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Die Natur soll jährlich einige Tausend Millionen Tonnen Nanomaterialien produzieren. Zu den natürlich vorkommenden Nanopartikeln gehört nebst vielen anderen der Rost (Eisenoxide). Bild: wikipedia

Geht es um die Frage, ob synthetisch hergestellte Nanomaterialien ein Risiko für Mensch und Umwelt darstellen oder nicht, so wird häufig das Argument herangezogen, es gebe in der Natur seit jeher die unterschiedlichsten Nanomaterialien. Dies bedeute, dass sich die Umwelt und der Mensch im Umfeld von Nanomaterialien entwickelt hätten und synthetische Nanomaterialien folglich kein oder kaum ein Risiko darstellen würden. Tatsächlich sind einige Wissenschaftler der Meinung, dass die Nanowissenschaft lediglich Partikel produziere, welche in der Natur bereits gebildet wurden. Andere nehmen dagegen den Standpunkt ein, synthetische Nanomaterialien seien neu und einzigartig und dass sie bisher in der Natur nie vorkamen. Dieser grundsätzlichen Frage geht ein kürzlich publizierter Fachartikel nach. Heute herrscht Einigkeit, dass seit der Geburtsstunde der Nanotechnologien in den 1980er Jahren, die Entwicklung und Anwendung von Nanomaterialien astronomisch zugenommen haben. Unbestritten ist auch, dass die Nanostrukturen einzigartige chemische und physikalische Eigenschaften haben und deshalb Effekte auf Mensch und Umwelt haben könnten.

Damit stellt sich die Frage, ob die synthetischen Nanomaterialien ein neuartiges Gefährdungspotential darstellen, oder ob Mensch und Natur bereits seit Millionen Jahren denselben oder ähnlichen Nanomaterialien ausgesetzt sind. Wäre Letzteres der Fall, wäre auch die Wahrscheinlichkeit von nachteiligen Effekten gering.

Die Autoren schätzen die jährliche natürliche Produktion von Nanomaterialien auf einige Tausend Teragramm (1 Teragramm = 1 Million Tonnen). Im Vergleich dazu errechnen sie die jährlich menschengemachte Produktionsmenge der wichtigsten synthetischen Nanomaterialien wie Nano-Titandioxid, Nano-Ceroxid, Carbon Nanotubes, Fullerene oder Nano-Silber auf einigen hundert oder tausend Teragramm. Demnach würden pro Jahr bis zu 1 Million Tonnen weniger synthetische Nanomaterialien anfallen als in der Natur hervorgebrachte.

Gibt es eine Evidenz, dass mittels der Nanowissenschaft neuartige Nanostrukturen geschaffen werden, welche die Natur nicht hervorgebracht hat? Unterscheiden sich synthetische Nanomaterialien durch ihre Eigenschaften, ihre Zusammensetzung, Reinheit oder Menge von den natürlichen Nanostrukturen? Der Artikel von Hochella et al. zeigt an Beispielen auf, dass menschengemachte, synthetische Nanomaterialien tatsächlich die natürlich vorkommenden Nanostrukturen übersteigen.

Am deutlichsten zeigt sich dies bei der Silikon-Technologie. Nano-Silikonstrukturen werden für Anwendungen in der Elektronik immer weiter perfektioniert. Das Einzigartige bei der Halbleitertechnologie ist die extreme Reinheit der Nanostrukturen. Dies kann nur durch technische Kontrolle des Kristallwachstums erreicht werden. In der Natur gibt es keine vergleichbaren Materialtypen. Das heisst, mit Nanostrukturen aus der Natur könnten keine Mikroprozessoren gebaut werden. Die Autoren sind der Ansicht, dass solche Material-Nanotechnologien die Welt transformieren werden. Ohne Parallele zur Natur. Als zweites Beispiel für die Differenz zur Natur wird auf die synthetische Produktion von 1-Atom-schichtigen Nano-Graphenstrukturen hingewiesen. Fazit: die Nanotechnologie erschliesst nicht-natürliche Nanostrukturen, welche neuartige Geometrie und Eigenschaften aufweisen. Doch es müsse auch weiter geforscht werden, ob die Natur eventuell doch einmal analoge Nanostrukturen hervorgebracht habe.