Label Statt einzelne Produkte als gentechnikfrei auszuloben, soll die Schweiz verstärkt für ihre gentechnikfreie Qualitätslandwirtschaft werben. Bild: Clipdealer

Der Bund plant Änderungen im Lebensmittelrecht. Die entsprechenden Verordnungen wurden im Mai 2019 in die Vernehmlassung geschickt. Da die Anpassungen auch die Gentechnikfreiheit der Lebensmittel betreffen, hat die Schweizer Allianz Gentechfrei (SAG) eine Stellungnahme dazu eingereicht.

Unter anderen betrachtete sie die folgenden Themen kritisch:

Anpassung an die Bewilligungspraxis der EU – Mehr Gentech in Lebensmitteln?

Nach der Revision des Lebensmittelrechts sollen in der Schweiz künftig Spuren von in der EU als Lebensmittel zugelassenen GV-Pflanzen in der Schweiz vereinfacht toleriert werden. Begründet wird die geplante Änderung in erster Linie mit einer Anpassung an die EU Bewilligungspraxis. Die SAG hat die geplanten Anpassungen als unbegründet beurteilt und abgelehnt.

In der Schweiz werden aktuell nur 5 GV-Pflanzensorten in Lebensmitteln toleriert. Die EU hingegen gibt sich mit der Bewilligung von 50 derartigen Pflanzensorten als Lebensmittel lockerer. Nun plant der Bund Kontaminationen mit diesen 50 GVO-Sorten in Lebensmitteln künftig bis zu einer Grenze von 0.5% zu akzeptieren. Somit müssten Erzeugnisse mit einer solchen Kontamination nicht mehr vernichtet oder zurückgewiesen werden, sondern blieben bei einem Anteil von bis zu 0.5% verkehrsfähig. Diese aktuelle Schweizer Toleranzgrenze ist jedoch höher als jene in der EU, welche bei nicht zugelassenen GVO eine Nulltoleranz bzw. eine Grenze von 0.1% kennt. Wenn das Ziel eine Anpassung an die, in der EU gängigen Bewilligungspraxis sein soll, ist es unverständlich, warum keine Anpassung dieses Wertes geplant ist. Deshalb fordert die SAG, die Einführung einer Toleranzgrenze von 0.1%, was der technischen Nachweisgrenze entspricht.

Des Weiteren wird argumentiert, dass die geplante Änderung den Handel mit der EU erleichtern soll. Es soll damit ausserdem auch verhindert werden, dass Lebensmittel aus der EU, die mit nicht-bewilligten GVOs kontaminiert sind, vernichtet werden müssen („Food Waste“). Wie die Recherchen der SAG zeigen, sind diese Argumente leider nicht belastbar. Denn bei den Kontrollen der Schweizer Behörden zwischen 2011-2017 war nur ein sehr geringer Anteil der entnommenen Proben von einer Verunreinigung betroffen. Die Mehrheit dieser Proben stammte nicht aus der EU. Eine Umfrage bei den wichtigsten Schweizer Grosshändlern hat zudem ergeben, dass sie in den letzten vier Jahren keine Waren wegen GV-Kontamination vernichten mussten, was das angeführte Food-Waste-Argument stark relativiert.

Regulierung von GVO-Fermenterprodukten

Bei der Herstellung GVO-Fermenterprodukte kommen GV-Mikroorganismen in Einsatz, die am Ende des Prozesses vollständig entfernt werden. Theoretisch enthält das Endprodukt also keine GVOs. Solche Fermenterprodukte sind im schweizerischen Recht aktuell als gentechnisch veränderte Lebensmittel umschrieben. Künftig sollen sie, wie es in der EU bereits der Fall ist, nicht mehr als GVO-Erzeugnisse, sondern als neuartige Lebensmittel gelten.

Die SAG ist mit der geplanten Änderung grundsätzlich einverstanden, vorausgesetzt es werden drei wichtige Massnahmen ergriffen. Erstens soll das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärweges (BLV) für mehr Transparenz sorgen, indem es eine öffentliche Liste der GVO-Fermenterprodukte führt, die in der Schweiz verkehrsfähig sind. Zudem sollen Bio- und Lebensmittelsicherheit mehr Gewicht bekommen. Dies ist nötig, damit keine gentechnisch veränderten Mikroorganismen in die Nahrungsmittelkette gelangen, wie dies, bei auf ähnlicher Weise hergestellten Vitamin-B2-Präparaten aus China, in 2018 der Fall war.

Kennzeichnung „ohne Gentechnik hergestellt“ – Anforderungen für KonsumentInnen undurchschaubar

Die hiesigen Anforderungen für die Kennzeichnung „ohne Gentechnik hergestellt“ sollen an jene unserer Nachbarländer angenähert werden. Das Ziel: Handelshemmnisse zu vermeiden. Dies soll im Sinne der Motion Bourgeois geschehen, die den Bundesrat beauftragt hat, das geltende Recht anzupassen, damit gentechfrei hergestellte tierische Lebensmittel in der Schweiz auf ähnliche Weise ausgelobt werden können, wie in unseren Nachbarländern. Gegenwärtig können Lebensmittel nur dann mit dem Hinweis „ohne Gentechnik hergestellt“ versehen werden, wenn im gesamten Herstellungsprozess auf die Verwendung von GVO-Erzeugnissen verzichtet wird. Einzig die Anwendung von Tierarzneimitteln aus GVO ist zulässig. Neu soll eine solche Kennzeichnung auch dann möglich sein, wenn neben diesen Arzneimitteln, auch Futtermittelzusatzstoffe durch GVO hergestellt sind. Dies ist in der EU bereits gängige Praxis, weil einige Zusatzstoffe, wie beispielsweise Vitamin B12, nicht immer in gentechnikfreier Qualität verfügbar sind.

Die SAG hat sich gegen die geplante Auslobung gentechnikfreier Produkte positioniert. Denn die vorgeschlagene Kennzeichnung würde in ihrer jetzigen Form zu Verwirrung und Täuschung der KonsumentInnen führen. Obwohl heute alle im Inland produzierten Lebensmittel gentechnikfrei sind, dürften laut Verordnung nicht alle als solche ausgelobt werden. Zum Beispiel muss für eine Kennzeichnung zusätzlich zu den oben erwähnten Voraussetzungen ein gleichartiges Lebensmittel als GVO-Lebensmittel bewilligt sein. Im Klartext: ein gentechnikfrei produzierter Apfel dürfte nur dann als solche ausgelobt werden, wenn in der Schweiz gleichzeitig auch GV-Äpfel angebaut werden. Warum einige gentechnikfreie Produkte eine „GV-frei“ Kennzeichnung erhalten können und andere nicht, ist für die KonsumentInnen schwer nachvollziehbar. Auch die Anforderungen für die Erteilung eines solchen Labels sind für sie nicht durchschaubar und nur schwer verständlich. Statt einzelne Produkte als gentechnikfrei auszuloben, sollte die Schweiz verstärkt für ihre gentechnikfreie Qualitätslandwirtschaft werben, fordert die SAG.