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Bild: news.medill.northwestern.edu


Seit Jahren wächst die Zahl der gentechnisch veränderten Mäuse, Ratten und anderen Tieren, die in der medizinischen Grundlagenforschung als Krankheitsmodelle eingesetzt werden. Alzheimer-Mäuse, Fettleibigkeits-Nager und Diabetes-Ratten – unzählige menschliche Krankheiten werden an gentechnisch veränderten Tieren studiert. Ein Überblick zum weltweiten Einsatz von transgenen Tieren in der Medizin ist nicht mehr möglich. Die Fachzeitschriften sind voll von Publikationen mit transgenen Tiermodellen. Viele der Studien widmen sich ganz spezifischen Fragestellungen und können nur noch von Spezialisten gelesen werden. Es gibt kaum noch Reviewartikel, die versuchen, eine Übersicht zu dieser Forschung zu leisten.

Die SAG lehnt im Grundsatz den gentechnischen Eingriff an Tieren ab. Die Gen-Schutz-lnitiative der SAG verlangte unter anderem ein Verbot transgener Tiere und wurde 1998 von der Bevölkerung mit einer zweidrittel Mehrheit abgelehnt. Im Gen-Lex-Verfahren setzte sich die SAG im Sinne eines Kompromisses für einen restriktiven Umgang mit der Gentechnik an Tieren in der Medizin ein und forderte eine starke Gewichtung der Würde der Kreatur. Seit der Inkraftsetzung des Gentechnikgesetzes beobachtet die SAG die Entwicklung der Gentechnik an Tieren kritisch und setzt sich dafür ein, dass unzulässige Anwendungen (z.B. Schweregrad 3) verboten werden und in den anderen Fällen der Würde der Kreatur (Interessenabwägung nach GTG Artikel 8) in hohem Masse Rechnung getragen wird.

Transgene Tiere als Krankheitsmodelle

Entwicklungsbiologische Erkenntnisse und Studium schwerer Krankheitsbilder des Menschen sind die häufigsten Begründungen für Projekte mit transgenen Tieren in der Medizin. Beim Menschen sind über 3000 genetische Erkrankungen bekannt. Die medizinische Forschung hofft, anhand der Tiermodelle die genetischen Ursachen der Krankheiten zu entdecken und mit diesen Erkenntnissen Therapien entwickeln zu können. Transgene Tiermodelle widerspiegeln aber nur sehr bedingt das Krankheitsbild des Menschen und bleiben deshalb ein reduktionistisches Mittel für die Medizin. Eine nähere Analyse einzelner Forschungsprojekte zeigt in gewissen Fällen, dass den Tieren unter Umständen ein unheilvolles Dasein technisch aufgezwungen wird. Gewisse Manipulationen führen zum frühen Tod, schon in der Embryogenese, bei der Geburt oder nach wenigen qualvollen Tagen der experimentellen Beobachtung. Ein Teil der transgenen Tiere bildet schwere Anomalien an Skelett oder Organen aus. Und in der Logik der transgenen Tiere als Krankheitsmodelle entwickeln die Tiere schwere Krankheitsbilder des Menschen, an denen sie sodann auch nach einer sehr kurzen Lebensphase zugrunde gehen.

Statistik transgene Tiere in der Schweiz

In der Schweiz werden seit 1992 transgene Tiere statistisch erfasst. Die Anzahl der Projekte in der Schweiz, bei denen gentechnisch veränderte Tiere hergestellt oder in Versuchen eingesetzt werden, steigt seit 1992 an.

Transgene Tiere in der Medizin weltweit

Am Beispiel von Firmen, die transgene Tiere für die Forschung in der Medizin kommerziell anbieten, kann ein Eindruck über die weltweite Verwendung transgener Tiere gewonnen werden. Das Angebot beispielsweise des Jackson Laboratory zeigt, welch riesiges Sortiment von transgenen Mäusen (3'700 Mauslinien, jedes Jahr 600 neue Linien) von einer einzigen Firma angeboten wird. Die Verkaufsangaben – 20’000 Laboratorien in 56 Ländern – lässt am Beispiel dieser Firma erahnen, in welchem Ausmass medizinische Forschung mit transgenen Tiermodellen betrieben wird.

Januar 2012

Die Europäische Kommission hat eine neue Strategie für ein umfassendes Tierschutzrecht in der EU verabschiedet. Damit soll auch verhindert werden, dass die Mitgliedstaaten, in denen laxe Vorschriften gelten, Wettbewerbsvorteile haben.

November 2011

In Deutschland wurden im Jahr 2010 rund 2,9 Millionen Wirbeltiere für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke eingesetzt. Nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft könne auf Tierversuche trotz des vermehrten Einsatzes von Alternativmethoden noch nicht verzichtet werden.

März 2010

Für Tiere werden zahlreiche gentechnische Verfahren international und mit grossem Forschungsaufwand entwickelt. Die Verfahren werden in vielfältigen Anwendungsbereichen der modernen Biotechnologie verwendet.

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Bild: www.lid.ch


Mittels Gentechnik können Tiere und Pflanzen nach menschlichem Ermessen genetisch programmiert werden. Der Mensch erzwingt mittels gentechnischer Eingriffe, das was durch natürliche Vorgänge im Tier- und Pflanzenreich nicht entstehen kann. Die neue Dimension der Eingriffstiefe verlangt nach neuen ethischen Massstäben. Denn je aggressiver und folgeschwerer Eingriffe in Tiere und Pflanzen sind, desto stärker müssen die Rechtfertigungsansprüche ausfallen.

Weltweit gesteht einzig die Schweizer Bundesverfassung Tieren und Pflanzen Würde zu. Mit dieser ausdrücklichen Anerkennung der kreatürlichen Würde durch die Bundesverfassung wird die dem eidgenössischen Tierschutzgesetz zugrunde liegende Tierschutzethik oder Ethik der Mitgeschöpflichkeit weiterentwickelt. Die Tierschutzethik verlangt eine definitive Abkehr vom anthropozentrischen Tierschutz, nach welchem Tiere nur insoweit zu schützen sind, als es dem Menschen nützt. Der Grundsatz der «Würde der Kreatur» unterstreicht demgegenüber die Erkenntnis, das Tiere um ihrer selbst willen zu schützen sind (sog. «Selbstzwecklichkeit»). Die Würde eines Tieres hängt demnach nicht vom Grad seiner Nähe zum Menschen ab, sondern besteht gerade darin, Tier einer bestimmten Art zu sein und bleiben zu dürfen.

Die gesetzliche Norm der Würde der Kreatur

Der Gesetzgeber führte auf Gesetzesstufe eine Interessensabwägung für die Gewichtung der Würde der Kreatur ein (Gentechnikgesetz Artikel 8). In die Waagschale der Interessen des Menschen werden gemäss Artikel 8 Absatz 2 insbesondere folgende Kriterien gelegt:
a. die Gesundheit von Mensch und Tier;
b. die Sicherung einer ausreichenden Ernährung;
c. die Verminderung ökologischer Beeinträchtigungen;
d. die Erhaltung und Verbesserung ökologischer Lebensbedingungen;
e. ein wesentlicher Nutzen für die Gesellschaft auf wirtschaftlicher, sozialer oder ökologischer Ebene;
f. die Wissensvermehrung.


Ob die Würde der Kreatur missachtet ist, wird im Einzelfall anhand einer Abwägung zwischen der Schwere der Beeinträchtigung von Tieren und Pflanzen und der Bedeutung der sechs schutzwürdigen Interessen in Absatz 2 beurteilt. Nach GTG Artikel 8 Absatz 3 bestimmt der Bundesrat, unter welchen Voraussetzungen gentechnische Veränderungen des Erbmaterials von Tieren ohne Interessensabwägung im Einzelfall ausnahmsweise zulässig sind.
Es wird somit Aufgabe des Bundesrates sein, zu prüfen, ob Einzelfälle einer gentechnischen Veränderung des Erbmaterials von Tieren nach einer Interessensabwägung verlangen und ob der Einzelfall in dieser Abwägung zu keiner Missachtung der Würde des Tieres führt.

Würde der Tiere

Tiere haben ein reges inneres Leben. Sie erleben Lust, Schmerz, Triebe und Wohlbefinden. Sie bilden Herden, Blutsbanden oder Sippen. Sie entfalten einen Instinkt, um ihr Sein und ihre Art zu erfüllen und zu erhalten. Ihr Instinkt ist geradezu sprichwörtlich und übersteigt oft menschliche Fähigkeiten. Tiere haben damit zweifellos eine kreatürliche Würde, die das Anrecht hat, geschützt zu sein. Nicht allein menschliches, sondern auch tierisches Leben verdient Wertschätzung und Respekt.

Die Genmanipulation an Tieren hat unkontrollierte Dimensionen angenommen. Im Visier der Gentechnologen stehen Nutztiere in der Landwirtschaft, Nutztiere zur Pharmaproduktion, Versuchstiere zur medizinischen Forschung sowie Schweine oder Affen zur Organtransplantation auf den Menschen. In allen Bereichen ist eine rasante Entwicklung zu beobachten. Der gentechnische Eingriff an Tieren ist nicht bloss die Fortsetzung traditioneller Züchtung. Er kann viel gezielter, viel rascher und vor allem in viel grösserem Umfang erfolgen als mit herkömmlichen Züchtungsmethoden. Durch die Genmanipulation lassen sich die Grenzen der Arten überspringen.

Im Umgang mit Tieren hat die EKAH zusammen mit der Eidgenössischen Kommission für Tierversuche je eine Broschüre zum Aspekt der Würde der Kreatur im Tierschutzgesetz und zur Forschung an Primaten veröffentlicht.

Würde der Pflanzen

In vielem sind Pflanzen den Tieren sehr ähnlich. So haben sie gleich viele, oft sogar mehr Gene als Tiere oder als der Mensch. Auch die Kommunikation von Zellen untereinander ist bei Pflanzen und bei Tieren verblüffend ähnlich. In vielem sind Pflanzen aber radikal anders als Tiere: Sie sind sesshaft und sie haben kein Gehirn. Sie entwickeln sich auch ganz anders als Tiere: Sie fügen ständig neue Teile hinzu und werfen alte ab, zum Beispiel Blätter oder Wurzeln. Einem Baum kann man einen Ast abschneiden und er wächst nach, einem Tier kann man kein Bein ausreissen und dabei denken, dass es nachwächst. Das sind grundlegende Unterschiede im Wachstum und in der Entwicklung. Die Komplexität des Organismus und seine unergründliche Funktionsweise sind aber Tier und Pflanze gemeinsam.

Die in der Bundesverfassung verankerte Achtung der Würde der Kreatur gilt auch für Pflanzen. Die Schweiz ist europaweit das einzige Land mit einer solchen Verfassungsnorm zur Würde der Pflanze. Vermieden werden sollte der willkürliche Umgang mit der Pflanze. Pflanzen sind als Individuen und Arten in sich vollendete natürliche Gegebenheiten von einmaliger Gegebenheit. Wir erkennen, dass sie nicht allein für Menschen und Tiere, sondern auch um ihrer selbst willen sind. Sie haben auch Zwecke in sich selbst, in ihrer Vollendetheit und Schönheit. Bei der Pflanze bezieht sich die Würde wesentlich auf die in sich ruhende und in sich bewegte Erscheinungsform, welche die Natur aus sich selbst hervorgebracht hat. Eigenwert, Entelechie, innere Zweckmässigkeit, Selbstzwecklichkeit, Selbstgenügsamkeit (Autarkie) und Schönheit umschreiben die Würde der Pflanze. Um diese Kategorien geht es, wenn es die Würde der Pflanze zu beachten gilt.

Ein Bericht der EKAH zur Würde von Pflanzen wurde im April 2008 veröffentlicht. Zudem wurden die Auswirkungen der «Terminator-Technologie» auf die Landwirtschaft und die Würde der Kreatur bei Pflanzen diskutiert.

Rheinauer Thesen I

Was ist eine Pflanze? Haben Pflanzen Rechte? Um diese Fragen geht es bei den „Rheinauer Thesen zu Rechten von Pflanzen“. Während 2 Jahren versuchten BiologInnen, Botaniker, Bauern, Pflanzenzüchter und PhilosophInnen sich der Pflanze von verschiedenen Seiten her anzunähern. Aus dem neu entstandenen Bild der Pflanze heraus legten sie Grenzen gegen deren totale Instrumentalisierung fest und formulierten Thesen für unser Verhalten gegenüber Pflanzen.

Rheinauer Thesen II (Züchtung als Gespräch)

Die Rheinauer Thesen II setzen sich mit dem Thema Züchtung auseinander. Es wurden grundlegende Fragen diskutiert, die den Umgang mit Pflanzen und Tieren in der Züchtung betreffen, wie etwa:
•    In welcher Beziehung stehen Tier/Pflanze und Mensch im Züchtungsprozess?
•    Besteht der Züchtungsprozess nur aus technischen Details (z. B. Erhebungen zu Ertragshöhe, Resistenzen etc.)? Entsteht nicht vielmehr eine Art Gespräch zwischen Züchter und Pflanze?
•    Welche Faktoren wirken sich auf die Entwicklung von Tieren/Pflanzen aus? Sind es nur die Gene? Welche Rolle spielen die natürliche und die kulturelle Umwelt?

PDF: Rheinauer Thesen II