BFN
Das deutsche Bundesamt für Naturschutz warnt davor, die Risiken der Neuen Gentechnik zu verharmlosen. Eine widerstandsfähige Landwirtschaft könne am besten durch eine Änderung der Anbausysteme erreicht werden. Bild: Clipdealer

Die Entwicklung neuer Gentechnik (NGT) wird oft mit der Verwirklichung einer nachhaltigen Landwirtschaft gleichgesetzt. Dank neuen genomeditierten Pflanzensorten sollen in kürzester Zeit Nachhaltigkeitsziele erreicht werden können. «Diese Annahme wird jedoch nicht durch wissenschaftliche Analysen gestützt. Derzeit stehen nur wenige NGT-basierte Pflanzen vor der Markteinführung. Darüber hinaus bleibt unsicher, inwieweit neue, durch NGTs entwickelte Pflanzensorten tatsächlich zur Ernährungssicherheit, zum Erhalt der biologischen Vielfalt oder zur Anpassung der Landwirtschaft an den Klimawandel beitragen können.»

Dies ist das Fazit der Stellungnahme des deutschen Bundesamtes für Naturschutz (BfN) zu den Regulierungsabsichten der EU-Kommission für die neuen Gentechnikverfahren. Die Herausforderungen seien komplex und vielschichtig. «NGT-basierte Pflanzen, die für diese Zwecke entwickelt werden, müssen oft auf mehrere Umweltreize gleichzeitig reagieren können. Merkmale wie abiotische Stresstoleranzen sind in sich aber bereits sehr komplex und befinden sich daher meist noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium.» Eine widerstandsfähige und nachhaltige Landwirtschaft könne derzeit wohl am besten durch eine Änderung der landwirtschaftlichen Praxis und Anbausysteme erreicht werden.

Das BfN warnt davor, die Risiken der Neuen Gentechnik zu verharmlosen. Genomeditierte Pflanzen könnten ein ähnliches oder sogar grösseres Risikopotenzial als Pflanzen aus alter Gentechnik aufweisen. Nur eine Einzelfallprüfung, wie sie im geltenden Gentechnikrecht der EU vorgesehen ist, kann laut BfN ein genügend hohes Sicherheitsniveau gewährleisten. Dies besonders, da es kaum oder keine Erfahrung bezüglich Freisetzung oder Verwendung genomeditierter Pflanze gibt.

Natürlichkeit und Ähnlichkeit mit der Züchtung sei nicht gleichbedeutend mit Sicherheit. Auch kleine Veränderungen können grosse Auswirkungen haben: Auf der Ebene des Stoffwechsels, der Eigenschaften und auf der Ebene der aufnehmenden Umwelt, schreibt das BfN. «Generell macht die Genomeditierung im Gegensatz zur Züchtung das gesamte Genom für Veränderungen zugänglich. Im Gegenzug bedeutet dies aber auch, dass die gerichtete Mutagenese die Eingriffstiefe erhöhen kann und somit nicht mit der konventionellen Züchtung einschliesslich der Zufallsmutagenese vergleichbar ist.» Risiken können sich sowohl aus den beabsichtigten als auch aus den unbeabsichtigten Eigenschaften ergeben. So könnte eine Trockentoleranz die Invasivität der Pflanzen verändern und diese somit bei einer Freisetzung in offene Systeme eine Gefahr für empfindliche Pflanzengemeinschaften darstellen, z. B. an trockenen und ökologisch wertvollen Standorten. Negative Auswirkungen können sowohl durch eingeführte Merkmale als auch durch unbeabsichtigte Veränderungen entstehen. Einige Eigenschaften wie Herbizid- und Insektenresistenzen in Pflanzen haben sich zudem in der Vergangenheit als nicht nachhaltig erwiesen. Daher kommt das BfN zum Schluss, dass Pflanzen, die sowohl durch gerichtete Mutagenese als auch durch Cisgenese erzeugt wurden, ein ähnliches, wenn nicht sogar grösseres Risikopotenzial aufweisen als die bisher durch Gentechnik erzeugten Pflanzen. Gemäss BfN gibt es wissenschaftlicher Sicht keinen Anhaltspunkt, bestimmte Merkmale als weniger risikoreich einzustufen: „Anzahl und Art der gentechnischen Veränderungen lassen per se keine Rückschlüsse auf die Sicherheit einer einzelnen Pflanzensorte zu. Nur eine Einzelfallanalyse, wie sie im Rahmen der geltenden Gesetzgebung durchgeführt wird, kann ein hohes Sicherheitsniveau gewährleisten.“ Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt auch eine im Juli erschienene Publikation von Expert:innen verschiedener europäischer Umweltbehörden.

Das geltende Gentechnikrecht, das bisweilen von bestimmten Interessengruppen aus Industrie und Forschung als veraltet dargestellt wird, ist nach Einschätzung des Bundesamtes für Naturschutz nach wie vor sinnvoll, da es unterschiedliche Risikoprofile auf Basis einer Einzelfallprüfung berücksichtigt. Hervorzuheben sei auch, so das BFN, dass das Gentechnikrecht der einzige geeignete Rechtsrahmen sei, um die spezifischen Gefahren zu behandeln, die sich aus der Freisetzung und dem Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen ergeben. Andere Rechtsrahmen, wie beispielsweise das europäische Saatgutrecht, das Lebensmittel- und Futtermittelrecht sowie das Pflanzenschutz- und Sortenschutzrecht, dienten anderen Zwecken, so dass eine Integration von Regelungen zu GVO innerhalb dieser Systeme weder aus wissenschaftlicher noch aus rechtlicher Sicht sinnvoll sei.