Oligonukleotid-gerichtete Mutagenese (OgM)

Anfang Febru­ar 2015 beschied das Deut­sche Bun­des­amt für Ver­brau­cher­schutz und Lebens­mit­tel­si­cher­heit (BVL) der US-ame­ri­ka­ni­schen Fir­ma Cibus, dass ihre her­bi­zid­re­si­sten­ten Raps­li­ni­en, die mit Hil­fe der Oli­go­nu­kleo­tid-gerich­te­te Muta­ge­ne­se (OgM) her­ge­stellt wur­den, kei­ne gen­tech­nisch ver­än­der­ten Orga­nis­men im Sin­ne des Gen­tech­nik­ge­set­zes dar­stel­len. Cibus selbst bezeich­net das von ihr ent­wickel­te und paten­tier­te Rapid Trait Deve­lo­p­ment System als „nicht trans­ge­nes Züch­tungs­ver­fah­ren“, bei dem „die Zell­funk­tio­nen auf natür­li­che Wei­se modi­fi­ziert wer­den.“ Von einer „natür­li­chen Ver­än­de­rung“ kann aber nicht die Rede sein, da syn­the­ti­sche DNA-Abschnit­te (so genann­te Oli­go­nu­kleo­ti­de) in die Zel­le ein­ge­schleust wer­den. Durch die so mani­pu­lier­te DNA wer­den zell­ei­ge­ne Repa­ra­turme­cha­nis­men akti­viert, die an bestimm­ten Stel­len im Erb­gut Muta­tio­nen aus­lö­sen (die dann z. B. eine Her­bi­zid­re­si­stenz bewir­ken). Obwohl selbst die Zen­tra­le Kom­mis­si­on für die Bio­lo­gi­sche Sicher­heit (ZKBS) aus Deutsch­land schreibt, dass „die zel­lu­lä­ren Mecha­nis­men, die jeweils zur Muta­ti­on füh­ren, nicht völ­lig ver­stan­den sind“, kommt auch sie in ihrer vom BVL ange­for­der­ten Stel­lung­nah­me zum Schluss, dass es sich bei den mit­hil­fe die­ses Ver­fah­rens ent­wickel­ten Pflan­zen nicht um gen­tech­nisch ver­än­der­te Orga­nis­men hand­le.

Wie funk­tio­niert OgM genau?

Das Ziel ist es, klei­ne­re und im Vor­aus bestimm­te Ver­än­de­run­gen an dafür vor­ge­se­he­nen Stel­len in Genen her­vor­zu­ru­fen, um ent­we­der die Funk­ti­on des Gen­pro­duk­tes zu ändern oder des­sen Pro­duk­ti­on zu been­den. Für die OgM wird ein Oli­go­nu­kleo­tid, ein kur­zes DNA-Stück aus einem ein­zel­nen Strang von Nukle­in­säu­ren, bestehend aus einer klei­nen Anzahl von Nukleo­ti­den, syn­the­tisch her­ge­stellt. Es ist so auf­ge­baut, dass es fast iden­tisch mit der DNA-Sequenz des Ziel­gens ist, mit Aus­nah­me von 1–4 Nukleo­ti­den. Das führt zu einer Fehl­an­pas­sung der Sequen­zen, wenn das Oli­go­nu­kleo­tid an das Ziel­gen anla­gert, wor­auf­hin eine orts­spe­zi­fi­sche DNA-Ver­än­de­rung (Muta­ti­on) statt­fin­det, sobald der zell­ei­ge­ne DNA-Repa­ra­turme­cha­nis­mus aus­ge­löst wur­de. Hier­bei wird eher die DNA-Sequenz des Oli­go­nu­kleo­tids über­nom­men als die Ori­gi­nal­se­quenz.

Unge­woll­te Ver­än­de­run­gen und Risi­ken

  • Ziel-Unge­nau­ig­keit: Das Oli­go­nu­kleo­tid kann an ande­re DNA-Abschnit­te anla­gern, wenn aus­rei­chen­de Ähn­lich­keit besteht und dort unge­woll­te Muta­tio­nen her­vor­ru­fen. Die­se kön­nen zu einer Ver­än­de­rung oder zu einem Ver­lust der Pro­te­in­funk­ti­on füh­ren oder die Gen­ex­pres­si­on ver­än­dern. Dies wie­der­rum kann zu Pro­ble­men, wie etwa der Anrei­che­rung von gif­ti­gen Pflan­zen­in­halts­stof­fen füh­ren.
  • Das Oli­go­nu­kleo­tid kann auch in die DNA der Pflan­ze inte­griert wer­den, ähn­lich wie bei trans­ge­nen Inser­tio­nen, wodurch Gene und regu­lie­ren­de Sequen­zen zer­stört oder Pro­te­ine poten­ti­ell ver­än­dert wer­den kön­nen.
  • Die Anwen­dung von Gewe­be­kul­tur und den Metho­den der GV-Trans­for­ma­ti­on- oder Trans­fek­ti­on führt zu unge­woll­ten Muta­tio­nen im gesam­ten Genom.
  • Bei mit­tels OgM erzeug­ten GV-Orga­nis­men wur­den Muta­tio­nen nahe dem Ziel­be­reich beob­ach­tet.
  • Je nach­dem wel­che Oli­go­nu­kleo­ti­de ver­wen­det wer­den, besteht das Risi­ko, dass die­se die zell­ei­ge­ne Regu­lie­rung der Gen­ex­pres­si­on stö­ren, indem sie den RNAi-Pro­zess aus­lö­sen, was zum Gen-Silen­cing (Stilllegung) füh­ren kann. Das kann zu ver­erb­ba­ren Ver­än­de­run­gen füh­ren, die meh­re­re Gene­ra­tio­nen über­dau­ern kön­nen und die von ver­schie­de­nen Fak­to­ren abhän­gen, die nicht aus­rei­chend erforscht sind. Dies trifft beson­ders auf Oli­go­nu­kleo­ti­de zu, die RNA-Nukleo­ti­de beinhal­ten.

 

Fazit

OgM ist ein Gen­tech­nik-Ver­fah­ren, das zu den glei­chen oder ähn­li­chen direk­ten und indi­rek­ten nega­ti­ven Aus­wir­kun­gen füh­ren kann wie der­zei­ti­ge GVO, sowohl auf­grund der beab­sich­tig­ten Eigen­schaf­ten (z. B. Her­bi­zid­to­le­ranz), als auch durch die ange­wand­ten Pro­zes­se und Metho­den und die poten­ti­el­le Inte­gra­ti­on der Oli­go­nu­kleo­ti­de. Ver­fah­ren und damit ent­wickel­te Pro­duk­te müs­sen des­halb einer umfas­sen­den Risi­ko­be­wer­tung unter­zo­gen wer­den.

 

Aktuelle Beiträge zum Thema

Erste CRISPR-Polopferde: Kontroversen und ethische Bedenken

«Ohne GenTechnik»-Label auf dem Vormarsch

«NGT1»-Pflanzen: Risiken nicht geringer

Bürozimmer an zentraler Lage in Zürich zu vermieten

Ich mach mit:

Saatgut und Lebensmittel aus neuer Gentechnik könnten bald ohne Kennzeichnung und Risikoprüfung verkauft werden. Was halten Sie davon?

Damit wir wissen, was auf unseren Tellern landet, sammeln wir Stimmen aus der Praxis.

So geht's:

  1. Laden Sie den passenden Fragebogen herunter.
  2. Beantworten Sie 1-3 Fragen.
  3. Senden Sie uns Ihre Antworten, den Namen Ihres Betriebs und ein hochauflösendes Foto per Email an info@gentechfrei.ch.

 

Kurzumfrage für Akteur:innen aus den Bereichen:

 

Alternativ können Sie die Fragen als Word-Dokument anfordern: info@gentechfrei.ch.


Wir veröffentlichen Ihre Einsendung auf unserer Kampagnenseite und teilen sie in den sozialen Medien. Helfen Sie uns, Transparenz, Wahlfreiheit und Nachhaltigkeit zu sichern! Danke für Ihre Unterstützung.

Fragen?
E-Mail an info@gentechfrei.ch oder 044 262 25 76.

Veranstaltung:

Zürich isst! Sichern Sie sich Ihr Ticket für unsere Filmvorführungen mit anschliessenden Podien!

Im September 2015 steht ganz Zürich im Zeichen von Ernährung, Umwelt und Genuss. «Zürich isst» bietet der Bevölkerung mit vielfältigen Veranstaltungen die Gelegenheit, sich mit Fragen einer nachhaltigen Ernährung auseinanderzusetzen. Zum Programm: www.zuerich-isst.ch. DIE ZUKUNFT PFLANZEN – BIO FÜR 9 MILLIARDEN       
23. September 2015, 18 bis 21.30, Riffraff Kino Zürich