Bienen an die Bedürfnisse der industriellen Landwirtschaft anpassen? Gefährlich. Bild: Frank Stecker, Wikimedia Commons

 

Ein erhebliches Risiko für Mensch und Umwelt

Die indu­stri­el­le Land­wirt­schaft und die Var­roa-Mil­be haben den Bie­nen­be­stand welt­weit stark dezi­miert. Nun wol­len For­scher die Bie­nen mit den neu­en gen­tech­ni­schen Ver­fah­ren an die indu­stri­el­le Land­wirt­schaft anpas­sen. Gen­tech­nik­ex­per­te Chri­stoph Then warnt vor die­sen unbe­re­chen­ba­ren Ein­grif­fen am wich­tig­sten Bestäu­ber.

Text: Deni­se Bat­ta­glia

Bie­nen bestäu­ben rund 80 Pro­zent der Pflan­zen. Wir ver­dan­ken ihrem Pol­len­trans­port Früch­te und Obst, Ölsaa­ten wie Raps, auch Nüs­se und Gemü­se. Seit der Aus­strah­lung des Doku­men­tar­films «More than Honey» des Schwei­zer Regis­seurs Mar­kus Imhoof weiss auch jeder Nicht­im­ker: Den Bie­nen geht es nicht gut. In Chi­na müs­sen in bestimm­ten Regio­nen die Blü­ten von Men­schen­hand bestäubt wer­den, weil es kei­ne Bie­nen mehr gibt. Im Jahr 2016 rie­fen die USA die Bie­ne zur gefähr­de­ten Art aus. Auch hier­zu­lan­de hat der Bun­des­rat einen Mass­nah­men­plan «für die Gesund­heit der Bie­nen» ver­ab­schie­det, weil der Bestand an Honig­bie­nen und Wild­bie­nen stark rück­läu­fig ist.

Frü­he­re Hoch­kul­tu­ren haben die Bie­ne ver­ehrt. Für die Ägyp­ter, die schon vor 3000 Jah­ren Honig­bie­nen züch­te­ten, war der Honig eine Göt­ter­spei­se. Die Bie­nen sind in den Hei­lig­tü­mern ägyp­ti­scher Tem­pel abge­bil­det. Nach der Über­lie­fe­rung sind die Bie­nen gött­li­cher Her­kunft: Sie ent­stan­den aus den Trä­nen des Son­nen­got­tes Re, dem wich­tig­sten alt­ägyp­ti­schen Gott. Auch im anti­ken Grie­chen­land gal­ten die Bie­nen als «Boten der Göt­ter».

Nun steht die Bie­ne im Fokus der Gen­tech­nik

Für den moder­nen Men­schen ist die Bie­ne, die rund 17 Mil­lio­nen Jah­re vor dem Men­schen die Erde bevöl­kert hat, kein Göt­ter­bo­te mehr, son­dern besten­falls ein Mit­tel zum Zweck (der effi­zi­en­ten Bestäu­bung und Honig­pro­duk­ti­on). Die indu­stri­el­le Land­wirt­schaft mit ihren (gen­tech­nisch ver­än­der­ten) Mono­kul­tu­ren und ihrem Pesti­zid ein­satz steht im Ver­dacht, neben der Var­roa-Mil­be mit ver­ant­wort­lich für das welt­wei­te Bie­nen­ster­ben zu sein: Die Mono­kul­tu­ren haben die Viel­falt des Bie­nen­fut­ters redu­ziert und Stu­di­en ver­wei­sen dar­auf, dass die in den Pesti­zi­den ent­hal­te­nen Wirk­stof­fe wie Neo­ni­co­ti­no­ide und Gly­pho­sat die Bie­nen schwä­chen könn­ten. «Bie­nen hat­ten über Mil­lio­nen von Jah­ren eine wun­der­ba­re Nah­rung, die genau ihre Ansprü­che erfüll­te», sag­te der Bie­nen for­scher Jay Evans vom US-Land­wirt­schafts­mi­ni­ste­ri­um in einem Inter­view gegen­über dem deut­schen Fern­seh­sen­der ARD. «Mit zusätz­li­chen Che­mi­ka­li­en kom­men sie des­halb nicht klar.» Doch die Kon­se­quenz die­ser Erkennt­nis ist nicht, die indu­stri­el­le Land­wirt­schaft in Fra­ge zu stel­len. Die Kon­se­quenz des moder­nen Men­schen ist, zu ver­su­chen, neue Bie­nen her­zu­stel­len, die mit den Che­mi­ka­li­en «klar­kom­men». Mit den neu­en Gen­tech­nik­ver­fah­ren wie CRISPR/Cas will man die Insek­ten zum Bei­spiel resi­sten­ter gegen Pesti­zi­de machen. Chri­stoph Then vom deut­schen Insti­tut Test­bio­tech warnt vor Ein­grif­fen in das Erb­gut der Bie­ne. «Wir haben eine Dimen­si­on der gen­tech­ni­schen Mani­pu­lier­bar­keit erreicht, die ich für sehr gefähr­lich hal­te.»

Herr Then, in den USA, wo gen­tech­nisch ver­än­der­te Pflan­zen gross­flä­chig ange­baut wer­den, steht die Bie­ne auf der Liste der gefähr­de­ten Arten. Schä­di­gen gen­tech­nisch ver­än­der­te Pflan­zen die Bie­nen doch?

Chri­stoph Then: Der Zusam­men­hang zwi­schen dem Bie­nen­ster­ben in den USA und dem Anbau von gen­tech­nisch ver­än­der­ten Pflan­zen wur­de mei­nes Wis­sens nicht nach­ge­wie­sen. Womög­lich ist es in den USA gar nicht mehr mög­lich, neben Bie­nen, die Gen­tech­pflan­zen anflie­gen, noch eine Kon­troll­grup­pe zu unter­su­chen, die kei­nen Kon­takt zu Gen­tech­pflan­zen hat. Ver­mut­lich sind die Bie­nen gegen­über dem BT-Gift allei­ne rela­tiv unemp­find­lich. Stu­di­en wei­sen aber dar­auf hin, dass Bie­nen auf das vom Bt-Mais per­ma­nent pro­du­zier­te Insek­ten­gift emp­find­lich reagie­ren, wenn sie von Darm­pa­ra­si­ten befal­len, also geschwächt sind. Ande­re Stu­di­en zei­gen, dass sich die Wir­kung des Bt-Insek­ten­gif­tes ver­stär­ken kann, wenn sie mit Umwelt­gif­ten, Krank­heits­er­re­gern oder Pesti­zi­den inter­agie­ren. Das könn­te auch Bie­nen betref­fen.

Die Fra­ge, ob das Bt-Toxin Bie­nen mit Darm­pa­ra­si­ten schä­digt, wur­de bis heu­te nicht geklärt. War­um?

Eine Stu­die von For­schern der Uni­ver­si­tät Jena konn­te nicht wei­ter­ge­führt wer­den. Nach den Hin­wei­sen dar­auf, dass die Wir­kung des Insek­ten­gifts auf Bie­nen durch Wech­sel­wir­kung mit Darm­pa­ra­si­ten ver­stärkt wird, wur­den kei­ne wei­te­ren Mit­tel für das Pro­jekt bewil­ligt.

Nach ande­ren Stu­di­en bein­träch­tigt das Bt-Gift die Lern­fä­hig­keit von Bie­nen.
Ja, aber die Indu­strie sagt, dass den Bie­nen in die­sen Unter­su­chun­gen mehr Bt-Gift ver­ab­reicht wor­den sei, als sie auf ihrem Pol­len­flug auf­neh­men wür­den. Auch hier bräuch­te es wei­te­re Unter­su­chun­gen.

Die Bie­ne soll nun mit­tels Gen­tech­nik vor dem Aus­ster­ben geret­tet wer­den.
Monsan­to will unter ande­rem bio­lo­gisch akti­ve Stof­fe, soge­nann­te mikro-RNA, die mit Hil­fe von Gen­tech­nik her­ge­stellt wird, in das Fut­ter von Bie­nen mischen. Die Idee dahin­ter: Die Bie­nen neh­men die­se Stof­fe auf und geben sie an Para­si­ten wie die Var­roa­mil­ben wei­ter, wenn die­se den Bie­nen­stock befal­len. Bei den Mil­ben sol­len die­se Stof­fe dann in die Gen­re­gu­la­ti­on ein­grei­fen und so die Para­si­ten abtö­ten. Das ist ein Ver­fah­ren, das mit vie­len Risi­ken behaf­tet ist. Die­se Stof­fe wür­den auch im Honig lan­den. Ins­ge­samt will die Indu­strie die Bie­nen an die Umwelt­be­la­stun­gen anpas­sen und nicht umge­kehrt eine bie­nen­freund­li­che Umwelt schaf­fen. Dafür sol­len auch die neu­en Gen­tech­nik­ver­fah­ren ver­wen­det wer­den.

Mit gen­tech­ni­schen Ein­grif­fen bei Bie­nen und ande­ren Insek­ten wird eine wich­ti­ge Gren­ze über­schrit­ten. Man ver­sucht, wild­le­ben­de Popu­la­tio­nen gen­tech­nisch zu ver­än­dern, die auf vie­len Ebe­nen mit der Umwelt in Wech­sel­wir­kung ste­hen. Dies ist eine neue Dimen­si­on der Risi­ken. Ein sol­cher Ein­griff kann nicht mehr rück­gän­gig gemacht wer­den, soll­te etwas schief­lau­fen.

Sie mei­nen die neu­en Gen­tech­nik­me­tho­den wie CRISPR/Cas9?
Genau. Die­se neu­en Gen­tech­ni­ken haben das Spiel­feld mas­siv erwei­tert. Man will jetzt auch natür­li­che Popu­la­tio­nen gen­tech­nisch ver­än­dern, nicht wie bis­her Acker­pflan­zen. So will man unter ande­rem Mücken und Frucht­flie­gen bekämp­fen oder Bie­nen resi­stent gegen Pesti­zi­de oder die Var­roa-Mil­be machen. Die­se Ent­wick­lung hat eine unge­heu­re Dyna­mik und eine neue Dimen­si­on der Risi­ken. Wenn nun frei flie­gen­de Insek­ten gen­tech­nisch ver­än­dert wer­den, dann ver­lie­ren wir die Kon­trol­le – wir kön­nen nicht mehr ein­grei­fen, wenn etwas schief­geht.

Die Anwen­der sagen, es gehe ihnen bei den Bie­nen um deren Schutz.
Letzt­lich geht es oft um kurz­fri­sti­ge Pro­fi­te. Mit der alten Gen­tech­nik  woll­te man den Ein­satz von Pesti­zi­den ver­rin­gern. Mit den neu­en Gen­tech­ni­ken will man angeb­lich bedroh­te Arten ret­ten. Dass es aber um Pro­fi­te geht, erkennt man dar­an, dass die Fir­men Paten­te auf die Tech­no­lo­gien und die Orga­nis­men anmel­den – jüngst zum Bei­spiel ein Patent auf gen­tech­nisch ver­än­der­te Bak­te­ri­en, die den Darm von Bie­nen besie­deln sol­len. Und auch die gen­tech­nisch ver­än­der­ten Insek­ten wer­den paten­tiert.

Ist es etwas ande­res, ob man Pflan­zen gen­tech­nisch ver­än­dert oder Bie­nen?
Mit Insek­ten wie Bie­nen wird eine wich­ti­ge Gren­ze über­schrit­ten. Man ver­sucht nun, wild­le­ben­de Popu­la­tio­nen gen­tech­nisch zu ver­än­dern, die auf vie­len Ebe­nen mit der Umwelt in Wech­sel­wir­kung ste­hen. Bis­her hat man ver­sucht, die Gen­tech­nik auf das Labor oder den Acker zu begren­zen.

Die Anwen­der von CRISPR/Cas9 sagen, dass die­se Tech­nik sehr prä­zi­se sei.
Man beru­higt die Poli­ti­ker und die Bevöl­ke­rung mit der angeb­li­chen Prä­zi­si­on der neu­en Gen­tech­ni­ken. Tat­säch­lich sind die neu­en Ver­fah­ren prä­zi­ser – aber kei­nes­wegs feh­ler­frei. Mit der Behaup­tung der «Prä­zi­si­on» – die Medi­en und Poli­ti­ker oft zu unkri­tisch von der Gen­tech­lob­by über­neh­men – soll ver­hin­dert wer­den, dass man über die Risi­ken dis­ku­tiert.

Wel­che Risi­ken ber­gen denn die neu­en Gen­tech­ver­fah­ren?
Wie bei den alten Gen­tech­nik­ver­fah­ren greift man auch bei den neu­en – anders als bei der kon­ven­tio­nel­len Züch­tung – direkt ins Erb­gut ein und umgeht so die natür­li­chen Mecha­nis­men der Ver­er­bung und der Gen­re­gu­la­ti­on. Dabei kann es zu unge­woll­ten Ver­än­de­run­gen der Struk­tur der Gene, der Gen­re­gu­la­ti­on, der Wech­sel­wir­kun­gen und der gene­ti­schen Netz­wer­ke kom­men. Das kann bei gen­tech­nisch ver­än­der­ten Pflan­zen und Tie­ren − unab­hän­gig davon, ob die­se mit neu­er oder alter Gen­tech­nik mani­pu­liert wer­den − sehr unter­schied­li­che Fol­gen haben. Grund­sätz­lich ist das Risi­ko höher, wenn man die Gen­tech­nik bei wild­le­ben­den Popu­la­tio­nen anwen­det. Aber auch ein Gen­tech­nik­pilz, der nach dem Schnei­den nicht mehr braun wird, weil natür­li­che Gen­an­la­gen mit der Gen­sche­re ent­fernt wur­den, kann in sei­nem Stoff­wech­sel so ver­än­dert sein, dass er für Men­schen unge­niess­bar wird.

Viel­leicht funk­tio­niert das, was sich die Anwen­der vor­stel­len, gar nicht? Die alte Gen­tech­nik hat auch nicht, wie von der Indu­strie pro­phe­zeit, den Welt­hun­ger besei­tigt oder den Pesti­zid­ein­satz ver­rin­gert.
Ob die Tech­nik das bringt, was die Anwen­der sich aus­den­ken, ist oft gar nicht ent­schei­dend. Der Punkt ist: Die neu­en Gen­tech­ni­ken haben die Mög­lich­kei­ten zur Mani­pu­la­ti­on des Erb­guts erheb­lich aus­ge­wei­tet. Die­se Mach­bar­keit ist eine gros­se Her­aus­for­de­rung für die Gesell­schaft. Denn damit neh­men die Ein­satz­mög­lich­kei­ten wie die Risi­ken zu. Eine Bie­ne, die in ihrem Darm gen­tech­nisch ver­än­der­te Bak­te­ri­en trans­por­tiert und in der Umwelt ver­teilt, ist ein erheb­li­ches Risi­ko für Mensch und Umwelt. Das gilt auch dann, wenn die Bak­te­ri­en sich im Darm der Bie­nen nicht so ver­hal­ten, wie eine Fir­ma dies ger­ne hät­te. Wir haben eine Dimen­si­on der gen­tech­ni­schen Mani­pu­lier­bar­keit erreicht, die ich für sehr gefähr­lich hal­te.

Was wäre zu tun?
Wir müs­sen über die­se neu­en Tech­no­lo­gien eine gesamt­ge­sell­schaft­li­che Debat­te füh­ren: über Risi­ken, Ver­ant­wor­tung, Inter­es­sen, über Wer­te und Gren­zen. Poli­tik und Medi­en sind oft nicht auf dem aktu­el­len Wis­sens­stand und unter­schät­zen die Risi­ken. Ins­ge­samt erhält die neue Gen­tech­nik noch nicht die Auf­merk­sam­keit, die sie benö­tig­te. Die­se Tech­no­lo­gien ent­wickeln sich sprung­haft wei­ter. Mit der gros­sen Dyna­mik der Ent­wick­lung droht der Gesell­schaft die Kon­trol­le zu ent­glei­ten. Die moder­ne Gesell­schaft steht hier vor gros­sen Her­aus­for­de­run­gen.

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