170403Bild News Nanotechnologie Stand Medizin 290317Die Nanomedizin macht vermehrt Schlagzeilen: Nanomaterialien für Medikamente, Diagnostika und Implantate sollen im Gesundheitsbereich Fortschritte bringen. Bild: swissnexboston.org

Medikamente, die mittels traditioneller Gentechnik gewonnen werden, sind seit Jahren auf dem Markt. Die schweizerische Zulassungs- und Kontrollbehörde für Heilmittel Swissmedic (Schweizerisches Heilmittelinstitut) publiziert regelmässig den Stand von Arzneimitteln, die mittels Gentechnik hergestellt wurden. Per Ende Februar 2017 enthält die Liste einige Hundert Einträge. Auch durch die Nanotechnologie erhofft man sich in der Medizin einen besonders grossen Nutzen. Nanopartikel werden bereits seit mehr als zehn Jahren in der Medizin verwendet und in Zukunft sind zunehmend nanotechnologisch hergestellte Medikamente zu erwarten.

Hunter (2017) untersuchte die Nanotech-Medikamente der nächsten Generation. Die meisten Nanopartikel werden heute für die Abgabe von Medikamenten im Körper (drug delivery) verwendet und sind ein schnell wachsender Markt von 41 Milliarden Dollar (2014) auf geschätzte 118 Milliarden Dollar im Jahr 2023. Bei der Medikamentenabgabe handelt es sich meistens um organische Nanopartikel, welche die therapeutischen Wirkstoffe umhüllen und transportieren. Die zukünftigen potentiellen nanomedizinischen Anwendungen werden durch anorganische Nanopartikel ergänzt, welche unter anderem die Diagnostik und Therapeutik für degenerative und onkologische Erkrankungen, wie auch Infektions- und Immun- sowie Entzündungskrankheiten verbessern sollen. Zudem hebt Hunter ein weiteres Anwendungsgebiet hervor: Die Theranostik (ein Wort, das aus den beiden Begriffen Therapie und Diagnostik gebildet wird), deren Ziel es ist, die richtige Therapie für den Patienten zum richtigen Zeitpunkt zu ermöglichen. Die ersten Nanotheranostik-Systeme seien kurz vor den Bewilligungsverfahren, so zum Beispiel im Falle von Blutvergiftung (Sepsis), welche nanotherapeutisch früher erkannt und damit besser behandelt werden könne.

Caster et al. (2017) betonen in einem Review-Artikel, dass Medikamente in Nanoform zahlreiche physikalische und biologische Vorteile mit sich bringen können, darunter auch eine verbesserte therapeutische Wirksamkeit und eine reduzierte Toxizität (Giftigkeit). Die Autoren untersuchten nun, welche Nanotherapeutika im Jahre 2016 bereits in klinischen Versuchen angewandt wurden. Während bereits rund 50 Nanotherapeutika in die klinische Praxis Eingang gefunden hätten, würde zusätzlich eine grosse Anzahl von solchen Verbindungen derzeit klinisch geprüft. Die Autoren geben einen tabellarischen Überblick der heute am häufigsten zugelassenen und bereits verwendeten Nanomedikamente, welche von Drug-Delivery-Systemen (Medikamentenabgabesysteme) dominiert werden. Hervorgehoben wird, dass die Krebs-Chemotherapie heutzutage nur mit hoch-toxischen Medikamenten möglich sei. Die Nanotechnologie verspreche hier einen bedeutenden Fortschritt, indem Nanotherapeutika spezifischer und in höheren Konzentrationen in Tumoren abgegeben werden können und gleichzeitig normales, gesundes Gewebe weniger den Wirkstoffen ausgesetzt sei. Caster et al. listen 18 Nanopräparate auf, welche in klinischen Versuchen für Chemotherapien bewilligt sind und erläutern deren Wirkmechanismen im Detail.

Sodann betonen die Autoren, dass die antimikrobielle Therapie ein anderes bedeutungsvolles klinisches Einsatzgebiet von Nanotherapeutika sei. Heute würde es zwar zahlreiche antibakterielle Verbindungen geben, wie Antibiotika oder Desinfektionsmittel. Diese seien aber im klinischen Gebrauch limitiert, insbesondere wegen ihren inakzeptablen Toxizitätsprofilen aber auch, weil die Bakterien Resistenzen gegen diese Verbindungen entwickeln können. Es bestehe deshalb ein hoher Bedarf, neuartige Lösungen zu finden. Und dies biete die Nanomedizin an. Die Autoren listen 15 antimikrobielle Nanozubereitungen auf, welche gegenwärtig in der klinischen Entwicklung sind. So sind Silberionen ein potentes antimikrobielles Mittel. Entsprechend wird vermehrt Nanosilber in Desinfektions- und Reinigungsprodukten eingesetzt. Nanosilber ist jedoch bezüglich seiner Konsumentensicherheit sehr umstritten.

Insgesamt ist der Fortschritt in der Nanomedizin rasant. Die Zahl der Einsatzmöglichkeiten wächst schnell. Obwohl noch manche Herausforderungen bewältigt werden müssen, erhofft man sich, dass die Nanomedizin das Potential hat, die klinischen Anwendungen drastisch zu verändern und das therapeutische und diagnostische Rüstzeug zu verbessern. Allerdings öffnet sich mit der Nanomedizin auch ein breites Spektrum an Fragen nach Risiken sowie gesellschaftlichen und ethischen Folgen.

Mit der Anzahl von neuartigen Materialien und unterschiedlichen Nanostrukturen ist es gemäss Holian et al. (2016) unerlässlich, die Eigenschaften der nanomedizinischen Produkte zu untersuchen, um negative Effekte bei Patienten zu vermeiden. Sie befassten sich eingehend mit der Frage nach den Risiken. Sie kommen zum Schluss, dass trotz der vielen Versprechungen, sorgfältige Untersuchungen auf unerwartete nachteilige Effekte der Nanomaterialien, nicht verloren gegangen werden darf. Es bedürfe in Zukunft einer Balance in der Beurteilung der Sicherheit und der Wirksamkeit der nanomedizinischen Anwendungen, wobei jeder Ansatz einzeln auf Nutzen und Nachteile abgewogen werden müsse.

Hofmann-Amtenbrink et al. (2015) stellen denn auch fest, dass die Sicherheitstests erst in Entwicklung seien, obwohl die Forschung an Nanopartikeln bereits über 30 Jahre betrieben würde.