Label Künstlich eingebrachte Gensequenzen breiten sich in natürlichen Mückenpopulationen aus. Die Folgen sind unbekannt. Bild: Clipdealer

In Brasilien wurden im Rahmen eines Versuchsprojekts während 2 Jahren jede Woche hunderttausende gentechnisch veränderte Männchen der Stechmückenart Aedes aegypti ausgesetzt. Entwickelt wurden diese von der britischen Biotech-Firma Oxitec. Ziel des Versuchs war es, lokale Mückenpopulationen zu dezimieren, um die Zahl der Dengue- und Zika-Infektionen zu senken.

Theoretisch hätte die gentechnische Veränderung dafür sorgen sollen, dass sämtliche Nachkommen von Weibchen, die sich mit den GV-Männchen paarten, absterben. Doch entgegen der Erwartungen der Forschenden, haben einige doch überlebt. Dies zeigt eine neue Studie in der Fachzeitschrift Scientific Report. Sie waren sogar fit genug, um sich mit ihren nichtveränderten Artgenossen zu paaren. Nun breitet sich die gentechnische Veränderung in den natürlichen Populationen aus.

Das Zika-Virus hat für schwangere Frauen verheerende Folgen, denn ihre Kinder kommen mit schweren Fehlbildungen zur Welt. In 2016 sorgte in Brasilien eine regelrechte Zika-Epidemie für Schlagzeilen: Millionen Menschen erkrankten. Verantwortlich für die Übertragung der Krankheit ist die ursprünglich aus Afrika stammende Ägyptische Tigermücke, die auch für weitere Viren (u.a. Gelbfieber und Dengue) als Vektor dient. Forscher suchen schon länger nach Methoden, welche die Ausbreitung der Tiere verhindern könnten.

Mit den gentechnisch veränderten Männchen der Firma Oxitec haben die Gentechniker gehofft, eine sichere Lösung gefunden zu haben. Kritiker hatten schon vor Versuchsbeginn gewarnt, dass dieser Eingriff in die freie Natur Risiken berge. Wie die genetische Analyse von Stichproben aus der Zielpopulation 6, 12 und 30 Monaten nach der Freisetzung zeigt, war die Aktion tatsächlich nicht ohne Folgen. Denn ein Teil der Nachkommen konnte trotz Todesgen überleben und sich weitervermehren, wie die kürzlich publizierte Studie des Teams um Jeffrey Powell von der Yale University (USA) zeigt. Verantwortlich dafür sind möglicherweise spontane Mutationen, die die Wirkung der gentechnischen Veränderung ausschalten. Die künstlich eingebrachte Gensequenz breitet sich nun in der Natur aus. Das Ausmass dieser Ausbreitung ist bedeutend, je nach Stichprobe wurde die Veränderung bei 10 bis 60 Prozent der Individuen nachgewiesen. Bei der Herstellung der GV-Mücken wurden zudem Individuen aus einer Population in Kuba verwendet, die dann mit Mücken aus einer Population in Mexiko gekreuzt wurden. Das heisst, dass das genetische Material der Jacobina-Mücken nun aus einer Mischung dreier Populationen besteht. Es ist unklar, wie diese Veränderungen den Prozess der Krankheitsübertragung beeinflussen und sich auf die Versuche, diese zu kontrollieren auswirken. Das Forscherteam schliesst nicht aus, dass die Gentech-Mücken sogar robuster sein könnten, als ihre wilden Artgenossen und resistent gegen Insektizide sind.

Freilebende Populationen zu verändern ist riskant, denn Ökosysteme sind sehr komplex, mit vielen unbekannten Faktoren, die zu unerwarteten Folgen führen können. So zeigte sich zum Beispiel im Laufe des Versuches auch, dass Weibchen mit der Zeit die Paarung mit GV-Männchen vermieden bzw. gentechfreie Partner bevorzugten. Dies führte dazu, dass nach einem anfänglichen Erfolg, die Mückenpopulationen wieder stärker wuchsen und fast ihre ursprüngliche Grösse erreichten.

Mittlerweile setzt Oxitec auf eine andere, weltweit umstrittene Strategie. Sie will krankheitsübertragende Mückenarten mit der mutagenen Kettenreaktion Gene Drive ausrotten. Bei dieser Technik ist das Überleben der gentechnisch veränderten Nachkommen gewollt. Nur Weibchen sollen nicht schlüpfen, Männchen hingegen sollen sich weitervermehren können. Denn sie sorgen dafür, dass sich die tödlichen Gene in der Population ausbreiten, bis diese zusammenbricht. Durch die künstlich erzwungene, aggressive Verbreitung der im Labor erzeugten genetischen Veränderungen vervielfachen sich die mit einer Freisetzung verknüpften Risiken. Die neu veröffentlichte Studie unterstreicht einmal mehr, dass die Befürchtungen der Kritiker und die Forderung nach einem weltweiten Moratorium auf Gene Drives nicht übertrieben sind.

Der Artikel in Scientific Reports

NZZ, 12.9.19

Spiegel Online, 12.9.19

GMWatch, 11.9.19