genedrivenewsDas Video der SAG und SWISSAID über die Risiken von Genedrives. Quelle: SWISSAID/Youtube

"Gene Drives" sollten mit grösster Vorsicht behandelt werden, fordern internationale Wissenschaftler in einem umfassenden Bericht, der am 24. Mai in Bern vorgestellt wurde. Dieses neue Verfahren der Biotechnologie sei wegen gravierenden Unsicherheiten auf wissenschaftlicher, technischer und praktischer Ebene und aufgrund ihrer Funktionsweise nicht einsatzfähig, folgern die Studienautoren.

Die Verwirklichung der mutagenen Kettenreaktion namens Gene Drives wurde erst durch die Entdeckung der Genschere CRISPR/Cas möglich. Die Technologie kann gentechnisch veränderte Gene rasch in Wildpopulationen verbreiten, indem sie die klassischen Vererbungsregeln ausser Kraft setzt. Obwohl die Gene-Drives-Methode erst im Labor existiert, werden in den Medien und in wissenschaftlichen Publikationen schon heute grosse Versprechungen gemacht, was sie leisten könnte. Die Erwartungen in der Öffentlichkeit wie auch bei Geldgebern sind entsprechend hoch.

Die meisten Gene Drives sind für die Freisetzung in der Natur bestimmt. Doch ihre Wirkung auf die Ökosysteme ist unbekannt, irreversibel und macht nicht vor nationale Grenzen halt. "Die bestehenden Biosicherheitsregulierungen sind unzureichend und nicht vollständig ausgestattet, um die einzigartigen Risiken von Gene Drives zu bewältigen", sagt Lim Li Ching, Expertin für internationale Regulierungen und einer der Autoren der Studie. Solange es keine wirksame, rechtsverbindliche internationale Regelung und kein echtes öffentliches Engagement gibt, sollten keine Gene Drives freigesetzt werden, empfiehlt die Studie.

Gene Drives sind auch im Bezug auf ethischen Fragestellungen mit grossen Herausforderungen verknüpft. Der ethische Diskurs soll sich nicht nur mit der Technologie selbst, sondern auch mit der ganzen Brandbreite alternativer Lösungsansätze befassen. Anstatt bei Problemen mit invasiven Arten oder der Ausbreitung von Krankheiten wie Malaria ausschliesslich/überwiegend auf Gene Drive zu setzten, sollten alle verfügbaren Lösungsansätze gegeneinander abgewogen werden, fordern Swissaid und die SAG. Denn oft sind andere, nachhaltigere und weniger riskante Lösungen bereits verfügbar oder stehen kurz davor. Ihnen fehlen aber möglicherweise die politische Unterstützung oder die Mittel, die für ihre Entwicklung und Anwendung benötigt werden. Öffentliches Interesse, nicht privates Interesse, sollte die Entwicklung der Gene steuern. Darüber hinaus erfordert die Verwendung von Gene Drives für schädliche oder militärische Anwendungen dringend öffentliche Aufmerksamkeit, heisst es in der Studie weiter.

Die Studie wurde von drei wissenschaftlichen Organisationen veröffentlicht: Critical Scientists Switzerland (CSS), European Network of Scientists for Social and Environmental Responsibility (ENSSER) und Federation of German Scientists (FGS/VDW). Experten aus den Bereichen Live Sciences, Umwelt- und Agrarwissenschaften, Philosophie und Recht haben aktuelles Wissen über Stand der Wissenschaft, Anwendungen, soziale Aspekte, Ethik und Regulierung von Gene Drives zusammengetragen.