0clipdealer Eine neue CRISPR-Variante verändert das Erbgut an vielen Stellen gleichzeitig. Bild: Clipdealer

Eine Forschungsgruppe an der ETH Zürich hat eine Variante der Genschere CRISPR/Cas entwickelt, die es erstmals ermöglicht, viele Gene gleichzeitig zu verändern. Damit könnten ganze Gennetzwerke in einem Schritt beeinflusst werden. Forschende versprechen sich bereits viel von der neuen Technologie. Zu möglichen Nebeneffekten und Risiken wird aber geschwiegen.

Methodologische Publikationen über die Genschere häufen sich. CRISPR/Cas wird ständig weiterentwickelt. Die zahlreichen Forschungsvorhaben zeigen einerseits, dass die Genschere nicht fehlerfrei ist, denn ein grosser Teil dieser Studien zielt darauf ab, sie präziser zu machen. Neben Treffsicherheit und Fehlerreduzierung soll CRISPR/Cas aber auch dazu befähigt werden, mehrere Eingriffe gleichzeitig, in Serie vorzunehmen. So sollen beispielsweise mehrere Gene simultan ausgeschaltet, oder gar Chromosomenteile ausradiert werden können. Von diesem sogenannten Multiplexing erhofft man sich, dass es den Züchtungsprozess und die biomedizinische Forschung revolutionär beschleunigt, indem es dabei hilft, die Funktion der Gene schneller zu entschlüsseln und zu verändern. Bis jetzt blieb Multiplexing jedoch wenig effizient. Denn solche CRISPR/Cas-Systeme sind in ihrer Ausführung noch relativ kompliziert. Mehr als ein paar Gene konnten gleichzeitig kaum modifiziert werden. Als bisheriger Rekord galt die simultane Veränderung von 8 Genen beim Hefepilz Saccharomyces cerevisiae.

Die neue Publikation des Forschungsteams um Randall Platt, Professor am Departement für Biosysteme der ETH Zürich in Basel beschreibt, wie sich mithilfe der Cas-Variante Cas12a gleich 25 Stellen des Erbgutes verändern lassen. Der Vorteil des Schneideenzyms Cas12a gegenüber seinem öfters verwendeten Verwandten Cas9 ist, dass es mit kürzeren Leit-RNA-Molekülen (gRNA) auskommt. Leit-RNAs dienen dazu, das CRISPR/Cas-Konstrukt an die zu schneidende Stelle der DNA-Sequenz zu lotsen. In die Zelle eingefügt wird das Konstrukt mittels Plasmide (ringförmige DNA-Moleküle aus Bakterien). Da diese nur beschränkt Platz für die einzufügenden Sequenzen bieten, sind kürzere Leit-DNAs willkommen. Denn so können die „Adressen“ von mehr potentiellen Schnittstellen definiert werden. Die Methode macht es möglich, Zellen auf komplexe Weise und in grossem Umfang zu programmieren: die Aktivität von bestimmten Genen kann beispielsweise erhöht und jene von anderen gleichzeitig reduziert werden.

In der Zukunft könnte das Verfahren nicht nur in der Grundlagenforschung, sondern auch in der Therapie Verwendung finden, schreiben die Forschenden. Hierbei könnten etwa Stammzellen in andere, spezialisierte Zellen, wie Nervenzellen verwandelt und so geschädigte Elemente ersetzt werden. Bisher wurde die Methode jedoch lediglich an Zellkulturen von Nierenzellen aus menschlichen Embryonen getestet. Es ist noch unklar, ob sie jemals in komplexeren Organismen in vivo funktionieren könnte. Sollte dies der Fall sein, würde dies zu einer bisher unvorstellbaren Eingriffstiefe mit kaum abschätzbaren Folgen führen. Denn Gene und ihre Produkte stehen auf vielfältige Weise in Wechselwirkung zueinander. Nur ein Bruchteil dieser Interaktionen ist bekannt. Werden ganze Netzwerke manipuliert, setzt dies eine Vielzahl an Reaktionsmöglichkeiten frei, die wiederum miteinander interagieren und kaum kontrollierbar sind.