Die Verwendung von gentechnisch verändertem (GV) Saatgut führt zu einem erhöhten Einsatz von Pestiziden – zu diesem Ergebnis kommt eine im April 2025 veröffentlichte Studie von Wissenschaftlern aus den USA.
Die Studie umfasst eine globale Analyse von Daten der letzten 30 Jahre über gentechnisch veränderte herbizidtolerante Nutzpflanzen (Soja, Mais und Raps) sowie eine empirische Fallstudie zu Bt-Baumwolle in Indien.
Auf kurzfristige Senkung folgt langfristige Erhöhung des Pestizideinsatzes
Trotz kurzfristiger Effizienz- und Produktivitätssteigerung (u. a. in Form eines geringeren Pestizideinsatzes) führt die Verwendung von gentechnisch veränderten Pflanzen langfristig nicht zu einer Verringerung des Einsatzes von Pestiziden oder zur Rückgewinnung von Land für nicht-landwirtschaftliche Zwecke, so die Schlussfolgerung der Studie. Stattdessen kann eine Ausweitung der landwirtschaftlichen Nutzfläche und ein vermehrter Einsatz von Pestiziden beobachtet werden – zum Teil sogar genau jener Pestizide, deren Verwendung mithilfe der GV-Pflanzen eigentlich hätte reduziert werden sollen.
Ähnliche Ergebnisse in Indien und den USA
In Indien wurde der Fall der Bt-Baumwolle betrachtet. Mit dieser Gentechpflanze hätte der Insektizideinsatz verringert werden sollen. Anfangs funktionierte sie tatsächlich wie geplant: Die Baumwollbauern setzten weniger Insektizide ein und hatten geringere Kosten. Der Effekt hielt jedoch nicht lange an. 2018 waren die Ausgaben der Baumwollbauern für Pestizide um 37 % höher als beim Höchstwert von 2001, vor der Einführung der Bt-Baumwolle. Die Gründe dafür sind vielfältig: Zum einen gewannen Schädlinge, die nicht der Zielorganismus der Bt-Baumwolle waren, an Einfluss und die Zielschädlinge entwickelten mit der Zeit Resistenzen. Zum anderen führte die neue (vorerst kostengünstigere) Technologie dazu, dass der Baumwollanbau insgesamt ausgeweitet wurde – dies in Monokulturen, die einen hohen Gesamtverbrauch an verschiedenen Ressourcen haben. Somit stieg nicht nur der Pestizideinsatz wieder an, sondern auch die Nutzung anderer Ressourcen wie Land, Wasser und Düngemittel.
Ein ähnliches Bild ergab sich in den USA beim Anbau von herbizidresitenten GV-Pflanzen, welche eine einfachere und effizientere Unkrautkontrolle hätten ermöglichen sollen. Zu Beginn sparten die Bauern Kosten ein, unter anderem da sie günstigere Herbizide (v.a. das Breitbandherbizid Glyphosat) einsetzen konnten. Da sich Glyphosat anwenden liess, ohne die Nutzpflanzen zu schädigen, explodierte der Glyphosateinsatz letztlich. Der Anteil der mit Glyphosat behandelten Sojafelder stieg beispielsweise von 15% auf 87% zwischen 1994 (dem Jahr vor der Einführung der herbizidresistenten Sojapflanze) und 2018. Mit der Zeit entstand ein Teufelskreis: Unkräuter entwickelten Resistenzen gegen Glyphosat, die Hersteller entwickelten daher neue GV-Pflanzen, die resistent gegen noch giftigere Herbizide waren und der Einsatz von Glyphosat und giftigeren Herbiziden nahm entsprechend zu.
Das Jevons’ Paradoxon und die «landwirtschaftliche Effizienzfalle»
Die Wissenschaftler erklären diese Entwicklungen mit dem sogenannten Jevons’ Paradoxon. Dieses besagt, dass technologischer Fortschritt, der die effizientere Nutzung einer Ressource (hier u. a. Pestizide) erlaubt, letzten Endes zu einer erhöhten Nutzung dieser Ressource führt, anstatt sie zu senken. Dies geschehe aufgrund der Komplexität von Landwirtschaftssystemen, welche von einer Vielzahl wirtschaftlicher, politischer, ökologischer, sozialer und evolutionärer Faktoren beeinträchtigt werden. Technologische Veränderungen wie GV-Saatgut liessen sich nicht von ihren Auswirkungen auf Arbeit, Unkraut- und Schädlingsökologie oder auf landwirtschaftliche Entscheidungen trennen, so die Autoren.
Dabei sprechen sie von einer besonderen Elastizität der Landwirtschaft: Dank neuer Technologien wie pestizidtoleranten Pflanzen lässt sich der Anbau ausweiten, und die Bauern – eingebunden in ein kapitalistisches Landwirtschaftssystem – können die Baumwollproduktion intensivieren. Diese komplexen Wechselwirkungen werden jedoch erst einige Zeit später sichtbar und hebeln die ursprüngliche Wirkung der technologischen Effizienzsteigerung aus. So ist von einer «Effizienzfalle» die Rede, bei der zu Beginn zwar eine höhere Effizienz und Produktivität zu erkennen sei, letztlich würden aber der Pestizideinsatz ebenso wie die langfristigen Gesamtkosten steigen.
Neue Gentechnik – alte Probleme
Auch im Rahmen der Sortenentwicklung mithilfe der neuen Gentechnik (NGT) stehen Pestizidresistenzen, die auf einem oder wenigen Gene beruhen, häufig im Fokus. Denn solche Eigenschaften lassen sich technisch relativ einfach realisieren. In Bezug auf die Folgen unterscheiden sich die NGT-Sorten nicht von Sorten aus alter Gentechnik. Auch bei der neuen Gentechnik ist damit zu rechnen, dass Unkräuter und Schädlinge infolge des erhöhten Selektionsdrucks Resistenzen entwickeln und der Pestizideinsatz daher wieder erhöht wird. Auch die in der Studie betrachteten sozioökonomischen Folgen der Verwendung von GV-Saatgut dürften gleichermassen bei NGT-Pflanzen auftreten.
Ganzheitlicher, systematischer Ansatz notwendig
Die Autoren der Studie plädieren für einen systembasierten Ansatz, um die Funktionsweise der Landwirtschaft zu analysieren und nachhaltig zu verändern.
So sei es nicht sinnvoll, den Effekt von technologischen Innovationen (wie z. B. GV-Saatgut) auf einzelne Faktoren isoliert zu betrachten. Stattdessen brauche es eine Analyse auf Systemebene, um den komplexen sozialen, ökologischen und politischen Faktoren gerecht zu werden.
Um Landwirtschaftssysteme nachhaltig zu verbessern, sei es besser, Stabilität und Diversifikation anzustreben, anstatt durch technische «Lösungen» kurzzeitige Effizienzsteigerungen zu verfolgen.
Auch im K‑Tipp wurde kürzlich über die Studie berichtet.
Quellen:
Flachs, A., Stone, G. D., Hallett, S., & Kranthi, K. R. (2025). GM Crops and the Jevons Paradox: Induced Innovation, Systemic Effects and Net Pesticide Increases From Pesticide-Decreasing Crops. Journal of Agrarian Change