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Der Freisetzungsversuch sei hinsichtlich einer nachhaltigen Züchtungsforschung nicht zielführend. Bild: Roland zh

Bio-Getreide-Züchter aus Deutschland und der Schweiz gelangten wegen des Freisetzungsversuchs mit gentechnisch veränderten Winterweizen von Agroscope an das Bundesamt für Umwelt (BAFU). „Die öffentliche Züchtungsforschung in Deutschland und der Schweiz bildet die Grundlage für die Züchtung landwirtschaftlicher Kulturpflanzen in Mittel-Europa. Sie hat einen entscheidenden Einfluss auf die Zuchtziele und das Ausgangsmaterial, mit welchem Getreide für die Zukunft entwickelt wird“ schreiben die Züchter in einem offenen Brief. Öffentlich finanzierte Forschung sollte ökonomische und ökologische Rahmenbedingungen bei der Projektförderung berücksichtigen. Der Freisetzungsversuch sei hinsichtlich einer nachhaltigen Züchtungsforschung nicht zielführend und unzureichend in den sozialen und landwirtschaftlichen Kontext Europas eingebettet.

„Als Ökologische Getreidezüchter stellen wir die Frage, wie öffentliche Gelder in der Züchtungsforschung eingesetzt werden sollen“, heisst es im Brief. Weizen sei eine der ökonomisch bedeutendsten Kulturarten mit einem hohen Anteil privatwirtschaftlicher und öffentlicher Investitionen in Forschung und Entwicklung. Steigerungen des Ertrags und Proteingehalts seien klassische Forschungsziele der Privatwirtschaft - ausgerichtet auf kommerziellen Erfolg. Öffentliche Forschungsgelder sollten dafür eingesetzt werden, ökonomisch weniger relevante Züchtungsziele - etwa eine verbesserte Ernährungsqualität - oder Kulturarten wie Leguminosen zu fördern. Körnerleguminosen sind eine wichtige Proteinquelle. Mangelnde Investitionen hätten den Anbau von Leguminosen unrentabel gemacht und zunehmend aus der landwirtschaftlichen Praxis verdrängt. Weizen als alternative Eiweißquelle sei mit Blick auf eine ausgewogene landwirtschaftliche Produktion, Fruchtfolge und Ernährung fragwürdig.

Das Dogma der einseitigen Ertragssteigerungen müsse im Kontext der zu Ende gehenden Ressourcen an Düngestoffen wie Phosphor oder der zunehmend auftretenden Getreide-Unverträglichkeiten kritisch hinterfragt werden, fordern die Züchter. Forschungsgelder sollten vermehrt für dezentrale Züchtungsforschungsprojekte, wie beispielsweise partizipative Entwicklung von Getreide-Populationen, die auf lokale Anforderungen der Landwirtschaft eingehen können und eine hohe Relevanz als Strategie zur Anpassung an den Klimawandel haben, zur Verfügung gestellt werden.

Sorge bereiten den ökologischen Züchtern auch Fragen der Biosicherheit. „Aus unserer züchterischen Praxis ist uns bekannt, dass Kontaminationen durch Fremdbestäubung auch über größere Entfernungen in kleinen Mengen auftreten können. Diese können unbemerkt vermehrt und dadurch in landwirtschaftlichen Produktionsketten etabliert werden.“

Als gesamtgesellschaftliches Interesse sollte die gentechnik-freie Züchtung und Saatgutproduktion stärker als öffentliche Aufgabe verstanden und auch hinreichend unterstützt und finanziert werden, fordern die Bio-Züchter.