Forschende der gemeinnützigen Forschungsorganisation Kheiron Biotech in Buenos Aires haben die weltweit ersten CRISPR-Sportpferde erzeugt. Ihre Ziele: gesteigerte Muskelkraft und höhere Geschwindigkeit. Doch die Entwicklung wirft erhebliche ethische Fragen auf – und stösst bei argentinischen Pferdezüchtern auf Widerstand.
Die CRISPR-Pferde sind Klone eines preisgekrönten Polopferdes namens «Polo Pureza». In ihrem Erbgut wurde das Myostatin-Gen mithilfe der Genschere verändert – ein Gen, das die Muskelentwicklung reguliert. Wird es ausgeschaltet, bilden die Tiere deutlich mehr Muskelmasse. Der gentechnische Eingriff erfolgte in fetalen Bindegewebszellen (Fibroblasten), die anschliessend per Klontechnik in Stuten implantiert wurden, um Embryonen zu erzeugen.
Klonieren – umstritten und ineffizient
Kheiron Biotech ist seit vielen Jahren auf das Klonen von Sportpferden spezialisiert. So ritt der argentinischer Polospieler Adolfo Cambiaso bereits 2016 bei einem Turniereinsatz 6 identische, geklonte Pferde – allesamt Nachkommen eines Spitzenpferdes.
Doch Klonieren gilt bis heute als hoch umstritten. Die Technologie ist invasiv, verursacht Tierleid und bleibt auch knapp 30 Jahren nach ihrer Einführung ineffizient: Nur 1 bis 5 Prozent der in Leihmuttertiere übertragenen Klonembryonen entwickeln sich tatsächlich zu lebensfähigen Nachkommen. Häufig kommt es zu Missbildungen oder Fehlgeburten.
Lange waren Klonpferde im Wettbewerb deshalb verboten. Erst 2012 hob die Fédération Équestre Internationale (FEI), der internationale Dachverband des Pferdesports das Verbot auf. Seit 2016 dürfen Klonpferde sogar bei Olympischen Spielen antreten.
Nun soll die Kombination von neuer Gentechnik und Klonierungstechnologie das Leistungspotenzial von Sportpferden weiter steigern. Darüber hinaus könne die Technologie genutzt werden, um abnorme DNA-Sequenzen zu reparieren, Erbkrankheiten zu korrigieren oder Gene aus Wildpferden einzuführen, die für Hochleistungspferde interessant sein könnten, so die Website von Kheiron.
Kontroversen bei Pferdezüchtern
Die Geburt des ersten CRISPR-Fohlens hatte die Organisation bereits für 2019 angekündigt – doch offenbar dauerte es deutlich länger. Die jüngsten Ankündigungen sorgen trotzdem für Kontroversen unter Pferdezüchtern in Argentinien, wo Polo besonders beliebt ist. Ein Bericht von Reuters vom 30. August dokumentiert die Kritik.
Bemängelt wird unter anderem, dass die neue Gentechnik die Existenzgrundlage vieler Züchter bedrohe, und die jahrhundertealte Tradition der Selektionszucht zur Erzeugung von Elitepferden gefährde. Als Reaktion hat der argentinische Poloverband die Verwendung von Gentechpferden in diesem Sport verboten. Damit folgt er dem Beispiel der FEI, die diese Praxis im Polosport bereits 2019 verboten hatte.
“Verbesserung der Landwirtschaft” – oder kommerzielles Kalkül?
Tiersport oder “Landwirtschaft zu optimieren — solche Bemühungen haben sich zu einer kommerziellen Realität gewandelt”, behauptet Tad Sonstegard, wissenschaftlicher Leiter bei Acceligen, einem Unternehmen in Eagan, Minnesota, das sich auf Gentechnik bei Nutztieren spezialisiert hat. Tatsächlich hat CRISPR einen Boom bei Tieren verursacht. Der Hauptgrund dafür: Forschung mit der Technologie ist bezahlbar und relativ einfach in der Ausführung — zumindest im Vergleich zu alten Gentechniken. Doch jenseits der Rhetorik bleibt die Frage, ob hier tatsächlich „Optimierung“ betrieben wird. Im Sinne von Tierwohl oder Nachhaltigkeit kann von einer echten Verbesserung kaum die Rede sein.
Die CRISPR-Pferde reihen sich ein in eine ganze Menagerie CRISPR-Nutztiere, die vielfältige Anwendungsmöglichkeiten haben – meist mit dem Ziel, tierische Leistungen zu erhöhen. Allein das Myostatin-Gen wird bei unzähligen Nutztieren verändert, etwa bei Schweinen, Rindern, Schafen, Kaninchen, Ziegen und Hühnern – hier, um die Fleischmasse pro Tier zu steigern. Dass ausgerechnet dieses Gen so beliebt ist, liegt daran, dass dieser Eingriff technisch einfach machbar ist und Profit verspricht. Gleichzeitig führt er aber zur weiteren Intensivierung der Landwirtschaft. Was dabei ausser Acht gelassen wird, ist das Tierleid, das diese Eingriffe verursachen. Denn solche Supermuskeltiere leiden und dies bereits ohne Gentechnik. Die entsprechende Mutation des Myostatin-Gens kommt auch natürlich vor — etwa bei der Rinderrasse Blauer Belgier. Diese Rinder kämpfen mit Gelenkproblemen und müssen wegen des Überschusses an Muskelmasse per Kaiserschnitt gebären. Die gentechnische Ausschaltung des Myostatin-Gens kann zudem zu Tieren führen, die abnormale Beine haben und innerhalb weniger Tage nach der Geburt sterben.
Ethische Bedenken
Damit tauchen neue ethische Fragen auf, die eng mit der Würde der Kreatur verknüpft sind. Züchtung darf Tiere nicht bis auf das extremste instrumentalisieren und keine höheren Leistungsziele setzen, wenn diese die Tiere gesundheitlich überfordern – so betont es auch die Eidgenössische Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausserhumanbereich EKAH in einer Studie aus dem Jahr 2015.
Der Boom eines Forschungszweigs, der Tiere immer stärker an menschliche Bedürfnisse anpasst und die Logik der Massentierhaltung weiter befeuert, fällt nicht nur in eine Zeit, in der die gesellschaftliche Besorgnis über das Wohlergehen der Tiere wächst und immer mehr Menschen in vielen Ländern tiergerechtere Haltungsbedingungen fordern. Er fällt auch in eine Zeit, in der ein Weniger an Fleisch- und Milchprodukten ein Mehr an Klima‑, Artenvielfalt- und Tierschutz ist.
Perspektive Schweiz
In der Schweiz wäre das Klonen von Nutztieren derzeit grundsätzlich möglich, und es sind auch schon Nachkommen von Klontieren eingeführt worden. Doch die Branche verzichtet seit 2019 freiwillig auf geklonte Tiere und deren Nachkommen, u. a. auch weil die Bevölkerung die Technologie kritisch beurteilt. Damit dürfte sie sich auch die Absätze in der EU sichern. Dort hat das Parlament einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der das Klonen von Nutztieren und die Nutzung von Klonnachkommen verbieten will – allerdings wurde das Vorhaben bis auf weiteres auf Eis gelegt.
Was die neue Gentechnik betrifft, sind Züchtung mit und Einfuhr von Tieren aus neuer Gentechnik untersagt. Denn das Schweizer Gentechnikgesetz (GTG) erlaubt die gentechnische Veränderung von Wirbeltieren nur dann, wenn sie für Zwecke der Forschung, Therapie und Diagnostik an Menschen oder Tieren erfolgt. Diese Beschränkung geht auf eine Volksabstimmung im Jahr 1992 zurück. Drei Viertel der Stimmberechtigten befürworteten damals einen neuen Artikel in der Bundesverfassung, der seither vorschreibt, dass bei gentechnischen Eingriffen in Tiere der Würde der Kreatur Rechnung zu tragen ist. Diese Vorgabe setzte das Parlament schliesslich 2003 mit der oben beschriebenen Beschränkung im GTG um.
Der Verzicht auf GV-Nutztiere entspricht noch aus einem weiteren Grund der Schweizer Bundesverfassung. Die schreibt nämlich auch vor, dass die Landwirtschaft marktorientiert sein muss. Der Markt verlangt jedoch keine Gentech-Nutztiere, da die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung Anwendungen der Gentechnik in der Tierzucht kritisch bis ablehnend gegenübersteht. Somit sollen auch geklonte oder gentechnisch Polopferde in der Schweiz vorerst keine Rolle spielen.