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Einmal mehr entlarvt sich ein Argument der Agrarindustrie gegen eine strenge Regulierung der Genomeditierung als Mythos. Erst vor kurzem hat ein Experte des grossen Agrarkonzerns Bayer die von der Industrie propagierten These widerlegt, die neuen gentechnischen Verfahren seien nicht nachweisbar. Nun stellt ein Bericht von GMWatch klar, weshalb auch die Behauptung unzutreffend ist, eine Regulierung im Sinne des Gentechnikgesetzes würde kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) die Chance nehmen, von diesen neuen Techniken profitieren zu können.

Laut der Gentechlobby soll die Deregulierung der Genomeditierung den KMU, die gentechnisch veränderte Organismen entwickeln wollen, den Marktzugang erleichtern. Dies sei dringend nötig, um die Menschheit vor den Folgen des Klimawandels zu bewahren, so die Begründung. Zudem wird behauptet, eine weniger strenge Regulierung würde die bisher kritisierte monopolistische Dominanz von wenigen grossen Agrarmultis brechen. Eine strenge Regulierung als Folgen des Urteils des Europäischen Gerichtshofes EuGH würde hingegen KMU benachteiligen. Denn diese wären von der Hürde überfordert, welche das Gentechnikgesetzes betreffend Risikoprüfung und Kennzeichnung der Produkte darstellen, sagt die Gentechlobby.

An erster Stelle muss das Klima-Argument widerlegt werden. Dass genomeditierte Pflanzen der Landwirtschaft helfen könnten, sich den Herausforderungen des Klimawandels zu stellen, ist eine irreführende Behauptung, die nicht durch Beweise gestützt wird. Denn Merkmale, die sich unter den veränderten Umweltbedingungen sich als nützlich erweisen würden, wie zum Beispiel die Trockenheitstoleranz, sind komplex und werden von vielen Genen bestimmt. Deshalb wird es auch mit den Werkzeugen der Genomeditierung nicht innerhalb absehbarer Zeit möglich sein, Pflanzen mit solchen Eigenschaften auf den Markt zu bringen. Zudem ändern GE-Organismen nichts an der intensiven Bewirtschaftungsform - die wahre Ursache der landwirtschaftlichen Klimagasemissionen.

Deregulierung bricht Machtposition der Agrarmultis nicht

Bereits kontrolliert der Agrarriese DowDupont den Gentechnikmarkt durch ein regelrechtes Patent-Kartell auf CRISPR/Cas, wie eine Analyse von Testbiotech zeigt. Um die Technologie vollumfänglich in der Pflanzenzucht einsetzen zu dürfen, muss ein Unternehmen Zugang zu 48 Grundlagenpatenten haben. Die angebliche Demokratisierung entpuppt sich also eher als Hebel zur Absicherung einer marktbeherrschenden Stellung einiger weniger und zur Kontrolle über die Grundlagen der Ernährung.

Entwicklung relativ günstig, Kommerzialisierung teuer

EuropaBio, die Lobbygruppe der Gentechindustrie bestreitet dies. Laut ihrer Aussage sollen KMU zurzeit den grössten Anteil an marktreifen GE-Organismen halten. Wie soll dies möglich sein, wenn es für die KMU so schwierig ist, an die Technologie zu kommen? Ein scheinbarer Widerspruch, der aber keiner ist.

Es mag zwar durchaus sein, dass KMU zurzeit die Mehrheit der marktreifen GE-Organismen entwickelt haben. Denn Lizenzen für die Vorlaufforschung sowie Forschungslizenzen für geplante Anwendungen werden von deren Inhabern (meistens grosse Konzerne) relativ günstig vergeben, weil sie an potentiell kommerzialisierbaren Produkten interessiert sind. Ein typisches KMU kann sich solche Lizenzgebühren leisten und somit marktreife GE-Organismen produzieren. Doch in der Phase der Kommerzialisierung wird es plötzlich teuer. Gebühren für kommerzielle Lizenzen und solche auf Produktverkäufe sind hoch. Zudem müssen für jedes Gebiet, in dem geistige Eigentumsrechte beantragt werden, separate Patentgebühren bezahlt werden. Dies hat zudem Patentanwaltsgebühren zur Folge. Aufsummiert ergibt dies schnell sechsstellige Beträge. Im Vergleich dazu bleiben die Kosten, die als Folge einer strengeren Regulierung entstehen, bescheiden und stellen allein keine unüberwindbare Hürde für KMU und Forscher in der landwirtschaftlichen Biotechnologie dar.

Fazit: an den Abläufen auf dem Biotech-Markt ändert eine Deregulierung nichts. Der GE-Organismus wird weiterhin von Universitäten und KMU, oft mit der finanziellen Unterstützung der Industrie, entwickelt. Um das fertige Produkt patentieren und vermarkten zu können, schliessen sich jedoch diese mit grossen Unternehmen zusammen. Die Kosten für die Zulassung werden demzufolge auch von letzteren getragen. Am Ende dieses Prozesses wird das KMU häufig vom grossen Konzern aufgekauft.

Warum werben KMU für eine Deregulierung, wenn sie dadurch keinen grösseren Marktanteil gewinnen?

Wenn GE-Organismen uneingeschränkt und ohne Risikobewertung vermarktet werden können, ist dies eine Erleichterung für die Entwickler. Denn sie müssen nicht dafür haften, ob ihr Produkt die damit verbundene Versprechen hält. Auch die Verantwortung im Hinblick auf die Gesundheits- und Umweltsicherheit des Produktes fällt kleiner aus. Zudem werden die Kosten für die Zulassung eingespart. Die Folgen dieser administrativen und finanziellen Erleichterungen für die Unternehmen gehen jedoch auf Kosten der Konsumierenden und der Umwelt. Auch die neuen gentechnischen Verfahren sind mit unerwünschten Nebeneffekten behaftet. Ohne strenge Risikobeurteilung könnte eine ganze Reihe ungeprüfter, potenziell gefährlicher Produkte auf dem Markt gelangen. Aus diesem Grund sollten Gesetzgeber und Politiker das Augenmerk nicht auf die finanziellen Vorteile für Grosskonzerne setzen, sondern das Ziel des Gentechnikgesetzes, Gesundheit und Umwelt zu schützen respektieren.