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Die Risiken und Chancen von Gene Drives müssen durch eine Risikoerhebung sorgfältig abgewogen werden. Bild: Shutterstock

Synthetisch erzeugte Gene Drives, ein neues gentechnisches Verfahren, können die Verbreitung künstlich veränderter Gene in einer Population beschleunigen. Diese Fähigkeit macht Gene Drives für unterschiedliche Anwendungsgebiete interessant, wirft aber Fragen zu Moral, Risiko und Biosicherheit auf. Der kürzlich veröffentlichte Bericht der Eidgenössischen Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausserhumanbereich (EKAH) diskutiert diese ethischen Fragen und gibt Empfehlungen ab.

Gene Drive ist ein biologischer Kopiermechanismus, bei dem Organismen, die sich sexuell vermehren, im Labor geschaffene Gene an all ihre Nachkommen weitervererben. Dazu wird die zu verbreitende neue Eigenschaft zusammen mit der Genschere CRISPR/Cas in ein Chromosom des Organismus eingefügt. Letztere sorgt dafür, dass die neue Erbinformation zusammen mit dem CRISPR-Konstrukt zu 100% an die nächste Generation weitervererbt wird und sich dramatisch schnell in einer Population verbreitet.

Auf diese Weise können ganze Populationen verändert und gestärkt, aber auch ausgerottet werden. So werden Gene Drives beispielsweise als effektives Mittel gegen die Malaria-übertragende Anopheles-Mücke angepriesen. Nebst der Krankheitsbekämpfung möchte man auch landwirtschaftsschädigende Organismen, wie die Kirschessigfliege dezimieren.

Diese spezifischen Eingriffe in die Natur der Pflanzen und Tiere sind jedoch mit bedeutenden moralischen Grundsätzen verbunden, welche die EKAH in ihrem Bericht erläutert. Die Gene-Drive-Technik setzt eine Veränderung an Individuen voraus. So muss vor den ersten Eingriffen im Labor der Würde der Kreatur Rechnung getragen und abgewogen werden, ob die vermeintlichen Vorteile für den Menschen die geplante Intervention rechtfertigen. Auf der Ebene der Arten werfen Gene Drives die Frage auf, ob bestimmte Populationen als verzichtbar gelten und vernichtet werden dürfen. Ferner ist zu bedenken, ob Gene-Drive-Organismen noch als Angehörige der ursprünglichen Art gelten, oder eine neue Spezies bilden. Im Falle von letzterem muss auch deren moralischer Status überdacht werden und der damit verbundene Artenschutz.

Zudem sind Gene Drives mit zahlreichen Risiken verbunden. Eine bestimmte genetische Erbinformation kann sich beispielsweise innerhalb der gesamten Population durchsetzen. Das bedeutet, dass kein ursprüngliches Individuum mehr existiert, sondern nur noch genveränderte Einzelwesen. Die künstlich beigefügten Gensequenzen können zudem auf nahverwandte Arten überspringen und diese ebenfalls ausrotten. Das führt unmittelbar zur Frage, wie sich das Wegbrechen einer Art auf die Lebensgrundlagen anderer Populationen auswirkt. Weiter kann durch Gene Drives eine neue invasive Art in die Umwelt eingebracht werden, die mit (noch grösseren) Schäden verbunden ist. Schlussendlich eignen sich Gene Drives auch als biologische Waffen.

Um diese Risiken abzuschätzen, stellt die EKAH in ihrem Bericht einige mögliche Strategien vor, die es theoretisch erlauben, Risikodaten zu erheben. Diese bestehen aus Feldversuchen mit räumlichen und zeitlichen Begrenzungen, wie das Aussetzen von Gene Drive Organismen auf einer Insel oder das Anordnen des Gene Drives auf eine limitierte Anzahl Generationszyklen. In der Praxis sind diese Risikoerhebungsstrategien jedoch unzuverlässig und nicht umsetzbar. Zudem stützt sich die Risikoerhebung auf wissenschaftliche Daten, was weitere Fragen aufwirft: Wer entscheidet, welche wissenschaftlich eruierten Wirkungen als negativ oder als positiv zu bewerten sind? Und welches Risiko ist ethisch vertretbar und für alle zumutbar?

Die EKAH empfiehlt zur Regulierung von Gene Drives eine angemessene Risikobeurteilung, die Stärkung des Vorsorgegedankens, eine strenge internationale Regulierung und Entscheidungskriterien für Ausnahmesituationen. Da die Technik keine Landesgrenzen respektiert, empfiehlt die EKAH zum Vollzug von Gene Drives unter anderem eine internationale Meldestelle, bei der Risikoinformationen zusammenfliessen und somit aufgeklärte Entscheidungen getroffen werden können. Zudem soll für die Einhaltung der demokratischen Entscheidungsprozessen gesorgt werden.

Gerade eben hat die Schweiz eine Möglichkeit das Vorsorgeprinzip zu stärken verpasst. In 2018 wurde die Einschliessungsverordnung, das zentrale Instrument zur Umsetzung der Regeln für den Umgang mit Organismen in geschlossenen Systemen, in die Vernehmlassung geschickt. Die SAG hat dazu eine Stellungnahme eingereicht worin sie forderte, dass die Schweiz dem Beispiel der Niederlande folgt und den Umgang mit Gene Drives im Rahmen der Verordnung explizit regelt. Diese Massnahme hätte Sicherheit gewährleistet, ohne der Innovation im Wege zu stehen. Gleichzeitig hätte auch die Freisetzungsverordnung angepasst werden sollen, um eine unkontrollierbare Verbreitung der Gene-Drive-Organismen in der Umwelt zu verhindern. Bedauerlicherweise wurde keine dieser Forderungen vom Bundesrat berücksichtigt.