komissionszimmer DSC1135Der Verkauf gentechnisch veränderter Leuchtfische ist in vielen Ländern verboten - in Brasiliens Gewässern verbreiten sich nun die ausgebüxten Gentech-Fische. Bild: Shutterstock

Dass lockere GVO-Regulierungen eine Gefahr für natürliche Ökosysteme und für die biologische Vielfalt darstellen, unterstreichen einmal mehr die jüngsten Forschungsergebnisse aus Brasilien. Dort sind gentechnisch veränderte Zebrafische, die dank Quallen- und Korallengene grün, rosa oder blau leuchten, aus Fischfarmen entkommen und vermehren sich nun in den Fliessgewässern des Atlantischen Waldes. 

Die unter dem Markennamen GloFish® verkauften Fische sind noch vor dem Aufkommen der Genomeditierung entwickelt worden. Anfänglich nur zu Forschungszwecken entwickelt, erkannten Unternehmen um die Jahrtausendwende das Marktpotenzial der leuchtenden Fische, weshalb sie zur weltweit ersten im Handel erhältlichen gentechnisch veränderten Tierart wurden. 

In Europa sind transgene Fische für den Verkauf zwar nicht zugelassen, doch in den meisten USA-Bundesstaaten sowie in Kanada dürfen sie trotz frühen Warnungen aus Umweltschutzkreisen frei verkauft werden. Brasilien hat den Verkauf der leuchtenden Aquarienfische zwar verboten, aber anscheinend ohne grosse Wirkung. Denn lokale brasilianische Farmen züchten sie trotzdem weiter und Geschäfte im ganzen Land bieten sie für Aquaristen an. 

Die Folge: Das Szenario, vor dem Ökologen in Kanada gewarnt hatten, hat sich nun in Brasilien bewahrheitet. Die ersten GV-Leuchtfische wurden erstmals 2015 im Flussbecken des Paraíba do Sul gesichtet. Wahrscheinlich entkamen sie aus einigen der 4500 Teiche des grössten Aquakulturzentrums Lateinamerikas, welches am Fluss liegt und regelmässig Wasser in den angrenzenden Gewässern ablässt. Seitdem wurden Leuchtfischgruppen in Teichen und Bächen im Süden und Nordosten Brasiliens gesichtet – berichtet die Fachzeitschrift Science

Die ökologischen Auswirkungen des Auftauchens der aus Asien stammenden, gebietsfremden und gentechnisch manipulierten Art in natürlichen Gewässern sind unvorhersehbar. Da die Zebrafische in Brasiliens Gewässern keine lokalen Fressfeinde haben, können sie gut gedeihen und tauchen in immer mehr Fliessgewässern auf. Laut Experten vermehren sich die GV-Neuankömmlinge das ganze Jahr über. Zudem werden sie früher geschlechtsreif als ihre Vorfahren, können sich stärker vermehren und möglicherweise auch schneller verbreiten. Es ist also durchaus Potenzial zur Invasivität vorhanden.

Biologen befürchten, dass die gentechnisch veränderten Fische die lokale Fauna in einem der artenreichsten Gebiete der Erde bedrohen könnten. Nicht nur könnten sie mit den einheimischen Arten um Nahrung konkurrieren und sie verdrängen, auch könnten die gentechnisch eingefügten Fluoreszenzgene an einheimische Arten weitergegeben werden. 

Bei gentechnisch veränderten Pflanzen – etwa bei gentechnisch verändertem Raps – ist dieses Szenario keine Seltenheit. 

Die Biodiversität ist eine Ressource, die wir nur schlecht kennen. Die genetische Vielfalt der Pflanzen und Tiere gilt als Grundlage für die Züchtung und für die Entwicklung spezifischer Produkte. Schwindet sie, verschwindet mit ihr auch unbekanntes und unausgeschöpftes Potenzial für die menschliche Ernährung oder die Humanmedizin.

In naturnahen Zonen sowie im landwirtschaftlichen Kulturland leidet die natürliche Vielfalt weltweit bereits stark unter den Folgen menschlicher Tätigkeiten: durch Einsatz giftiger Chemikalien, eingeschleppte, invasiv werdende Arten oder herbizidresistente Superunkräuter, um nur einige Beispiele zu nennen. Mit oder ohne artfremde Gene – die vorschnelle Freisetzung gentechnisch veränderter Arten bedroht diese wichtige natürliche Ressource zusätzlich, da niemand vorhersagen kann, wie diese Arten mit den anderen Elementen des Ökosystems interagieren und sich auf dieses auswirken werden. Experimente – im Labor oder solche unter streng kontrollierten, standardmässig eingestellten Bedingungen – lassen leider keine genauen Prognosen darüber zu, ob sie sich nicht in eine unerwünschte Richtung entwickeln werden.