Wie sind Pflanzenschutzmittel aus GVO im Lichte der gentechnikfreien Landwirtschaft und aus Sicht der Biolandbaus zu bewerten? Bild: Shutterstock
Als Antwort auf die Motionen Bregy 21.4164 und Gafner 21.3770 hat das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) die totalrevidierte Pflanzenschutzmittelverordnung in die Vernehmlassung geschickt. Das Ziel war eine Annäherung an das EU-Recht und eine vereinfachte Genehmigung oder Rückzug der in der EU zugelassenen bzw. zurückgezogenen Pflanzenschutzmittel. Die SAG ist mit den vorgeschlagenen Änderungen weitgehend einverstanden und begrüsst, dass die Möglichkeit von Ausnahmen vorgesehen wird. Begrüssenswert ist auch die Änderung, dass Pflanzenschutzmittel neu befristet zugelassen werden.
Nichtdestotrotz weist die SAG auf mögliche Lücken hin, welche mit dem Aufkommen der neuen Gentechnik entstehen und einer genaueren Regelung bedürfen.
Keine Vorschriften zum Umgang mit Wirkstoffen aus gentechnisch veränderten Mikroben
Die revidierte PVMV enthält weder bei Freilandversuchen noch beim Inverkehrbringen Vorschriften zum Umgang mit Wirkstoffen, die aus gentechnisch veränderten Mikroorganismen (GVM) gewonnen werden.
GVM und Biologika, die aus oder durch GVO hergestellt sind, fallen nicht unter das Moratorium. An aus GVM gewonnenen Dünge- und Pflanzenschutzmitteln wird intensiv geforscht, das Interesse von Unternehmen steigt. Nicht nur Startups und KMUs entwickeln entsprechende Produkte, auch grosse Konzerne (bspw. BASF, Corteva, Novozymes) sind dabei. Sie beteiligen sich an Produktentwicklungen und beschaffen sich durch Kollaborationen Knowhow von Synbio-Firmen. Bisher gibt es in der Schweiz keine aus GVM gewonnene Produkte, die für Anwendungen in der Umwelt zugelassen sind. Ein Pflanzenschutzmittel namens Calantha, das der Bekämpfung des Kartoffelkäfers dienen soll, wurde vor kurzem in den USA zugelassen. In diesem Fall wird das Pestizid zwar nicht in einem lebenden Organismus – d.h. «zellfrei» - produziert, Bestandteile des Herstellungsprozesses stammen jedoch aus GVM. So etwa technische Hilfsstoffe wie Plasmid-DNA und Enzyme, die zur Transkription der Plasmid-DNA benötigt werden. Rückstände aus GVO sind im Endprodukt somit nicht auszuschliessen, dies müsste fallweise beurteilt werden – derzeit fehlen Anforderungen in der PSMV dazu.
Eine neue Entwicklung, die im Bereich des Microbiome Engineering stattfindet, ist besonders besorgniserregend. Diese beruht darauf, die Mikroorganismen des Mikrobioms in situ – in der Umwelt – gentechnisch zu verändern. Biologika aus GVM fallen nicht unter das GVO-Moratorium und sind deshalb in der konventionellen Landwirtschaft grundsätzlich erlaubt. Rechtlich unterstehen die Produkte der DüV oder der PSMV. Keine der beiden Verordnungen enthält spezifische Bestimmungen für aus GVM gewonnene Produkte. Damit gibt es keine Anforderungen betreffend möglicher GVM- und DNA-Rückstände. Dass solche Rückstände bei Produkten, die durch GVO hergestellt werden, keine Seltenheit sind, zeigen Vorfälle in der Vergangenheit, etwa bei Vitaminen oder Enzymen.
Da aus GVM gewonnene Produkte in der Schweiz nicht kennzeichnungspflichtig sind (vorausgesetzt sie sind von den GVM abgetrennt, gereinigt und chemisch definierbar), dürften auch aus GVM gewonnene Dünge- und Pflanzenschutzmittel keiner Kennzeichnungspflicht unterstellt werden.
Die Markttransparenz ist bei aus GVM gewonnenen Produkten derzeit je nach Bereich unterschiedlich: Bei Lebens- und Humanarzneimitteln führt der Bund öffentliche Listen über die Produkte, die in der Schweiz zugelassenen oder verkehrsfähig sind. In anderen Bereichen – so etwa bei Wasch- und Reinigungsmitteln oder Tierarzneimittel – fehlen solche Listen. Wie die Handhabung bei Dünge- und Pflanzenschutzmitteln sein wird, ist unklar.
Aus Sicht von Umwelt- und Naturschutz fordert die SAG eine fallweise Bewertung der Produkte und eine fallbezogene Beurteilung der Risiken für Umwelt und Mensch, lassen sich mit GVM doch sehr unterschiedliche Biologika herstellen – von umweltfreundlicheren Feromonen bis zu höchst umstrittenen dsRNA-Pestiziden.
Es müssen gesetzliche Massnahmen, sowie Grenzwerte festgelegt werden, um zu verhindern, dass GVM und auch deren DNA als Rückstände auftauchen und somit zusammen mit den Biologika auf die Felder gelangen können. Auch die Kontrolle und das Monitoring von möglichen Rückständen muss geregelt werden. Zugelassene Mittel/Produkte aus GVM sollen in einem öffentlichen Register aufgeführt werden.
Fehlende Vorschriften für das Mitliefern von Nachweisverfahren für GVO
Ebenfalls fehlen Nachweisverfahren für die GVO-Organismen, die für die Herstellung der verschiedenen Mittel und Pestizide zum Einsatz kommen. Diese vorzuschreiben, ist für die Marktüberwachung und die Nachweisbarkeit unerlässlich.
Die SAG fordert gesetzliche Vorschriften für das Mitliefern von Nachweisverfahren für GVO, welche Pflanzenschutzmittel herstellen.
Fehlende Kennzeichnungspflicht bei Pflanzenschutzmitteln aus GV-Pflanzen in der PSMV
Eine Kennzeichnungspflicht fehlt in der PSMV auch bei Pestiziden, die aus gentechnisch veränderten Pflanzen gewonnen werden.
GV-Pflanzen fallen aktuell zwar noch unter das Gentech-Moratorium, dies könnte sich aber in der nahen Zukunft ändern.
Betroffen sind GV-Pflanzen:
- Die weltweit für andere Zwecke – etwa für die Herstellung von Baumwolle, Futter- oder Lebensmitteln – im Anbau sind und zusätzlich für die Gewinnung von Extrakten, die als Biostimulanzien verkauft werden, verwendet werden. So ist bspw. nicht zu überprüfen, ob ein Biostimulans von Syngenta namens Quantis, das Extrakte der Zuckerrohrverarbeitung verwendet, von Pflanzen aus GV-Anbau stammt.
- Im Bereich Molecular Farming arbeiten Forschende daran, GV-Pflanzen, welche anschliessend im Freiland angebaut werden, zu Biofabriken zu machen, aus denen Biologika gewonnen werden können. Beispiele sind in Leindotter und Tabak hergestellte Pheromone und in Tabak produzierte antimikrobielle Peptide.
Ob solche Produkte Rückstände von Pflanzen-DNA enthalten und damit u.U. auch Antibiotikaresistenzgene auf die Felder gelangen, muss überprüft werden können.
Die SAG fordert die Festlegung einer Kennzeichnungspflicht in der PSMV für Pflanzenschutzmitteln aus GV-Pflanzen, sowie Anforderungen betreffend mögliche DNA-Rückstände bei Pflanzenschutzmitteln aus GV-Pflanzen. Zudem muss der Bund ein öffentliches Register führen, worin die Herkunft (aus GVO oder nicht) solcher Produkte ersichtlich ist.
Regulierung von RNA-basierten Pflanzenschutzmitteln unklar
Unklar ist, wie RNA-basierte Pestizide, die in der EU zugelassen werden, behandelt werden sollen. Denn es ist nicht klar, wie dsRNA reguliert wird. Sollte er als Stoff und nicht als Mikroorganismus behandelt werden, wäre eine automatische Zulassung gegeben. Ein erstes Pestizid auf dsRNA-Basis wurde in den USA bereits zugelassen (Ledprona ist ein dsRNA-basiertes Insektizid gegen den Kartoffelkäfer, das von GreenLight Biosciences hergestellt wird), bis es in Europa ankommt, wird nicht allzu lang dauern. Neben GreenLight Biosciences arbeitet eine Reihe anderer Start-up-Unternehmen an dsRNA-Pestiziden, auch grosse Agrarkonzerne sind interessiert – so etwa Syngenta, die ebenfalls ein dsRNA-Mittel gegen den Kartoffelkäfer in der Pipeline hat. Produkte auf dsRNA-Basis sind aber in wissenschaftlichen Kreisen sehr umstritten. U.a. dürften sie ungewollt nicht nur den Zielorganismus, sondern auch andere Insekten dezimieren, darunter auch gefährdete Arten. Nebenwirkungen auf Nützlinge und Bestäuber sind ebenfalls zu befürchten. Vor dem Hintergrund des Artenschwunds sind solche Auswirkungen besorgniserregend und diese wurden bisher nur mangelhaft getestet. Zudem könnte die genetische Ausstattung der Schädlinge sie schnell resistent gegen solche Mittel machen.
Angesichts dieser möglicherweise schwerwiegenden Auswirkungen für die Biodiversität fordert die SAG: dass künftig in der EU zugelassene Pflanzenschutzmittel auf RNS-Basis, in der Schweiz nicht automatisch zugelassen werden und ein Bewilligungsverfahren durchlaufen müssen. Zudem muss geklärt werden, wie dsRNA reguliert werden soll – als Stoff oder als Mikroorganismus.