Der Ständerat schafft mit seinem Entscheid immense Rechtsunsicherheit. Es war äusserst knapp. Der Präsident gab den Stichentscheid.
Der Ständerat folgt seiner Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK-SR) und stimmt für eine Abschwächung des Anbaumoratorium für gentechnisch veränderte Pflanzen. Gentechnisch veränderte Pflanzen, denen kein transgenes Erbmaterial eingefügt wurde, sollen nicht dem Moratorium unterstellt werden. Die Schweizer Allianz Gentechfrei und die Kleinbauern-Vereinigung bedauern diese Abschwächung, die zu einer immensen Rechtsunsicherheit für Produzent:innen sowie Konsument:innen führt. Ende September hatte sich der Nationalrat für eine Verlängerung des Anbaumoratoriums für weitere vier Jahre ausgesprochen.
Die Verlängerung des Moratoriums hat der Nationalrat mit konkreten Aufgaben an die Behörden verbunden. Insbesondere sollte während der Zeit des Moratoriums geklärt werden, welche Kosten in der Schweiz beim Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen entstehen und wer im Falle einer Verunreinigung durch gentechnisch veränderte Pflanzen haftet. Dringend beantwortet werden müssen auch die Fragen, wie die Wahlfreiheit der Konsumierenden sowie der Landwirtschaftsbetriebe weiterhin gewährleistet werden kann und wie die Risiken der neuen gentechnischen Verfahren zu bewerten sind. Dazu ist ein bereits ein Postulat hängig, das im Dezember 2020 vom Nationalrat angenommen wurde. Dieses fordert zudem, dass Kriterien zu den verschiedenen Verfahren und zum Geltungsbereich des Gentechnikgesetzes erarbeitet werden.
Bevor diese Fragen geklärt sind, ist eine vorschnelle Öffnung des Gentechnikgesetzes unverantwortlich. Der Entscheid des Ständerates, die neuen Gentechnikverfahren vom Moratorium auszunehmen, schafft eine immense Rechtsunsicherheit. Dies gefährdet die Existenz aller Branchen, die auf gentechnikfreie Produktion fokussieren ebenso wie die gentechnikfreie Produktion als Alleinstellungsmerkmal der Schweizer Qualitätsproduktion. Völlig unverständlich ist der Entscheid zudem, weil er weder mit der Gesetzgebung der EU noch dem Schweizer Gentechnikgesetz vereinbar ist, welches vorschreibt, dass der Schutz der gentechnikfreien Landwirtschaft gewährleistet sein muss. Doch die Haftungsfrage und die Regulierung der Koexistenz, die im Fall von Kontaminationen für die gentechfreie Landwirtschaft zentral wären, sind ungeklärt.
Angesichts der Tatsache, dass bis heute keine marktreifen Produkte mit einem Nutzen für Klima, Konsumierende oder die Produzierenden vorhanden sind, ist das Vorpreschen des Ständerates unverständlich. Der Entscheid widerspricht jeglicher Vernunft, denn die vorgeschlagene Deregulierung führt zu Intransparenz und unverantwortbaren Risiken. Die Schweizer Konsumierenden haben sich auch in den neusten Meinungsumfragen sehr deutlich gegen Gentechnik in der Ernährung ausgesprochen. Auch die Produzierenden, die durch die Kleinbauern-Vereinigung und den Schweizer Bauernverband vertreten sind, haben sich klar gegen den Einsatz dieser Gentechnikverfahren positioniert. Die Unsicherheiten, welche mit dem Entscheid des Ständerates geschaffen werden, könnten ihr Vertrauen in die Qualität der Schweizer Landwirtschaft stark gefährden. Um dies zu vermeiden, appellieren die Schweizer Allianz Gentechfrei und die Kleinbauern-Vereinigung an die Weitsicht der Entscheidungsträger:innen und hoffen, dass der Nationalrat, der sich nun im Frühjahr nochmals mit diesem Geschäft befassen muss, seine Beschluss aufrecht erhält und nicht dem Ständerat folgt.