Geringere Risikoeinordnung von „NGT1“-Pflanzen ist wissenschaftlich nicht haltbar

Pflan­zen aus neu­er Gen­tech­nik, die kein Fremd­gen ent­hal­ten, sol­len nach den Dere­gu­lie­rungs­plä­nen der EU-Kom­mis­si­on künf­tig ohne Risi­ko­prü­fung frei­ge­setzt wer­den. Die Begrün­dung: Von sol­chen Pflan­zen gehe ein gerin­ge­res Risi­ko aus, da der gen­tech­ni­sche Ein­griff prä­zi­se, mini­mal, nahe­zu natür­lich sei. Die­se Aus­sa­ge ent­behrt jeg­li­cher wis­sen­schaft­li­chen Grund­la­ge, wie nun eine Vor­ab-Ver­öf­fent­li­chung des deut­schen Bun­des­am­tes für Natur­schutz (BfN) zeigt.

In die Kate­go­rie der soge­nann­ten NGT1-Pflan­zen ord­net der Geset­zes­vor­schlag der EU-Kom­mis­si­on Pflan­zen aus neu­er Gen­tech­nik ein, die kei­ne art­frem­den Gene ent­hal­ten. Schät­zun­gen zufol­ge wären das mit etwa 94% prak­tisch alle neu­en Gen­tech­nik­pflan­zen. Die­se sol­len dann von den gel­ten­den euro­päi­schen Gen­tech­nik­richt­li­ni­en aus­ge­nom­men wer­den. Denn laut Gen­tech­lob­by und EU-Kom­mis­si­on sind sol­che Pflan­zen mit weni­ger Risi­ken ver­bun­den als «her­kömm­li­che» gen­tech­nisch ver­än­der­te Orga­nis­men (GVO) oder sol­che, die art­frem­de Gene ent­hal­ten. Für sie gel­te die «Äqui­va­lenz­ver­mu­tung», d. h. die gen­tech­ni­sche Ver­än­de­rung sei den natür­lich vor­kom­men­den Muta­tio­nen und her­kömm­li­chen Züch­tungs­pro­zes­sen gleich­wer­tig.

Dass dies wis­sen­schaft­lich nicht halt­bar ist, haben zahl­rei­che inter­na­tio­na­le Orga­ni­sa­tio­nen und Wissenschaftler:innen, dar­un­ter auch die SAG, von Anfang an kri­ti­siert.

Wis­sen­schaft sagt: Neue Gen­tech­nik ist nicht gleich her­kömm­li­cher Züch­tung

Nun haben Mit­ar­bei­ten­de des deut­schen Bun­des­amts für Natur­schutz (BfN) die Kri­te­ri­en, nach denen Gen­tech­pflan­zen der NGT1-Kate­go­rie zuge­ord­net wer­den, wis­sen­schaft­lich unter­sucht und einen «Pre­print» ihrer Stu­die ver­öf­fent­licht.

Ihre Schluss­fol­ge­rung: Die Anwen­dun­gen der neu­en Gen­tech­nik sei­en mit kon­ven­tio­nel­ler Züch­tung nicht ver­gleich­bar – ob mit oder ohne Fremd­ge­ne. Die risi­ko­be­zo­ge­nen beab­sich­tig­ten oder unge­woll­ten Aus­wir­kun­gen auf das Erschei­nungs­bild und die Stoff­wech­sel­pro­zes­se der Pflan­ze (Phä­no­typ) sei­en dabei aus­ser Acht gelas­sen, so die Autor:innen. „Der Vor­schlag ist daher weder wis­sen­schaft­lich begrün­det noch geeig­net, mög­li­che Risi­ken von Pflan­zen aus neu­er Gen­tech­nik ange­mes­sen zu behan­deln“, schrei­ben sie wei­ter. Die vor­ge­schla­ge­ne Äqui­va­lenz­ver­mu­tung sei für einen Schutz nach dem Vor­sor­ge­prin­zip nicht geeig­net.

Die Publi­ka­ti­on ent­hält zudem eine Ein­schät­zung zum Aus­mass des Gefähr­dungs­po­ten­zi­als durch mög­li­che Risi­ken. Das Urteil lau­tet: «erheb­lich», vor allem wenn der Anbau von NGT1-Pflan­zen in der EU zuneh­men soll­te.

Studienergebnisse als Wegweiser für die Schweiz: Gentechnik im Gentechnikgesetz regulieren!
Stu­di­en­ergeb­nis­se als Weg­wei­ser für die Schweiz: Gen­tech­nik im Gen­tech­nik­ge­setz regu­lie­ren!

Mit dem tech­ni­schen Fort­schritt – ein­schliess­lich der Anwen­dung von künst­li­cher Intel­li­genz beim Ent­wer­fen neu­er Gen­tech­nik­pflan­zen – kön­ne nur eine Fall-zu-Fall-Risi­ko­be­wer­tung mit­hal­ten, bestä­ti­gen die Autor:innen. Nur so kön­ne eine zukunfts­si­che­re Regu­lie­rung im Sin­ne des Vor­sor­ge­prin­zips gewähr­lei­stet wer­den.

Die Stu­die zeigt ein­mal mehr, dass der Vor­schlag der EU-Kom­mis­si­on wis­sen­schaft­lich nicht halt­bar ist und drin­gend über­ar­bei­tet wer­den muss. Eine belie­bi­ge und unwis­sen­schaft­li­che Risi­ko­ein­ord­nung von Pflan­zen aus neu­er Gen­tech­nik darf nicht Grund­la­ge des künf­ti­gen euro­päi­schen Ver­brau­cher­schut­zes sein. Für alle neu­en Gen­tech­nik­ver­fah­ren soll­te wei­ter­hin das bewähr­te EU-Gen­tech­nik­recht gel­ten, wie der Euro­päi­sche Gerichts­hof (EuGH) in sei­nem Grund­satz­ur­teil von 2018 fest­ge­stellt hat.

Weg­wei­ser für die Schweiz

Auch für die Schweiz soll­ten die vor­lie­gen­den Ergeb­nis­se der Stu­die, zusam­men mit dem Urteil des EuGH wei­ter­hin als Weg­wei­ser gel­ten.

Die von der EU-Kom­mis­si­on vor­ge­schla­ge­nen Locke­run­gen des Gen­tech­nik­ge­set­zes hät­ten unwei­ger­lich Aus­wir­kun­gen auf die Schweiz. Denn – obwohl die Schweiz ihren eige­nen Weg gehen kann – auch hier­zu­lan­de drängt die Gen­tech­lob­by auf eine Auf­wei­chung der bis­her noch restrik­ti­ven gesetz­li­chen Bestim­mun­gen hin­sicht­lich GVO. Dies wür­de das «Vor­sor­ge­prin­zip» aus­he­beln. Kon­su­men­tin­nen und Kon­su­men­ten könn­ten dann nicht mehr erken­nen, wel­che Pro­duk­te gen­tech­nisch ver­än­der­te Bestand­tei­le ent­hal­ten. Durch den Weg­fall der Kenn­zeich­nungs­pflicht lei­det der Kon­su­men­ten­schutz und die Mög­lich­keit einer frei­en Kauf- und Kon­sum­entschei­dung. Bau­ern und Bäue­rin­nen müss­ten zudem mit Kon­ta­mi­na­tio­nen ihrer Fel­der mit NGT-Pflan­zen rech­nen.

Aktuelle Beiträge zum Thema

«Ohne GenTechnik»-Label auf dem Vormarsch

Bürozimmer an zentraler Lage in Zürich zu vermieten

Factsheet «Gentech-Pflanzen und Klimawandel»

ChatGPT designt insektengiftige Gentechpflanze

Ich mach mit:

Saatgut und Lebensmittel aus neuer Gentechnik könnten bald ohne Kennzeichnung und Risikoprüfung verkauft werden. Was halten Sie davon?

Damit wir wissen, was auf unseren Tellern landet, sammeln wir Stimmen aus der Praxis.

So geht's:

  1. Laden Sie den passenden Fragebogen herunter.
  2. Beantworten Sie 1-3 Fragen.
  3. Senden Sie uns Ihre Antworten, den Namen Ihres Betriebs und ein hochauflösendes Foto per Email an info@gentechfrei.ch.

 

Kurzumfrage für Akteur:innen aus den Bereichen:

 

Alternativ können Sie die Fragen als Word-Dokument anfordern: info@gentechfrei.ch.


Wir veröffentlichen Ihre Einsendung auf unserer Kampagnenseite und teilen sie in den sozialen Medien. Helfen Sie uns, Transparenz, Wahlfreiheit und Nachhaltigkeit zu sichern! Danke für Ihre Unterstützung.

Fragen?
E-Mail an info@gentechfrei.ch oder 044 262 25 76.

Veranstaltung:

Zürich isst! Sichern Sie sich Ihr Ticket für unsere Filmvorführungen mit anschliessenden Podien!

Im September 2015 steht ganz Zürich im Zeichen von Ernährung, Umwelt und Genuss. «Zürich isst» bietet der Bevölkerung mit vielfältigen Veranstaltungen die Gelegenheit, sich mit Fragen einer nachhaltigen Ernährung auseinanderzusetzen. Zum Programm: www.zuerich-isst.ch. DIE ZUKUNFT PFLANZEN – BIO FÜR 9 MILLIARDEN       
23. September 2015, 18 bis 21.30, Riffraff Kino Zürich