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Die derzeitige Auslegung des Patentrechts kann Patente auf die konventionelle Züchtung nicht stoppen. Bild: No Patents on Seeds!

In Europa werden immer mehr Patentanmeldungen für Organismen, die mit neuer Gentechnik erstellt wurden, eingereicht und immer häufiger werden diese Patenten auch erteilt. Dies gibt Anlass zur Sorge. Nach aktuellen Recherchen der Koalition «No Patents on Seeds» sind in Europa bereits mehr als 1‘000 konventionell gezüchtete Pflanzensorten von Patenten betroffen, obwohl es laut europäischen Gesetzen solche Patente gar nicht geben dürfte. Für die Koalition stellt diese Entwicklung eine Gefahr für die europäische Pflanzenzucht dar, wie sie in ihrem neusten Bericht ausführt. Denn viele dieser Patente beanspruchen natürlich oder zufällig vorkommende Genvarianten, wie sie in der traditionellen Züchtung verwendet werden. Verfahren der neuen Gentechnik werden dabei oft dazu verwendet, Patentansprüche einfach als technische Erfindungen zu "verkleiden".

Neue Gentechnik wird als Vorwand für Patentanspruch missbraucht

So meldete beispielsweise Syngenta/ChemChina gemäss einem Report von Testbiotech ein Patent für Sojapflanzen mit Resistenz gegen den Asiatischen Sojarost an. Das Patent beschreibt, wie die Genvarianten in Populationen von wilden Verwandten der Sojabohne (Glycine tomentella) durch Screenings auf natürliche Resistenzen entdeckt wurden. Und obwohl gezeigt wird, dass Kreuzung und Selektion ausreichen, um neue Sorten mit verbesserter Resistenz gegen Asiatischen Sojarost zu erzeugen, beziehen sich die Ansprüche des Patentes auf Genvarianten und Pflanzen, welche diese Gene enthalten, unabhängig davon, ob diese aus gentechnischen Verfahren oder aus konventioneller Züchtung stammen. Damit könnten über 45’000 Genvarianten als Erfindungen beansprucht werden. CRISPR/Cas wird dabei als eine relevante Methode in der Patentanmeldung erwähnt. Nach dem Wortlaut des Patents wird es jedoch nicht angewendet und ist auch nicht notwendig, um die gewünschten Pflanzen zu erhalten. Es scheint, dass neue Gentechnik lediglich verwendet wurde, um den Eindruck einer technischen Erfindung zu erwecken.

Für No Patents on Seeds! könnten derartige Patentanmeldungen daher dazu führen, dass traditionelle Züchtungsaktivitäten blockiert oder zumindest behindert werden, da viele der Patente ein Exklusivrecht auch für die konventionelle Züchtung beanspruchen. Die Ansprüche, die sich aus den Patenten ableiten, beziehen sich in der Regel auch auf das Saatgut, die Nachkommen und die Ernte der Pflanzen. In der Konsequenz können damit auch die Pflanzen aus der weiteren Züchtung als Erfindung beansprucht werden, in deren Erbgut diese Genvarianten zu finden sind.

Patente behindern Innovation

Dieses Wirrwarr von Patenten und Patentansprüchen droht die Kosten der Züchtung insbesondere für traditionelle kleinere Züchtungsunternehmen zu erhöhen und es führt zu bedrohlichen Rechtsunsicherheiten, da Züchter mit Klagen aufgrund von Patentansprüchen rechnen müssen. Patente auf Pflanzeneigenschaften erschweren konventionellen Züchtern zudem den Zugang zur biologischen Vielfalt wertvoller Kulturpflanzen und sie beschränken damit deren Fähigkeit, klimaresistente Pflanzen zu entwickeln. Bislang garantiert die «Züchter Ausnahmeregelung» im Sortenschutzsystem (PVP) in Europa immer noch, dass Pflanzensorten aus konventioneller Züchtung ohne Einschränkung für die Produktion neuer Sorten verwendet werden können. Durch die vermehrt erteilten Patente wird die Handlungsfreiheit der Züchter immer mehr eingeschränkt, was sich negativ auf die Innovation auswirkt und zu einer steigenden Konzentration der Saatgutbranche führt.

Patentrecht muss angepasst werden

Die Schweizer Mitgliedorganisationen von «No Patents on Seeds» – ProSpecieRara, Swissaid, Public Eye und Biorespect – fordern deshalb, dass das Europäische Patentamt und die Schweiz endlich wirksame Massnahmen treffen. Um das Problem zu lösen, sei die Politik gefordert. Jüngst wurde in dieser Hinsicht ein Erfolg erzielt: Das Parlament in Österreich verabschiedete ein nationales Patentgesetz, das Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen ausdrücklich verbietet. «No Patents on Seeds» sieht in diesem Gesetz eine Vorlage für andere nationale Patentgesetze und für Entscheidungen des Verwaltungsrats des Europäischen Patentamtes. In der Schweiz wurde vor zehn Monaten eine Kommissionsmotion an den Bundesrat überwiesen, welche mehr Transparenz bei den Patentrechten im Bereich der Pflanzenzucht fordert. Dies wäre ein wichtiger Schritt für die Schweizer Züchter. Weitere müssen folgen, analog der Gesetzgebung in Österreich, um die Innovationsfähigkeit und letztlich die Vielfalt zu sichern.

Zukunft der europäischen Pflanzenzucht in Gefahr (No Patents on Seeds!)

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