20 neue Europäische Patente auf konventionelles Saatgut. Bild: Keine Patente auf Saatgut!
In Europa dürfen nur gentechnisch veränderte Pflanzen patentiert werden. Trotzdem erteilt das Europäische Patentamt (EPA) Patente auf konventionell gezüchtete Sorten – und dies nicht selten. Denn bereits über 1300 Pflanzensorten sind von solchen Patenten betroffen. Die Grundlagen der Pflanzenzucht in Europa sind dadurch bedroht, da Züchtende Pflanzensorten aus konventioneller Züchtung nicht mehr frei als Ausgangsmaterial verwenden können.
„Noch nie war der Zugang zu konventionell gezüchteten Pflanzensorten so stark durch Patente behindert wie heute“, sagt Johanna Eckhardt von Keine Patente auf Saatgut!. „Diese Patente bedrohen das Recht der europäischen Pflanzenzüchter*innen auf die freie Verwendung von Pflanzensorten aus konventioneller Züchtung.“
Die grossen Konzerne gehen bei der Patentierung raffiniert vor: Um eine Eigenschaft, die in einer Pflanze natürlich vorkommt, patentieren zu lassen, werden zusätzlich neue Gentechniken angegeben, damit die Eigenschaft als Erfindung dargestellt und patentiert werden kann. Ein gutes Beispiel dafür ist das Patent EP3380618 der deutschen Firma KWS. Dieses bezieht sich auf Mais, der in nördlichen Regionen angebaut werden kann, weil er auch tiefere Temperaturen verträgt. Die für die Kältetoleranz verantwortlichen Genvarianten wurden ursprünglich in bereits existierenden Pflanzenlinien entdeckt. Laut Patent wendete die Firma KWS Zufallsmutagenese an, erwähnt aber auch die Möglichkeit, den Mais mit Hilfe von Gentechnik "nachzubauen“. Doch diese Verfahren sind gar nicht notwendig, um die erwünschten Pflanzen zu züchten.
Deswegen hat Keine Patente auf Saatgut! Einspruch gegen das Patent eingelegt. Eine Entscheidung darüber wird am 15. Oktober vom Europäischen Patentamt in einer öffentlichen Anhörung getroffen. Bleibt das Patent bestehen, betrifft es auch die konventionelle Pflanzenzucht.
Firmen, die seit Jahrzehnten erfolgreich neue Sorten u.a. für die ökologische Landwirtschaft züchten, fühlen sich bedroht. So auch das niederländische Unternehmen Nordic Maize Breeding: „Wir müssen damit rechnen, dass wir auch dann von Patenten und Gerichtsverfahren betroffen sind, wenn wir weiterhin nur mit konventionell gezüchteten Sorten arbeiten“.
Erschreckende Zahlen – neue Gentechnik bringt Steigerung
2023 wurden rund 80 Patente auf Pflanzen erteilt – 20 davon auf solche aus konventioneller Züchtung so „Keine Patente auf Saatgut!“. Mehrere Arten sind betroffen, etwa Gurken, Mais, Melonen, Paprika, Raps, Spinat, Tomaten und Weizen. Unter den Patentinhaber:innen: Nunhems/BASF, Enza Zaaden, KWS, Rijk Zwaan, Seminis/Bayer und ChemChina/Syngenta.
Wird die neue Gentechnik dereguliert, droht ein sprunghafter Anstieg von Patenten auf Pflanzen aus konventioneller Züchtung. Werden Gensequenzen, die ein gewünschtes Merkmal bestimmen, mit der Genschere CRISPR/Cas kopiert, reicht dies aus, um die so entstandene „Erfindung“ zu patentieren. Solche Patente sind zudem breit angelegt und erstrecken sich nicht nur auf die Pflanze, die mit den neuen Gentechnikverfahren verändert wurde, sondern auch auf nach dem Zufallsprinzip generierte Mutationen. Oft sind auch viele verschiedene Pflanzen mit der gleichen Gensequenz eingeschlossen, unabhängig davon, ob diese im Labor entstanden ist oder natürlich vorkommt. Somit erlangen die Agrarkonzerne die Kontrolle über die Pflanzenzucht und schränken die Möglichkeiten der Züchtenden ein.
In der EU wird derzeit heftig über Patente auf Pflanzen gestritten. Patente auf Pflanzen aus konventioneller Züchtung können gemäss der EU-Patentrichtlinie 98/44 verboten werden, wenn die bestehenden Verbote korrekt ausgelegt werden, wie der österreichische Verein Arche Noah, ein Mitglied von Keine Patente auf Saatgut! bestätigt.
Die wichtigsten Forderungen im Überblick:
Patente auf konventionelle Züchtung müssen gestoppt werden, auch die auf zufällige Mutationen und die Nutzung von natürlichen Genvarianten. Rechtliche Sicherheit für Züchtende, damit sie auch zukünftig Zugang zu den genetischen Ressourcen für ihre Züchtung haben, ohne zu Lizenzverträgen gezwungen zu werden oder durch Gerichtsverfahren bedroht sind. Die Grundlagen der Züchtung und Nahrungsmittelproduktion müssen frei zugänglich bleiben und dürfen nicht von einigen wenigen Grosskonzernen kontrolliert werden.