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Der Fakt, dass die Agrarindustrie die neue Gentechnik als Lösung für die negativen Umwelt- und Klimaauswirkungen der Nahrungsmittelproduktion auftischt, weil sie darin neues Marktpotenzial sieht, ist uns langsam vertraut. Nun bekommen die neusten Gentechnikverfahren Verstärkung: die Nanotechnologie soll die gentechnische Veränderung von Pflanzen revolutionieren. Dies zeigen Wiener Forscher in einem Überblicksartikel in der Fachzeitschrift „Nature Food“. Für die Industrie besonders interessant: die Technologie soll gentechnisch hergestellten Pflanzen und Pflanzenschutzmitteln mehr Akzeptanz verschaffen und eine erleichterte Zulassung ermöglichen. Einmal mehr wird versucht, die bestehenden Gentechnik-Regelungen zu umgehen.
Laut Thilo Hofmann vom Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaften der Universität Wien soll die Nanotechnologie die Landwirtschaft bald umweltfreundlicher machen. So könnten etwa in Nanokapseln verpackte Dünge- und Schädlingsbekämpfungsmittel dafür sorgen, dass diese die Zielpflanzen besser erreichen. Damit soll die Menge der beim Anbau benötigten Chemikalien reduziert werden. Die Technologie wird bereits im Feld getestet. Den gezielteren Einsatz von Düngemitteln aber auch von Wasser könnten zudem in die Pflanze eingebrachte Nanosensoren fördern, welche mit elektronischen Geräten kommunizieren. Diese sollen stressbedingt freigesetzte, flüchtige Botenstoffe erkennen und dessen Präsenz signalisieren.
Bei den gentechnischen Verfahren soll Nanotechnologie das Einschleusen der Biomoleküle, wie zum Beispiel des CRISPR/Cas9 Konstrukts erleichtern. Wegen der dicken Zellwand ist dieser Prozess relativ aufwändig: dazu muss man die Zellen entweder mithilfe einer Partikelkanone mit DNA-beschichteten Metallpartikeln bombardieren oder Viren bzw. Bakterien als Übertragungsvektor benutzen. Nanokapseln (sog. Nanocarrier) könnten diese Methoden ersetzen, wie die Autoren schreiben: „Diese nanobasierten nicht-GVO sind erstrebenswert, da die Behörden genomeditierte Pflanzen als GVOs regulieren können. Die Verwendung von Nanocarriern bei der Genomeditierung stellt daher eines der grössten Potenziale dar, die Landwirtschaft nachhaltiger zu gestalten.“ Eine Argumentation, die bedenklich hinkt. Auch wenn keine fremden Gene wie zum Beispiel Bakterien-Plasmide zum Einsatz kommen, wird das Erbgut durch einen nicht natürlichen Mechanismus verändert – laut dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes und laut Gentechnikgesetz handelt es sich also doch um GVO. Es lässt sich zudem bezweifeln, ob durch Nanocarrier verschlimmbesserte GVO tatsächlich den besten Weg zu nachhaltigeren Pflanzenanbausystemen darstellen. Denn: solche Lösungen sind weiterhin für das gleiche intensive Anbausystem konzipiert – an der Ausgangslage ändert sich also nichts. Dabei haben internationale Organisationen wie die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO die Notwendigkeit eines Systemwechsels längst erkannt und unterstützen bereits bewährte agrarökologische Ansätze mit wenig neuen Risiken. Zudem handelt es sich sowohl bei der Genomeditierung als auch bei dem Einsatz der Nanotechnologie in diesem Bereich um neue Methoden, deren Risiken und Langzeitauswirkungen auf die Pflanze selbst und auf die Umwelt noch nicht genau erforscht sind. Was die Risiken der kombinierten Anwendung anbelangt, ähneln diese einer Gleichung mit vielen Unbekannten. Diese Art der gentechnischen Veränderung von Pflanzen mithilfe der Nanotechnologie steckt erst im Laborstadium.
Deutlich weiter fortgeschritten sind die Nanotech-Experimente mit den sogenannten RNA-Sprays. Diese basieren auf doppelsträngiger Ribonukleinsäure (dsRNA), welche von Schädlingen beim Fressen und Saugen aufgenommen wird. Solche dsRNA löst einen Mechanismus aus, der zur Stilllegung der Gene führt, deren Basenabfolge mit der dsRNA übereinstimmt. Biotechnologen können also die dsRNA so aufbauen, dass sie den lebenswichtigen Genen der Schädlinge entspricht, um diese zu bekämpfen. DsRNA kann man durch gentechnisch veränderte transgene Pflanzen im Feld herstellen lassen. Allerdings werden solche Pflanzen, wie die Autoren betonen, von der Bevölkerung weitgehend abgelehnt. Von spraybaren Präparaten, welche direkt auf die Pflanze gesprüht werden könnten, erhoffen sie mehr Akzeptanz. Doch einmal ausgesprüht, verlieren diese Präparate sehr schnell ihre Wirkung. Um ihre Lebensdauer zu erhöhen, arbeiten die Forscher daran, die dsRNA in Nanopartikeln einzupacken. Die ersten Zulassungsanträge für dsRNA-Sprays sind schon auf dem Weg – etwa für einen Spray gegen den Kartoffelkäfer in den USA. Die Herstellerfirmen lassen die möglichen Risiken der RNA-Sprays gerne als vernachlässigbar erscheinen, um deren Zulassung zu erleichtern. Auch die Überblicksstudie redet von einer „geringen Wahrscheinlichkeit schädlicher Auswirkungen bei Nicht-Zielarten und Menschen“ – doch bezüglich solcher Nebenwirkungen sind kaum Daten vorhanden. Werden nicht-abbaubare Nanocarrier verwendet, können diese zudem in der Umwelt akkumulieren, räumen auch die Autoren der Studie ein.