Die Top 10 der Agrarchemie. Bild: Konzernatlas
Immer weniger Konzerne bestimmen weltweit über einen immer höheren Anteil der Lebensmittelerzeugung und Ernährung. Zum Nachteil von Kleinbäuerinnen und -bauern sowie der regionalen Lebensmittelversorgung. Das zeigt der "Konzernatlas 2017", eine Zusammenstellung von Fakten und Grafiken zur Agrarindustrie. Die Herausgeber - Heinrich-Böll-Stiftung, Rosa-Luxemburg-Stiftung, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Oxfam Deutschland, Germanwatch und Le Monde Diplomatique - warnen davor, dass die laufenden Konzentrationsprozesse im Agrarsektor die 2015 beschlossenen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen gefährden. Sie fordern stärkere Kontrollen im Agrar- und Ernährungsbereich. Der Wert der Fusionen von Unternehmen in der Agrar- und Lebensmittelindustrie im Jahr 2015 lag mit 347 Milliarden Dollar fünf Mal höher als derjenige im Pharma- oder im Ölsektor. Inzwischen kontrollieren lediglich vier Großkonzerne rund 70 Prozent des Welthandels mit Agrarrohstoffen.
Drei Konzerne dominieren 50 Prozent des Weltmarkts für Landtechnik. Kommen die weiteren derzeit geplanten Mega-Fusionen zustande, würden nur drei Konzerne mehr als 60 Prozent des globalen Marktes für kommerzielles Saatgut und für Pestizide beherrschen.
Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, sagte anlässlich der Präsentation des Konzernatlas: "Höfesterben, Landkonzentration, Patente und Monokulturen - das sind die Folgen der Konzernmacht im Ernährungssektor. Sie schafft massive Abhängigkeit für Bauern und Bäuerinnen und Konsumenten und Konsumentinnen von Konzernentscheidungen.“ Die Vielfalt für Ernährung und Natur bleibe dabei auf der Strecke. Gleichzeitig werde Kritik an dieser fehlgeleiteten Landwirtschaft unterdrückt und eine demokratische Teilhabe ausgeschaltet.
Der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger warnte vor einer weiteren Konzentration im Agrarsektor. Die wachsende Marktmacht einiger weniger Großunternehmen gefährde eine bäuerliche, sozial und ökologisch ausgerichtete Landwirtschaft.: "Die geplante Übernahme des Saatgut- und Gentechnikkonzerns Monsanto durch Bayer würde einen neuen gigantischen Agrarkonzern hervorbringen.“ Dieser neue Riese würde ein Drittel des weltweiten Marktes für kommerzielles Saatgut und ein Viertel des Marktes für Pestizide dominieren und so die Art und Weise bestimmen, wie auf den Äckern gewirtschaftet werde.
Der Konzernatlas zeigt eindrücklich die weltweite Dominanz von Großkonzernen und die daraus resultierende Ungerechtigkeit und globale Ungleichheit, auch im globalen Handel mit Nahrungsmitteln. Die Preispolitik der Konzerne drückt zudem auch die Standards in der Produktion. Arbeit unter Pestizidregen auf Bananenplantagen oder Hungerlöhne für Teepflückerinnen seien auch dort verbreitet, wo für den Export nach Europa geschuftet werde.
Marion Lieser, Geschäftsführerin von Oxfam Deutschland sagte: "Bauern und Bäuerinnen sind die schwächsten Glieder in der Lieferkette. Das, was vom Verkaufserlös bei ihnen ankommt, ist in den vergangenen Jahrzehnten stark zurückgegangen.“ Der Konzernatlas soll für Politiker und Politikerinnen ein Anstoss sein, die Fusionskontrolle zu verschärfen und den Missbrauch der Marktmacht einzudämmen. Unternehmen müssen verpflichtet werden, ökologische und soziale Mindeststandards entlang der Lieferkette durchzusetzen und Menschenrechte konsequent einzuhalten.
Die Entwicklungsorganisation Germanwatch betonte, dass es durchaus Alternativen zur wachsenden Konzernmacht gebe. Mehr als zehn Millionen Kleinbetriebe weltweit bauen Reis nach agrarökologischen Methoden an und steigern so ihre Erträge, ohne von Konzernsaatgut oder -dünger abhängig zu werden.
- Externer Link: Konzernatlas 2017