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Zivilgesellschaftliche Organisationen erinnern die Europäischen Regierungen daran, dass die Nachweisbarkeit und Rückverfolgbarkeit von Produkten der NGV lediglich von einer politischen Entscheidung abhängen. Bild: Clipdealer.

In einem durch Inf’OGM publizierten Schreiben äussern zivilgesellschaftliche Organisationen ihre Besorgnis über die nicht einheitliche Anwendung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Juli 2018 durch alle EU-Mitgliedstaaten. Das Urteil besagt, dass jedes Produkt der neuen gentechnischen Verfahren (NGV) in der Europäischen Union einer Risikobewertung, Zulassung, Kennzeichnung und Rückverfolgung unterliegen muss – identisch zu den transgenen GVO.

Doch Finnland, das aktuell die EU präsidiert, hat die Umsetzung des Urteils nicht in seine Agenda aufgenommen und stellt dadurch die europäische Gesetzgebung infrage.
Am 24. Oktober 2019 bat Finnland die Mitgliedstaaten der Europäischen Kommission eine Studie zum Regelungsstatus von Produkten der NGV in Auftrag zu geben.

Rückverfolgbarkeit neuer GVO: Eine politische Entscheidung?

In ihrem Schreiben an die zuständigen nationalen Minister appellieren die Unterzeichnerorganisationen an die Notwendigkeit der Umsetzung des Urteils, welches die Wahlfreiheit der Landwirte, Lebens- und Futtermittelhersteller, Händler, Einzelhändler und Verbraucher sicherstellt. Um alle GVO gemäss den Bestimmungen des Gentechnikgesetzes kontrollieren zu können, muss die Europäische Union jedoch deren Rückverfolgbarkeit garantieren. GVO-Befürworter wollen glauben lassen, Produkte der NGV seien nicht rückverfolgbar, weil sie sich von natürlich auftretenden Mutationen nicht unterscheiden liessen. Damit wollen sie das Urteil des EuGH anfechten und unanwendbar machen.

Zivilgesellschaftliche Organisationen erinnern die Regierungen jedoch daran, dass die Nachweisbarkeit und Rückverfolgbarkeit von Produkten der NGV lediglich von einer politischen Entscheidung abhängen. Diese sollte dringend gefällt werden, um über technischen Aspekten diskutieren zu können (siehe Factsheet Rückverfolgbarkeit SAG).
Wenn Vorwissen über die modifizierte Genomsequenz, eine validierte Detektionsmethode und zertifizierte Referenzmaterialien gesetzlich eingefordert werden und zur Verfügung stehen, sind diese Produkte durchaus nachweisbar, betonen sie. Dies erklärten europäische Experten selbst anfangs 2019. Neulich hat sogar ein Experte der Agrarindustrie bestätigt, dass die NGV rückverfolgbar sind. Zudem betonte er, dass die Genom Editierung ein gentechnischer Eingriff sei und nicht, wie die Agrarmultis bis anhin beteuerten, lediglich eine «neue Züchtungsmethode» (Zum Video).
Falls die gängigen Detektionstechniken, wie sie heute bei Kontrollen angewendet werden, die Rückverfolgbarkeit nicht ermöglichen, können neue Nachweismethoden relativ schnell entwickelt werden. Solche Nachweisverfahren basieren hauptsächlich auf den Nichtzieleffekten, welche die NGV als Narben im Genom des modifizierten Organismus hinterlassen. Dieser Entwicklungsprozess wurde hingegen von der Europäischen Kommission in 2017 abgelehnt. Letztendlich erinnern die zivilgesellschaftlichen Organisationen die Regierungen daran, dass die Rückverfolgbarkeit auch in dokumentarischer Form erfolgen kann.

Rückverfolgbarkeit, Umweltschutz und Rechte der Landwirte

Was die Diskussionen der Mitgliedstaaten anbelangt, so haben die zivilgesellschaftlichen Organisationen konkrete Forderungen. In ihrem Schreiben verlangen sie, dass die EU unverzüglich die Gentechnikgesetze auf alle illegal vermarkteten und angebauten GVO anwendet. Ferner sollen die Vereinigten Staaten und Kanada bescheinigen, dass ihre jeweiligen Exporte von Raps und Sojabohnen in die EU keine Produkte der, in Europa nicht zugelassenen, neuen gentechnischen Verfahren sind. Zudem fordern sie, dass die für den Nachweis verantwortlichen europäischen Experten (ENGL) ein klares Mandat mit entsprechenden Finanzmitteln für die Entwicklung eines Nachweissystems für die NGV bekommen. Als letzte Forderung wird das Organisieren dokumentarischer Rückverfolgbarkeit genannt.

Im Vorfeld der Sitzung der Mitgliedstaaten am 24. Oktober 2019 befürchteten zivilgesellschaftliche Organisationen, dass der finnische Vorschlag als Vorwand für eine Verzögerung der Umsetzung des EuGH-Urteils vom 25. Juli 2018 ausgenutzt würde. Insbesondere weil die von Finnland vorgelegte Studie zwei grundlegende Punkte übersehen könnte. Einerseits das Recht der Landwirte, unter Berücksichtigung von Patenten und Lizenzvereinbarungen im Zusammenhang mit diesen Technologien, Saatgut zu gewinnen und wiederzuverwenden sowie Tiere zu züchten. Andererseits die Fähigkeit, potenzielle schädliche Auswirkungen dieser neuen GVO wirksam zu überwachen.
Es bleibt abzuwarten, ob diese Organisationen gehört wurden, da die Diskussion in den Mitgliedstaaten auf einen späteren Zeitpunkt verschoben wurde.