Bild: Heather Moreton via Wikimedia Commons

Erste CRISPR-Polopferde: Kontroversen und ethische Bedenken

For­schen­de der gemein­nüt­zi­gen For­schungs­or­ga­ni­sa­ti­on Khei­ron Bio­tech in Bue­nos Aires haben die welt­weit ersten CRIS­PR-Sport­pfer­de erzeugt. Ihre Zie­le: gestei­ger­te Mus­kel­kraft und höhe­re Geschwin­dig­keit. Doch die Ent­wick­lung wirft erheb­li­che ethi­sche Fra­gen auf – und stösst bei argen­ti­ni­schen Pfer­de­züch­tern auf Wider­stand.

Die CRIS­PR-Pfer­de sind Klo­ne eines preis­ge­krön­ten Polo­pfer­des namens «Polo Pure­za». In ihrem Erb­gut wur­de das Myo­sta­tin-Gen mit­hil­fe der Gen­sche­re ver­än­dert – ein Gen, das die Mus­kel­ent­wick­lung regu­liert. Wird es aus­ge­schal­tet, bil­den die Tie­re deut­lich mehr Mus­kel­mas­se. Der gen­tech­ni­sche Ein­griff erfolg­te in feta­len Bin­de­ge­webs­zel­len (Fibro­bla­sten), die anschlies­send per Klon­tech­nik in Stu­ten implan­tiert wur­den, um Embryo­nen zu erzeu­gen.

Klo­nie­ren – umstrit­ten und inef­fi­zi­ent

Khei­ron Bio­tech ist seit vie­len Jah­ren auf das Klo­nen von Sport­pfer­den spe­zia­li­siert. So ritt der argen­ti­ni­scher Polo­spie­ler Adol­fo Cam­bi­a­so bereits 2016 bei einem Tur­nier­ein­satz 6 iden­ti­sche, geklon­te Pfer­de – alle­samt Nach­kom­men eines Spit­zen­pfer­des.

Doch Klo­nie­ren gilt bis heu­te als hoch umstrit­ten. Die Tech­no­lo­gie ist inva­siv, ver­ur­sacht Tier­leid und bleibt auch knapp 30 Jah­ren nach ihrer Ein­füh­rung inef­fi­zi­ent: Nur 1 bis 5 Pro­zent der in Leih­mut­ter­tie­re über­tra­ge­nen Klon­em­bryo­nen ent­wickeln sich tat­säch­lich zu lebens­fä­hi­gen Nach­kom­men. Häu­fig kommt es zu Miss­bil­dun­gen oder Fehl­ge­bur­ten.

Lan­ge waren Klon­pfer­de im Wett­be­werb des­halb ver­bo­ten. Erst 2012 hob die Fédé­ra­ti­on Équest­re Inter­na­tio­na­le (FEI), der inter­na­tio­na­le Dach­ver­band des Pfer­de­sports das Ver­bot auf. Seit 2016 dür­fen Klon­pfer­de sogar bei Olym­pi­schen Spie­len antre­ten.

Nun soll die Kom­bi­na­ti­on von neu­er Gen­tech­nik und Klo­nie­rungs­tech­no­lo­gie das Lei­stungs­po­ten­zi­al von Sport­pfer­den wei­ter stei­gern. Dar­über hin­aus kön­ne die Tech­no­lo­gie genutzt wer­den, um abnor­me DNA-Sequen­zen zu repa­rie­ren, Erb­krank­hei­ten zu kor­ri­gie­ren oder Gene aus Wild­pfer­den ein­zu­füh­ren, die für Hoch­lei­stungs­pfer­de inter­es­sant sein könn­ten, so die Web­site von Khei­ron.

Kon­tro­ver­sen bei Pfer­de­züch­tern

Die Geburt des ersten CRIS­PR-Foh­lens hat­te die Orga­ni­sa­ti­on bereits für 2019 ange­kün­digt – doch offen­bar dau­er­te es deut­lich län­ger. Die jüng­sten Ankün­di­gun­gen sor­gen trotz­dem für Kon­tro­ver­sen unter Pfer­de­züch­tern in Argen­ti­ni­en, wo Polo beson­ders beliebt ist. Ein Bericht von Reu­ters vom 30. August doku­men­tiert die Kri­tik.

Bemän­gelt wird unter ande­rem, dass die neue Gen­tech­nik die Exi­stenz­grund­la­ge vie­ler Züch­ter bedro­he, und die jahr­hun­der­te­al­te Tra­di­ti­on der Selek­ti­ons­zucht zur Erzeu­gung von Eli­te­pfer­den gefähr­de. Als Reak­ti­on hat der argen­ti­ni­sche Polover­band die Ver­wen­dung von Gen­tech­pfer­den in die­sem Sport ver­bo­ten. Damit folgt er dem Bei­spiel der FEI, die die­se Pra­xis im Polos­port bereits 2019 ver­bo­ten hat­te.

“Ver­bes­se­rung der Land­wirt­schaft” – oder kom­mer­zi­el­les Kal­kül?

Tier­sport oder “Land­wirt­schaft zu opti­mie­ren — sol­che Bemü­hun­gen haben sich zu einer kom­mer­zi­el­len Rea­li­tät gewan­delt”, behaup­tet Tad Son­ste­gard, wis­sen­schaft­li­cher Lei­ter bei Acce­li­gen, einem Unter­neh­men in Eagan, Min­ne­so­ta, das sich auf Gen­tech­nik bei Nutz­tie­ren spe­zia­li­siert hat. Tat­säch­lich hat CRISPR einen Boom bei Tie­ren ver­ur­sacht. Der Haupt­grund dafür: For­schung mit der Tech­no­lo­gie ist bezahl­bar und rela­tiv ein­fach in der Aus­füh­rung — zumin­dest im Ver­gleich zu alten Gen­tech­ni­ken. Doch jen­seits der Rhe­to­rik bleibt die Fra­ge, ob hier tat­säch­lich „Opti­mie­rung“ betrie­ben wird. Im Sin­ne von Tier­wohl oder Nach­hal­tig­keit kann von einer ech­ten Ver­bes­se­rung kaum die Rede sein.

Die CRIS­PR-Pfer­de rei­hen sich ein in eine gan­ze Mena­ge­rie CRIS­PR-Nutz­tie­re, die viel­fäl­ti­ge Anwen­dungs­mög­lich­kei­ten haben – meist mit dem Ziel, tie­ri­sche Lei­stun­gen zu erhö­hen. Allein das Myo­sta­tin-Gen wird bei unzäh­li­gen Nutz­tie­ren ver­än­dert, etwa bei Schwei­nen, Rin­dern, Scha­fen, Kanin­chen, Zie­gen und Hüh­nern – hier, um die Fleisch­mas­se pro Tier zu stei­gern. Dass aus­ge­rech­net die­ses Gen so beliebt ist, liegt dar­an, dass die­ser Ein­griff tech­nisch ein­fach mach­bar ist und Pro­fit ver­spricht. Gleich­zei­tig führt er aber zur wei­te­ren Inten­si­vie­rung der Land­wirt­schaft. Was dabei aus­ser Acht gelas­sen wird, ist das Tier­leid, das die­se Ein­grif­fe ver­ur­sa­chen. Denn sol­che Super­mus­kel­tie­re lei­den und dies bereits ohne Gen­tech­nik. Die ent­spre­chen­de Muta­ti­on des Myo­sta­tin-Gens kommt auch natür­lich vor — etwa bei der Rin­der­ras­se Blau­er Bel­gi­er. Die­se Rin­der kämp­fen mit Gelenk­pro­ble­men und müs­sen wegen des Über­schus­ses an Mus­kel­mas­se per Kai­ser­schnitt gebä­ren. Die gen­tech­ni­sche Aus­schal­tung des Myo­sta­tin-Gens kann zudem zu Tie­ren füh­ren, die abnor­ma­le Bei­ne haben und inner­halb weni­ger Tage nach der Geburt ster­ben.

Ethi­sche Beden­ken

Damit tau­chen neue ethi­sche Fra­gen auf, die eng mit der Wür­de der Krea­tur ver­knüpft sind. Züch­tung darf Tie­re nicht bis auf das extrem­ste instru­men­ta­li­sie­ren und kei­ne höhe­ren Lei­stungs­zie­le set­zen, wenn die­se die Tie­re gesund­heit­lich über­for­dern – so betont es auch die Eid­ge­nös­si­sche Ethik­kom­mis­si­on für die Bio­tech­no­lo­gie im Aus­ser­hu­man­be­reich EKAH in einer Stu­die aus dem Jahr 2015.

Der Boom eines For­schungs­zweigs, der Tie­re immer stär­ker an mensch­li­che Bedürf­nis­se anpasst und die Logik der Mas­sen­tier­hal­tung wei­ter befeu­ert, fällt nicht nur in eine Zeit, in der die gesell­schaft­li­che Besorg­nis über das Wohl­erge­hen der Tie­re wächst und immer mehr Men­schen in vie­len Län­dern tier­ge­rech­te­re Hal­tungs­be­din­gun­gen for­dern. Er fällt auch in eine Zeit, in der ein Weni­ger an Fleisch- und Milch­pro­duk­ten ein Mehr an Klima‑, Arten­viel­falt- und Tier­schutz ist.

Per­spek­ti­ve Schweiz

In der Schweiz wäre das Klo­nen von Nutz­tie­ren der­zeit grund­sätz­lich mög­lich, und es sind auch schon Nach­kom­men von Klon­tie­ren ein­ge­führt wor­den. Doch die Bran­che ver­zich­tet seit 2019 frei­wil­lig auf geklon­te Tie­re und deren Nach­kom­men, u. a. auch weil die Bevöl­ke­rung die Tech­no­lo­gie kri­tisch beur­teilt. Damit dürf­te sie sich auch die Absät­ze in der EU sichern. Dort hat das Par­la­ment einen Geset­zes­ent­wurf vor­ge­legt, der das Klo­nen von Nutz­tie­ren und die Nut­zung von Klon­nach­kom­men ver­bie­ten will – aller­dings wur­de das Vor­ha­ben bis auf wei­te­res auf Eis gelegt.

Was die neue Gen­tech­nik betrifft, sind Züch­tung mit und Ein­fuhr von Tie­ren aus neu­er Gen­tech­nik unter­sagt. Denn das Schwei­zer Gen­tech­nik­ge­setz (GTG) erlaubt die gen­tech­ni­sche Ver­än­de­rung von Wir­bel­tie­ren nur dann, wenn sie für Zwecke der For­schung, The­ra­pie und Dia­gno­stik an Men­schen oder Tie­ren erfolgt. Die­se Beschrän­kung geht auf eine Volks­ab­stim­mung im Jahr 1992 zurück. Drei Vier­tel der Stimm­be­rech­tig­ten befür­wor­te­ten damals einen neu­en Arti­kel in der Bun­des­ver­fas­sung, der seit­her vor­schreibt, dass bei gen­tech­ni­schen Ein­grif­fen in Tie­re der Wür­de der Krea­tur Rech­nung zu tra­gen ist. Die­se Vor­ga­be setz­te das Par­la­ment schliess­lich 2003 mit der oben beschrie­be­nen Beschrän­kung im GTG um.

Der Ver­zicht auf GV-Nutz­tie­re ent­spricht noch aus einem wei­te­ren Grund der Schwei­zer Bun­des­ver­fas­sung. Die schreibt näm­lich auch vor, dass die Land­wirt­schaft markt­ori­en­tiert sein muss. Der Markt ver­langt jedoch kei­ne Gen­tech-Nutz­tie­re, da die Mehr­heit der Schwei­zer Bevöl­ke­rung Anwen­dun­gen der Gen­tech­nik in der Tier­zucht kri­tisch bis ableh­nend gegen­über­steht. Somit sol­len auch geklon­te oder gen­tech­nisch Polo­pfer­de in der Schweiz vor­erst kei­ne Rol­le spie­len.

Mehr zu Gen­tech­nik und Klo­nen bei Tie­ren hier und hier.

Aktuelle Beiträge zum Thema

«Ohne GenTechnik»-Label auf dem Vormarsch

«NGT1»-Pflanzen: Risiken nicht geringer

Bürozimmer an zentraler Lage in Zürich zu vermieten

Factsheet «Gentech-Pflanzen und Klimawandel»

Ich mach mit:

Saatgut und Lebensmittel aus neuer Gentechnik könnten bald ohne Kennzeichnung und Risikoprüfung verkauft werden. Was halten Sie davon?

Damit wir wissen, was auf unseren Tellern landet, sammeln wir Stimmen aus der Praxis.

So geht's:

  1. Laden Sie den passenden Fragebogen herunter.
  2. Beantworten Sie 1-3 Fragen.
  3. Senden Sie uns Ihre Antworten, den Namen Ihres Betriebs und ein hochauflösendes Foto per Email an info@gentechfrei.ch.

 

Kurzumfrage für Akteur:innen aus den Bereichen:

 

Alternativ können Sie die Fragen als Word-Dokument anfordern: info@gentechfrei.ch.


Wir veröffentlichen Ihre Einsendung auf unserer Kampagnenseite und teilen sie in den sozialen Medien. Helfen Sie uns, Transparenz, Wahlfreiheit und Nachhaltigkeit zu sichern! Danke für Ihre Unterstützung.

Fragen?
E-Mail an info@gentechfrei.ch oder 044 262 25 76.

Veranstaltung:

Zürich isst! Sichern Sie sich Ihr Ticket für unsere Filmvorführungen mit anschliessenden Podien!

Im September 2015 steht ganz Zürich im Zeichen von Ernährung, Umwelt und Genuss. «Zürich isst» bietet der Bevölkerung mit vielfältigen Veranstaltungen die Gelegenheit, sich mit Fragen einer nachhaltigen Ernährung auseinanderzusetzen. Zum Programm: www.zuerich-isst.ch. DIE ZUKUNFT PFLANZEN – BIO FÜR 9 MILLIARDEN       
23. September 2015, 18 bis 21.30, Riffraff Kino Zürich