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Die Stiftung TA-SWISS hat am Montag 27. August die Kurzfassung ihrer wissenschaftlichen Studie zu Chancen und Risiken der Genomeditierung (GE) vorgestellt. Sie richtet sich an ein breites Publikum und hält einerseits die wichtigsten Resultate der Studie fest, andererseits auch die Empfehlungen des Leitungsausschusses von TA-SWISS zum Thema. TA-SWISS ist ein Kompetenzzentrum der Akademien der Wissenschaften Schweiz, das sich mit den Vor- und Nachteilen neuer Technologien auseinandersetzt. Die aktuelle Studie wurde von einem interdisziplinären Projektteam unter der Leitung von Dr. Erich Griessler und Alexander Lang vom Institut für Höhere Studien (IHS) in Wien durchgeführt.

 Der Leitungsausschuss fordert eine offen gestaltete öffentliche Debatte zu den Chancen und Risiken der Genomeditierung, die auf wertneutralen Informationen basiert und verschiedene Perspektiven erlauben soll. Dies ist sehr begrüssenswert. Trotzdem fällt auf, dass selbst in der Kurzfassung eine technologieaffine Haltung und das Streben nach einer wirtschaftsfreundliche Deregulierung der neuen gentechnischen Verfahren überwiegen.  

Chancen und Risiken in der Pflanzen- und Tierzucht bagatellisiert

Unter den wichtigsten Chancen, welche die Genomeditierung laut der Studie bieten, werden Therapien für schwere Erbkrankheiten, die Züchtung von Spenderorganen in gentechnisch veränderten Tieren, die schnelle Veränderung ganzer Populationen mittels Gene Drives, sowie die Beschleunigung des Züchtungsprozesses in der Landwirtschaft aufgelistet.

Die grösste Gefahr dieser jungen Methode liegt laut Studie in ihren teilweise schwer abschätzbaren Risiken. Dass solche Unsicherheiten und fehlendes Wissen wegen dem vermeintlich grossen Marktpotenzial der Methode gerne ausgeblendet werden, stelle eine weitere Bedrohung dar, schreiben die Studienautoren.

Auffallend ist, dass die Risiken vor allem im humanmedizinischen Bereich oder bei schwer kontrollierbaren Anwendungen, wie Gene Drives hervorgehoben werden. Anwendungen der Technologie in der Landwirtschaft werden hingegen als weniger problematisch dargestellt. Dabei sind die Risiken auch in der Pflanzen- und Tierzucht vergleichbar gross. Zudem tauchen neue ethische Fragen auf, die mit der Würde der Kreatur verknüpft sind. Denn die Züchtung darf Tiere nicht bis auf das extremste instrumentalisieren und keine höheren Leistungsziele setzen, wenn diese die Tiere gesundheitlich überfordern.

Kontroverse Diskussion zum Thema Regulierung

Dass selbst im Leitungsausschuss von TA-SWISS eine kontroverse Diskussion zum Thema stattgefunden hat, wie dies in der Einleitung zur Kurzfassung erörtert wird, zeigt sich in den Widersprüchen zwischen den technologieunterstützenden Aussagen des Kapitels über die Anwendung der GE in der Pflanzen- und Tierzucht in der Studie selbst und den Empfehlungen des Leitungsausschusses am Ende der Kurzfassung.

Fragwürdig ist im Kapitel zu Pflanzen- und Tierzucht die Annahme der Autoren, GE-Pflanzen und Tiere liessen sich oft nicht von solchen unterscheiden, die mit herkömmlicher Züchtungsmethoden entwickelt wurden. Daraus wird abgeleitet, eine Regulierung und Kennzeichnung sei schwierig umsetzbar. Aufgrund dieser Annahme wird sogar das Urteil des Europäischen Gerichthofes, wonach GE-Organismen der Gentechnikregulierung zu unterstellen sind, hinterfragt und Norwegen, das minimale genetische Veränderungen von einer Zulassungspflicht ausnehmen will, als positives Beispiel aufgeführt. Doch diese Grundannahme hinkt. Die Studie unterlässt es zu erwähnen, dass für die Mehrheit der neuen gentechnischen Verfahren (NGV) bereits Nachweistechniken existieren, die für die routinemässige Anwendung lediglich weiterentwickelt und standardisiert werden müssten.

Gerade in der Zeit, in der Lücken bei den Nachweisverfahren bestehen und diese noch nicht standardmässig angewandt werden können, wäre eine strenge Regulierung dringend notwendig um zu verhindern, dass aus GE-Organismen hergestellte Lebensmittel undeklariert in die Produktionskette und auf unseren Tellern landen. Sonst ist die Transparenz und die Wahlfreiheit der Konsumenten gefährdet.

Des Weiteren wird argumentiert, die NGV seien viel präziser als die sogenannte Mutagenese, deren Produkte aktuell nicht als gentechnisch verändert gelten. Auf dieser Annahme beruhend wird dafür plädiert, die Intensität eines molekularen Eingriffs als Indikator bei der Risikoabschätzung zu benutzen. So sollen Eingriffe von nur wenigen Nukleotiden als sicherer eingestuft und solche Produkte nicht als gentechnisch verändert eingestuft werden. Damit übernimmt die Studie ein beliebtes Argument der Agrarindustrie, die ihre Produkte schnellstmöglich vermarkten will. Gentechnikkritische Experten betonen dagegen, dass das Ausmass der Veränderungen wenig über die Sicherheit eines Eingriffs aussagt. Bereits kleinste Veränderungen können gravierende Auswirkungen haben. So beruht beispielsweise die Bluterkrankheit auf einer einzigen Mutation in einem Gen.

Verwirrung statt Klärung

Es ist bedauernswert, dass solche keineswegs wertneutralen Aussagen die Eignung der Studie als Grundlage für eine konstruktive öffentliche Diskussion infrage stellen. Die allgemeinen Empfehlungen des Leitungsausschusses scheinen das verzerrte Bild der Studie zwar etwas zu relativieren. So empfiehlt der Leitungsausschusses die Unterstützung von Forschungsprojekten zur Nachweisbarkeit von Genomeditierung bei Produkten im Handel. Auch die systematische Forschung zu unerwünschten Nebeneffekten der Technologie sowie ein Monitoring für entsprechend veränderte Organismen sollen unterstützt werden. Anstatt Klärung schafft die Studie mit den widersprüchlichen Aussagen teilweise eher Verwirrung.