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Webinar Rückblick, Bild: Shutterstock

Am 21. April fand ein Webinar der SAG zum Thema „Klimawandel: Genomeditierung vs. Agrarökologie!“ statt. Das Webinar bestand aus vier Vorträgen von Expert:innen, die sich umfassend mit dem „Weg zu einer nachhaltigen Landwirtschaft“ auseinandergesetzt haben. Folgend sind die Vorträge zusammengefasst. Gerne erhalten Sie hier einen Überblick über die Aufnahmen des ganzen Webinars.

Klimawandel: Ist Genomeditierung die Lösung?

Zsofia Hock (Leiterin Politik und Themenarbeit, Schweizer Allianz Gentechfrei)

Die Landwirtschaft ist sowohl Mitverursacherin als auch Leidtragende der Klimakrise. Ihre Beteiligung an den klimaschädlichen Emissionen ist vor allem bei der Methan- und Lachgasproduktion erheblich. Auf der anderen Seite leidet sie unter den negativen Folgen des Klimawandels, wie der Unberechenbarkeit der Wetterereignisse, dem wachsenden Schädlingsdruck oder der Versalzung durch den Meeresanstieg, durch die Ertragseinbussen drohen. Die Genomeditierung soll laut Agrarindustrie und den damit verbundenen Wissenschaftskreisen auf der einen Seite helfen die Klimaemissionen zu verringern, auf der anderen Seite zur schnelleren Entwicklung resistenterer Pflanzen und Tiere beitragen. Doch diese punktuellen Eingriffe ins komplexe landwirtschaftliche System, das stark mit der Natur verflochten ist, ähneln kleinen Pflastern, mit denen die einen oder anderen Wunden am Körper dieses Systems abgedeckt werden können, die wahren Ursachen können so nicht beseitigt werden. Dies hat viele Haken: Forschungsvorhaben der Genomeditierung basieren auf stark vereinfachten Modellen, welche im Labor unter standardisierten Bedingungen getestet werden. Wie eine Sorte auf Feldern mit unterschiedlichen Boden- und klimatischen Bedingungen reagieren wird, lässt sich aus diesen Experimenten nur sehr beschränkt ableiten. Auch die Unberechenbarkeit des Wetters, ein wichtiges Merkmal des Klimawandels, lässt sich kaum in diese Modelle einbeziehen.

Als Ausgangsmaterial dienen den meisten dieser Entwicklungsvorhaben zudem genetisch verarmte Hochleistungssorten, obschon die Diversität die wichtigste Grundvoraussetzung für Anpassungsfähigkeit und Resilienz ist. Das komplexe Netzwerk der Interaktionen zwischen Genen, Genprodukten und Umwelt lässt sich mit punktuellen Veränderungen des Genoms nicht nachhaltig verändern, die Diversität natürlicher Populationen nicht nachahmen.

Schlussendlich ist die relativ neue und sich rasch entwickelnde Technologie der Genomeditierung mit Risiken verbunden, die wie bei der klassischen Gentechnik nur ungenügend untersucht wurden. Studien zu unerwünschten Nebeneffekten der Genomeditierung häufen sich. Wird ein frisch aus dem Labor stammendes, sogenanntes „proof of concept“ Produkt ohne kritische Bewertung vorschnell auf den Markt gebracht, sind die Konsumierenden direkt von möglichen negativen Folgen betroffen. Dies gefährdet nicht nur das öffentliche Vertrauen in die Innovation, sondern im schlimmsten Fall Umwelt und Gesundheit. Die Anwendung des Vorsorgeprinzips und eine strenge Regulierung der neuen Gentechnikverfahren hingegen schaffen Anreize für Innovation im Bereich der Alternativen, wie z.B. dem ganzheitlichen Ansatz der Agrarökologie. Letzterer ist interdisziplinär, basiert auf Vielfalt und wird bereits weltweit von vielen landwirtschaftlichen Akteuren seit Langem effektiv praktiziert.

Was sind die GV-Pflanzen der Zukunft?

Eva Gelinsky (Politische Referentin, Interessengemeinschaft für gentechnikfreie Saatgutarbeit)

Die Forschung und Entwicklung der GV-Pflanzen sind in vollem Gange. Dies soll die Welt vor den Folgen des Klimawandels retten, so der neue Sensibilisierungsslogan der Gentechindustrie. Auf amerikanischen Feldern wachsen bereits Pflanzen, die mit einem Vorgänger der Genschere entwickelt wurden. Mit der Bekämpfung des Klimawandels haben diese allerdings wenig zu tun: der Raps der US-Firma Cibus ist herbizisdresistent – das alte Muster also – und die Soja der ebenfalls amerikanischen Firma Calyxt weist eine veränderte Ölzusammensetzung auf.

Vor Kurzem wurde auch die erste CRISPR-Pflanze, eine Tomate mit erhöhtem Gehalt an Gamma-Amino-Buttersäure (GABA) in Japan ohne Risikoprüfung zugelassen. GABA soll die Entspannung fördern. Als Versuchskaninchen dienen die VerbraucherInnen. Da GABA in der Pflanze vielfältige Funktionen erfüllt, kann ein solcher Eingriff an vielen verschiedenen Ebenen des pflanzlichen Stoffwechsels Folgen haben: Die fehlende Risikoprüfung birgt also potentielle Gefahren. Unternehmen versprechen weitere Pflanzen in naher Zukunft. Eine aktuelle Auswertung zeigt, dass es nur in 5 von 231 Studien zu neuen Pflanzen um «klimarelevante» Eigenschaften handelt (besserer Umgang mit abiotischem Stress, z. B. Trockenheit oder Hitze). Am intensivsten geforscht wird an Veränderungen von Stoffwechseleigenschaften, an der Herbizidresistenz und an sogenannten «Knock-out»-Traits, bei denen bestimmte Gene ausgeschaltet werden (z.B. zur Unterdrückung von Oxidationsprozessen, welche eine Bräunung bei Äpfeln oder Pilzen auslösen).

Vergessen bei solchen Eingriffen werden u.a. die Risiken für Mensch und Umwelt, sowie die Reaktion solcher Organismen in einer sich ständig ändernden Umwelt ausserhalb des Labors. Weitere Probleme bereitet die Komplexität der Genexpression von Stress-Genen (z.B. Trockenheitstoleranz oder Resistenzen) und das Zusammenspiel der, bei den Stressreaktionen beteiligten Signalwege, welche grösstenteils noch unverstanden sind.  Aus diesen Gründen ist es fraglich, ob die GV-Pflanzen schliesslich so vielversprechend sind, wie sie angepriesen werden.

Agriculture, innovation et résilience climatique

Luigi D’Andrea (Geschäftsleiter, Alliance Suisse pour une Agriculture sans Génie Génétique)

Mit den alten Gentechniken versprach die Biotechnologie eine rasante Steigerung der Entwicklung von neuartigen Pflanzen, zum Wohl der ganzen Welt. Stattdessen hat sich die Landwirtschaft so entwickelt, dass es mehr Schulden, mehr Pestizide und teureres Saatgut gibt. Die Gentechnik ist nicht nur ein reduktionistischer Ansatz, der in einem komplexen System eingesetzt wird. Sie ist auch eine Top-Down Herangehensweise der Innovation, wobei die wenigen Agrarkonzerne, welche den Saatgutmarkt beherrschen die Forschungsziele setzen. Die Forschung wird nicht den Bedürfnissen der Bauern und Bäuerinnen angepasst und das dabei entstandene Wissen, das durch Patente privatisiert wird, ist für die Verbraucher:innen nur beschränkt zugänglich. Solche zentralisierten Ansätze sind schlecht geeignet, um die Bedürfnisse des ländlichen Raums zu erfüllen und den gewünschten Paradigmenwechsel einzuleiten. Für eine radikale Veränderung des gängigen landwirtschaftlichen Produktionsmodell - dem Klima zuliebe - braucht es den Einbezug der Verbraucher in die Forschung, eine Open-Source Wissenschaftspraxis mit transparentem und für alle zugänglichem Wissen, das frei geteilt und weiterentwickelt werden kann. Es braucht erschwingliche, auf bereits vorhandenen Erfahrungen und auf Diversität basierte Bottom-Up Innovation statt teurer und riskanter Gentechnik.

Zu diesem Wandel führen viele Wege, die sich ergänzen und so eine nachhaltige Wirkung entfalten. Darunter fallen die De-Industrialisierung und Bio-Intensivierung der Landwirtschaft, die Förderung der genetischen Pflanzenvielfalt aber auch der Vielfalt der Produktionssysteme und eine Energie- bzw. elementschonende Umweltgestaltung. So zeigt beispielsweise die vom französischen Agrarministerium lancierte Initiative „4 per 1000“, dass der jährliche Anstieg von CO2 in der Atmosphäre gestoppt werden kann, wenn man die Menge an Kohlenstoff im Boden um 4% pro Jahr erhöht. Dies ist auch ohne ressourcenintensive Technologien realisierbar, etwa durch eine Kombination von schonender Bodenbearbeitung, Agroforstwirtschaft, Zwischenfrüchte, und regenerativer Landwirtschaft. Die Entscheidung, die wir bei der Regulierung der neuen gentechnischen Verfahren treffen, wird bestimmen, welchen Weg die Schweiz einschlagen wird: den einer industriell hergestellten Nahrungskette mit wenigen Produkten, oder den des vielfältigen, lokal angepassten Netzwerks der bäuerlichen Produktion.

Vielfalt statt Einfalt: Agrarökologie als bessere Option zur Anpassung an den Klimawandel

Simon Degelo (Verantwortlicher Ernährungssouveränität, Dossier Saatgut, SWISSAID)

Unter dem Begriff Agrarökologie wird oft sehr Unterschiedliches verstanden. Doch dank jahrelanger Arbeit landwirtschaftlicher Bewegungen, bäuerlicher Organisationen und Vertreter der Zivilgesellschaft existiert seit ein paar Jahren ein allgemeines Verständnis, das sogar von der Welternährungsorganisation FAO übernommen wurde. Neben den agronomischen Aspekten der ressourcen-, klima- und bodenschonender Anbaupraktiken, die zu einem resilienten Anbausystem führen, beinhaltet diese Definition auch politische und gesellschaftliche Elemente. Denn soziale Aspekte bilden das Fundament agrarökologischer Systeme: unabhängige Bäuerinnen und Bauer und die Co-Creation von Wissen. Zusammenarbeit und gemeinsames Forschen geht nur, wenn die Bauern und Bäuerinnen eine aktive Rolle einnehmen und gemeinsam mit den Forschenden neue Methoden entwickeln, die sowohl den klimatischen Bedingungen als auch der jeweiligen Kultur und den Ernährungspräferenzen angepasst sind. Die vielfältigen Ansätze der Agrarökologie sind nicht nur ökologischer, sondern werden auch als Absicherung gegen die Folgen des Klimawandels gesehen, da sie sich besser an verändernde Umweltbedingungen anpassen können. Derart agrarökologisch zu wirtschaften ist jedoch kaum möglich, wenn man eine strikte, gewinnorientierte Marktlogik befolgt. Deshalb braucht es eine Wirtschaftsform, die auch soziale Aspekte berücksichtigt und eine Gesetzgebung, welche die Agrarökologie begünstigt.

Wie hängt die Agrarökologie mit dem Klima zusammen?

Bäuerliches Saatgut wird jedes Jahr wiederverwendet und passt sich so den lokalen Bedingungen an, auch dann, wenn sich das Klima verändert. Werden traditionelle Sorten nicht von Monokulturen verdrängt, könnten sie dem Klimawandel die Stirn bieten. Dank nahem Kontakt, kontinuierlichem Wissensaustausch und gegenseitigem Vertrauen können die Menschen einfacher ihr eigenes Schicksal in die Hände nehmen und unter anderem auch auf klimawandelbedingte Extremereignisse besser reagieren.

Die Agrarökologie ist somit ein möglicher Weg zu einer Nahrungsmittelproduktion, welche aus sozialer wie auch ökologischer Sicht nachhaltig ist.

 

  • Das Klimadossier ist hier zu lesen.