in Gefahr
Mit der neuen Gentechnik werden diese Standards in der Haftungsregelung von Seiten der Befürwortenden grundlegend in Frage gestellt. Dazu wird von ihnen das Argument benutzt, dass aus der neuen Gentechnik keine gentechnisch veränderten Organismen hervorgehen würden. Dies wurde jedoch 2023 vom Bundesrat sowie dem Bundesamt für Justiz und der EKAH negiert. Aktuell laufen jedoch wieder Bestrebungen, mittels eines Spezialgesetzes die neue Gentechnik aus dem Geltungsbereich des Gentechnikgesetzes herauszunehmen. Dieses Mal hat auch der Bundesrat seine Meinung gewechselt.
In der EU laufen ebenfalls Diskussionen zu einer Deregulierung der neuen gentechnischen Verfahren. Im aktuellen Vorschlag, der im EU-Rat diskutiert wird, soll es gentechnisch veränderte Pflanzen geben, die mit Pflanzen aus der herkömmlichen Züchtung vergleichbar wären. Dabei ist diese Definition auch für Fachpersonen nicht nachvollziehbar. Für diese Pflanzen soll es keine Haftungsregelung mehr geben. Aktuell kann noch nicht abgeschätzt werden, wann die Diskussionen in der EU zu einem Abschluss kommen.
Wenn die Haftung nicht nach Verursachendem geregelt ist, verlagert sich die Haftung in den Lebensmittelsektor, insbesondere den Detailhandel. Dieser haftet für seine Produkte, da er für die Produktsicherheit verantwortlich ist. Dementsprechend würde dies auch für Produkte aus neuer Gentechnik gelten und die Unternehmen müssten für daraus eventuell entstehende Schäden haften. Zwar sind Lebensmittelunternehmen in der Regel gegen Haftungsrisiken versichert, die Risiken aus der neuen Gentechnik werden von den Versicherungen jedoch nicht abgedeckt.
Insgesamt würde sich damit die Verantwortung in Form von Sicherheits- bzw. Risikoprüfung und Haftung vollständig auf die Lebensmittelunternehmen verlagern, während Biotechnologieunternehmen kaum noch Verantwortung für die Sicherheit ihrer Produkte tragen würden.
Auch die neue Gentechnik im Gentechnikgesetz regulieren
Für die SAG ist klar, dass auch die neue Gentechnik unter dem Gentechnikgesetz reguliert werden muss. Denn mit diesen Techniken kann in Bereiche des Genoms eingegriffen werden, an denen natürlicherweise Mutationen selten bis nie entstehen würden. Natürliche Schutz- und Reparaturmechanismen werden damit ausgehebelt. Die daraus entstandenen, gentechnisch veränderten Organismen sind folglich nicht mit gezüchteten Pflanzen vergleichbar und müssen auf ihre Risiken geprüft werden.
Die SAG fordert deshalb:
Die Lebensmittelschutz-Initiative sichert die Umsetzung dieser Forderungen. Unterschreiben auch Sie!
Als Koexistenz bezeichnet man die Möglichkeit, dass verschiedene landwirtschaftliche Anbausysteme wie der Gentech-Anbau, die konventionelle Landwirtschaft, der IP-Anbau und der biologische Landbau nebeneinander praktiziert werden können, ohne dass die Richtlinien der einzelnen Anbausysteme verletzt werden. Da verschiedene Anbaumethoden in der Landwirtschaft naturgemäss nicht voneinander getrennt praktiziert werden, sind geeignete Massnahmen für Anbau, Ernte, Transport, Lagerung und Verarbeitung erforderlich. Sie sollen zufällige Vermischungen von gentechnisch veränderten und herkömmlich gezüchteten Kulturen verhindern, die durch Verunreinigung von Saatgut, durch Pollenflug, Durchwuchs oder durch unsachgemässe Ernte- bzw. Transport- oder Lagerpraktiken verursacht werden können.
Bedingungen an die Regulierung und EU-Richtlinien
Die Debatte zur Koexistenz wurde weltweit schon oft geführt – meist ohne zufriedenstellende Ergebnisse. Wenn die Wahlfreiheit der Landwirt:innen, Züchter:innen und Konsument:innen erhalten bleiben soll, führt jedoch kein Weg daran vorbei. Nebst einer Kennzeichnungpflicht sind auch Regulierungen zu Anbau, Ernte, Transport, Lagerung und Verarbeitung erforderlich. Die Realität ist, dass Koexistenz teuer ist und nicht garantiert werden kann. Umso weniger in einem kleinen Land wie der Schweiz, mit kleinräumigen Strukturen. Überall auf der Welt, wo Gentechnik-Pflanzen angebaut werden, kam es zu Kontaminationen.
In der EU sind die einzelnen Mitgliedstaaten selbst dafür verantwortlich, eine entsprechende Gesetzgebung auszuarbeiten. Dies führte zu grossen Unterschieden bei der konkreten Ausgestaltung nationaler Koexistenzregelungen. Allgemein wird oft kritisiert, dass die Umsetzung einer Koexistenz sehr schwierig ist. Weltweit gibt es bereits hunderte von Kontaminationsfällen – durch Koexistenzprobleme, Fehler in der Warenflusstrennung oder durch Verwechslung von Saatgut. Von Seiten der Biotechnologie wird mehr Flexibilität und Spielraum für freiwillige Vereinbarungen zwischen Landwirt:innen verlangt.
Herausforderungen in der Praxis
Das nationale Forschungsprogramm NFP59, das 2007 bis 2012 lief und die Risiken der Gentechnik untersuchte, hat den Nutzen des Anbaus von GVP für die Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft deutlich in Frage gestellt. Die theoretischen Kostenvorteile im Ackerbau sind marginal und würden von den Kosten einer einigermassen sicheren Koexistenz und echten Schutzmassnahmen für die gentechnikfreie Landwirtschaft mehr als kompensiert.
In der Schweiz gibt es Regionen, in denen weder biologische noch Landwirtschaft nach IP-Richtlinien verbreitet sind. Man könnte davon ausgehen, dass dort die Bereitschaft höher ist, dass sich die Landwirte für eine GVO-Zone zusammenschliessen. Auf der anderen Seite sind Regionen vorhanden, die vom Label-Anbau geprägt sind wie beispielsweise im Bündnerland oder in den Kantonen Solothurn, Freiburg und Bern. In diesen Regionen wäre es sinnvoll, die Äcker gentechfrei zu halten. In gemischten Regionen ist die Wahlfreiheit der Produzierenden zwingend zu erhalten, weshalb dort griffige Koexistenzmassnahmen umgesetzt werden müssten.
Die Kosten der Koexistenzmassnahmen sind je nach Kultur unterschiedlich und abhängig von Anbautechnik, Erntezeitpunkt, den geografischen Begebenheiten und den individuellen Eigenschaften der Kultur selbst. Vereinfacht wird die Koexistenz, wenn man sich auf Zonen einigen kann, in denen Gentechnik angebaut wird oder die explizit gentechfrei sind. So wird z.B. der Anbau von Mais in bestimmten Regionen in Portugal reguliert. Die Idee von Regionen ohne und mit Gentechnik wurde in der Schweiz jedoch nie akzeptiert.
Das FiBL hat im Jahr 2004 eine Studie zur Thematik der Koexistenz veröffentlicht. Eine effektive Koexistenzregulierung würde die Schweizer Landwirtschaft in der Praxis vor grosse Herausforderungen stellen. Die Anbaupraxis, Fruchtfolge, überregionale Absprache, Planung der Landwirtschaft und Saatgutvermehrung sowie Überwachung der ungewollten Ausbreitung von GVOs verlangen die Etablierung von neuen Zuständigkeitsstellen auf kommunaler, kantonaler und nationaler Ebene. In Spannung dazu steht die individuelle Wahlfreiheit der Fruchtfolge der einzelnen Produzierenden. Es bräuchte laut FiBL ein Anbauregister, in dem Landwirt:innen angeben müssen, was, wo und wie angebaut wird. Denkbar wäre, dass die Überwachung des GVO-Anbaus durch ein Zertifizierungs- und Kontrollsystem erbracht wird, ähnlich wie dies bei der Labelproduktion üblich ist. Aufgrund dieser grossen Hürden erachtet das FiBL den Verzicht auf GVO in der kleinräumigen Schweiz als naheliegend oder rät, den Anbau auf wenige Kulturen zu beschränken.
Die Schweizer Qualitätsstrategie schliesst Gentechnik aus
Seit Inkrafttreten des Moratoriums im Jahr 2005 gibt es mehrere branchenübergreifende Übereinkommen, welche die Gentechfreiheit als ein wichtiges Merkmal der Qualitätsstrategie der Schweizer Landwirtschaft darstellen. Das Label «Suisse Garantie» schreibt in seinen Richtlinien die Gentechfreiheit vor und setzt so den Qualitätsstandard für die Schweizer Landwirtschaft.
Eine Koexistenz zwischen GVO-Pflanzungen und konventioneller sowie biologischer Landwirtschaft ist für zahlreiche Kulturpflanzen praktisch nicht möglich, wenn gleichzeitig das Recht auf Wahlfreiheit garantiert werden soll. Die Verunreinigung mit GVO-Produkten kann zwar mit grossem Aufwand verringert, aber nicht vollständig verhindert werden. Die Schweiz ist in der komfortablen Lage, noch eine wirkliche Wahl treffen zu können, da im freien Umfeld noch keine genmanipulierten Pflanzen kommerziell angebaut wurden. Die weitaus sicherste, einfachste und billigste Möglichkeit, das Problem der Kontamination gar nicht erst entstehen zu lassen, ist der Verzicht auf Gentech-Pflanzen in die Landwirtschaft.
Die SAG setzt sich im Grundsatz für ein Anbauverbot für Gentech-Pflanzen in der Schweizer Landwirtschaft ein. Damit wird der gentechnikfreien Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion der konsequenteste Schutz geboten.
Wir fordern insbesondere:
In der Schweiz besteht bis Ende 2025 ein Moratorium für den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen. Das befristete Anbauverbot für Gentechpflanzen geht auf die Gentechfrei-Initiative zurück, die 2005 von der Schweizer Bevölkerung deutlich angenommen wurde. Sämtliche Kantone sprachen sich bei dieser Abstimmung für ein fünfjähriges Moratorium aus, das seit anhin immer wieder verlängert wurde. Das Moratorium ermöglicht eine Verzögerung der Einführung von Gentechpflanzen, ist jedoch dazu gedacht, dass während dieser Zeit Gesetze erlassen werden, die den Anbau regulieren.
Besonderheiten des Moratoriums
Die Moratoriumsverlängerung betrifft nur den kommerziellen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in der Schweizer Landwirtschaft. Die Forschung wird durch das Moratorium nicht eingeschränkt. Freisetzungsversuche in der Umwelt zu Forschungszwecken sind erlaubt. Auch der Import von GVO ist grundsätzlich erlaubt.
Seit 2010 wurde das Moratorium vom Parlament dreimal verlängert (2010 um drei Jahre, 2014, 2017 und 2021 um je vier Jahre) und gilt aktuell bis Ende 2025. Es liegt aktuell eine parlamentarische Initiative 24.443 vor, die eine Verlängerung bis Ende 2027 verlangt. Der Bundesrat schlägt nun sogar eine Verlängerung bis 2030 vor. Diese wird in der Frühlingssession in den beiden Räten diskutiert.
Unterstützung für die Moratoriumsverlängerung
Das Moratorium für den Anbau von GVO erhält in der Schweiz breite Unterstützung, sowohl in der Bevölkerung als auch in den landwirtschaftlichen (Bauern und Bäuerinnen) und ernährungswirtschaftlichen Sektoren (Detail- und Futtermittelhandel). Für sie ist der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in der kleinräumigen Schweiz keine Option. Sie sind der Meinung, dass er die naturnahe Landwirtschaft gefährden und das Image der Schweizer Landwirtschaft schädigen würde.
Regulatorische Fortschritte
Bei der letzten Moratoriumsverlängerung (2021) wurde dem Bundesrat der Auftrag erteilt, dem Parlament einen Regulierungsvorschlag für die neuen gentechnischen Verfahren vorzulegen. Gentechnikbefürwortende Kreise aus Wissenschaft und Industrie hatten im Vorfeld dafür lobbyiert, einen Teil der neuen Gentechnikverfahren nicht dem Moratorium zu unterstellen. Die Vernehmlassung zum entsprechenden Gesetz wurde im April 2025 gestartet. Dass es sich auch bei den neuen gentechnischen Verfahren grundsätzlich um Gentechnik handelt, bestätigt der Bundesrat in seinem Antwortsbericht auf drei Postulate (20.4211, 21.3980, 21.4345) im Jahr 2023 (siehe auch: SAG-Position zum Bundesratsbericht). Auch das Bundesamt für Justiz und der Europäische Gerichtshof vertreten diese Meinung.
Die Geschichte des Moratoriums – wirtschaftliche Argumente
Als Argument gegen die Verlängerung des Moratoriums wurden stets wirtschaftlichen Nachteile durch das Anbaumoratorium für GVO ins Feld geführt. 2005 hatte der Bundesrat daher das Nationale Forschungsprogramm NFP 59 zu den Chancen und Risiken von GV-Pflanzen lanciert, das aus 29 inhaltlich breit gefächerten Projekten bestand. Im Rahmen eines der Projekte untersuchten Forschende der Universität Zürich, der ETH Zürich und der Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART gemeinsamen Freisetzungsversuchen den Nutzen und die Risiken von gentechnisch verändertem pilzresistentem Weizen von 2008 bis 2011. Diese Versuche wurden vom Bundesamt für Umwelt BAFU im September 2007 bewilligt.
Im Synthesebericht 2012 kamen die Forschenden zum Schluss, dass der Anbau von GV-Pflanzen in der Schweiz weder wirtschaftliche noch ökologische Vorteile bringe. Ausserdem wurde die Wichtigkeit einer strengen Regulierung betont, um nachteilige Effekte der Gentechnik zu minimieren.
Auch eine vom Bundesrat in Auftrag gegebene Kosten/Nutzenanalyse des Bundesamtes für Landwirtschaft kam 2016 zum Schluss, dass keine auf dem Markt verfügbare GV-Pflanze für die Schweiz einen positiven Nutzen bringen würde.
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