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(Bild: ZHAW/ILGI )

Fokusartikel Gentechfrei Magazin Nr. 132

Geschmacksoptimierung bei pflanzlichen Ei-Alternativen

Alternativen für tierische Produkte sind gefragt. Die Beweggründe: Nachhaltigkeit, Tierwohl, gesündere Produkte. Bei der Herstellung wird oft auf gentechnisch veränderte Organismen gesetzt. Doch geht es auch gentechfrei? Und welche Hürden müssen für ein geschmacklich überzeugendes Produkt überwunden werden? Irene Chetschik, Professorin an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), gewährt einen Einblick in die Entstehung von Ei-Ersatz auf Pflanzenbasis.

Text: Irene Chetschik und Imre Blank

Nach derzeitiger Schätzung wird die Weltbevölkerung im Jahr 2050 auf 10 Milliarden Menschen steigen1, was einen radikalen Wandel in der Produktion, der Verarbeitung und im Verbrauch von Lebensmitteln notwendig macht. Aus diesem Grund ist die Nachfrage nach pflanzlichen Alternativen zu Fleisch, Eiern und Milchprodukten in den letzten Jahren erheblich gestiegenund wird in der Zukunft weiterhin zunehmen.2 Dabei verzeichnet insbesondere die Kategorie der pflanzlichen Ei-Alternativen momentan das grösste Wachstum.3

Die Nachfrage nach pflanzenbasierten Lebensmitteln ist ein seit vielen Jahren wachsender Trend, der nicht nur bei Personen, die sich vegan ernähren, sondern immer mehr auch bei Flexitariern Zuspruch findet. Die Beweggründe sind mannigfaltig und betreffen unter anderem Tierwohl, Umwelt, Nachhaltigkeit und gesunde Ernährung. Der Trend, Eier durch pflanzliche Alternativen zu ersetzen, die eine gleichwertige oder bessere Funktionalität bieten als deren Imitat, hat viele Gründe. Viele dieser Faktoren sind sowohl für die Verbraucher von Bedeutung als auch für die Lebensmittelhersteller, die derzeit Eier verwenden, um ihren Produkten besondere funktionale, sensorische und ernährungsphysiologische Eigenschaften zu verleihen. Doch die Tatsache, dass Ei-Ersatzstoffe nicht die gleichen sensorischen Eigenschaften wie Eier bieten, wird das Wachstum des globalen Marktes für diese Produkte wahrscheinlich einschränken.4

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Auf der Suche nach Schlüsselaromen: Die menschliche Nase wird mit Methoden der analytischen Chemie kombiniert, um massgebende Aromastoffe im Ei zu identifizieren.

Um das Wachstum in dieser Kategorie längerfristig anzukurbeln, sind pflanzliche Ei-Ersatzprodukte gefragt, die durch ihre organoleptischen Eigenschaften wie beispielsweise Aroma, Geschmack und Mundgefühl überzeugen. Neben Nachhaltigkeit und gesundheitlichen Aspekten sind Aroma und Geschmack eines Lebensmittels immer noch das wichtigste Entscheidungskriterium für den Konsum.5

Geschmacklich überzeugende, hervorragende Eialternativen zu entwickeln ist ein besonders anspruchsvolles Forschungsgebiet – ein wahres Königsdisziplin. Irene Chetschik und Imre Blank wollen einen vollmundigen Eiergeschmack bei tierfreien Eiersätzen erreichen, um so die Attraktivität derartiger Produkte weiter zu steigern. Dies soll durch gezielte Anpassung der Rezeptur und der Verarbeitung geschehen.

Den unverwechselbaren Eigeschmack in pflanzenbasierten Alternativprodukten nachzuempfinden ist eine grosse Herausforderung, da die genutzten pflanzlichen Rohstoffe oftmals intensive Eigengeschmäcker mitbringen. Bisherige Ansätze setzten allen voran auf den Zusatz von Aromen, um diese Geschmäcker zu verdecken und einen Eigeschmack zu imitieren. Doch solche Aromen werden von vielen Konsumierenden kritisch betrachtet. An der ZHAW soll deshalb in Zusammenarbeit mit einem Berliner Start-Up ein neuer Ansatz erforscht werden, um den Geschmack des tierischen Originals natürlicher und authentischer abzubilden. Das Projekt «Molecular Sensory Guided Flavour Improvement of Plant-Based Egg” wird von der Adalbert-Raps Stiftung gefördert.

Sensorische Eigenschaften von pflanzenbasierten Eiprodukten

Während die Entwicklungen von pflanzenbasieren Alternativen sich zumindest in der Vergangenheit grösstenteils auf die texturierenden Eigenschaften fokussiert haben und bereits bei zahlreichen pflanzenbasierten Alternativen erfolgreich auf den Markt gebracht wurden, wurde der Optimierung der Aroma- und Geschmackseigenschaften zunächst nicht allzu viel Beachtung geschenkt. Dabei ist es bekannt, dass pflanzenbasierte Proteine sogenannte Off-flavours – Abweichungen vom typischerweise erwarteten Geschmack – aufweisen,6 welche als bittere und adstringierende Geschmacksqualitäten sowie grüne und erbsenartige Aromanoten wahrgenommen werden, die auf das Vorhandensein von bestimmten Molekülen zurückzuführen sind.

Um diese unangenehmen Aroma- und Geschmackswahrnehmungen zu vermeiden, können unterschiedliche Ansätze verfolgt werden:7 Zum einen kann die Prozessierung der pflanzenbasierten Proteine optimiert werden, sodass die unerwünschten Off-flavours erst gar nicht entstehen. Zum anderen wird der Fermentation Erfolg zugesprochen, unangenehme Aroma- und Geschmackswahrnehmungen merklich zu reduzieren. Darüber hinaus kann der Zusatz von Aromen unerwünschte Off-flavours maskieren und die Aroma- und Geschmackseigenschaften optimieren. Aromen müssen jedoch als Zusatzstoffe deklariert werden, die von vielen Konsumenten als kritisch betrachtet werden. Idealerweise müssten die wertgebenden Aromastoffe, wie bei dem Koch- oder Bratvorgang des Hühnereis aus entsprechenden pflanzenbasierten Ausgangsstoffen erst entstehen, damit das Produkt sensorisch voll überzeugen kann. Hier setzt die Idee des Projektes an: Um ein pflanzenbasiertes Eiprodukt mit überzeugenden Aroma- und Geschmackseigenschaften zu entwickeln, soll der Geschmack des tierischen Originals mittels ausgewählter natürlicher Rohstoffe imitiert werden.

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«Hühner sind keine Legemaschinen» – Menschen, die nach veganen Ei-Alternativen fragen, begründen ihre Haltung durch ethische, ökologische, aber auch gesundheitsbezogene Argumente.


 Welche Aromen machen das Ei aus?

Um Eigenschaften wie Geruch, Geschmack und Mundgefühl von pflanzenbasieren Eiprodukten zu optimieren, muss der sogenannte der Unterschied zwischen Hühnerei und pflanzenbasiertem Ei-Ersatz – fachsprachlich „Flavour-Gap“ genannt – identifiziert werden. Dafür werden zunächst die Aroma- und Geschmackseigenschaften auf molekularer Ebene mit den Methoden des Sensomics-Konzeptes8 erforscht. Sensomics ist ein schrittweiser Ansatz zur Bestimmung der Schlüsselaromastoffe, die für den Geruch und Geschmack eines Lebensmittels verantwortlich sind. Die dabei gewonnenen Daten liefern wichtige Erkenntnisse, welche direkt in Produkte übersetzt werden können, die mit ihren sensorischen Eigenschaften überzeugen.

Das Sensomics-Konzept basiert auf einem molekular-sensorischen Ansatz und ermöglicht die Unterscheidung von wertgebenden Aroma- bzw. Geschmackstoffen von Lebensmittelinhaltsstoffen, die keinen oder einen sehr geringen sensorischen Beitrag aufweisen. Somit können durch die Anwendung der Methoden dieses Konzeptes diejenigen Moleküle herausgefiltert werden, die mit unseren Aroma- und Geschmacksrezeptoren interagieren und somit im Wesentlichen für die Aroma- und Geschmacks-eigenschaften eines Lebensmittels verantwortlich sind.

Diese Methode erfordert allerdings eine aufwendige und mehrstufige Vorgehensweise, bei welcher die folgenden Schritte massgebend sind: Zunächst muss das Aroma aus dem Lebensmittel isoliert werden. Im nächsten Schritt werden chemische Informationen mit der sensorischen Beurteilung der menschlichen Nase verbunden, um das Gemisch flüchtiger Verbindungen auf die aromaaktiven Komponenten zu untersuchen. Dieses Verfahren nennt man Gaschromatographie-Olfaktometrie und es ist notwendig, da nur ein Bruchteil der aromaaktiven Verbindungen massgebend am Aroma eines Lebensmittels beteiligt sind. Mittels dieses Verfahrens kann jedem Aromastoff kann eine sensorische Qualität zugeordnet werden. Nachfolgend werden die aromarelevanten flüchtigen Verbindungen identifiziert. Hierzu kommen Methoden der analytischen Chemie zur Trennung von Substanzgemischen zum Einsatz: Gaschromatographie (zur Trennung und Analyse flüchtiger und halbflüchtiger Verbindungen im Gasgemisch) gekoppelt mit Massenspektrometrie, einer Analysemethode zur genauen Identifizierung von Atomen und Molekülen anhand ihrer Massen. Anschliessend werden die Aromastoffe quantifiziert. Durch das Verhältnis von Konzentration zu Geruchsschwellenwert wird der Aromawert der einzelnen geruchsaktiven Verbindungen ermittelt. Der Aromawert drückt die relative Bedeutung einzelner Aromastoffe zum Gesamtaroma aus.

Als letzter Schritt muss festgestellt werden, ob tatsächlich alle relevanten Aromastoffen gefunden wurden. Dazu werden sogenannte Rekombinationsexperimente durchgeführt, bei welchen die identifizierten Aromastoffe in ihren bestimmten Quantitäten zusammengemischt und anschliessend sensorisch evaluiert werden. Darüber hinaus werden ausgesuchte geschmacksgebende Komponenten sowohl in der tierischen als auch in der pflanzlichen Eiversion auf qualitativer und quantitativer Ebene analysiert. Auf der Grundlage des Vergleiches der Aroma- und Geschmacksstoffkomposition von beiden Produkten lässt sich das „Flavour-Gap“ genau definieren.

Optimierung der Aroma- und Geschmackseigenschaften

Konnte das „Flavour-Gap“ zwischen dem pflanzenbasierten Rührei und einer Hühner-Rühreireferenz genau bestimmt werden, kann es als Basis für die Optimierung des Aroma- und Geschmacksstoffprofils des pflanzenbasierten Produktes verwendet werden. Zu diesem Zweck können natürliche Rohstoffe eingesetzt werden, die das gewünschte Aroma- und Geschmacksprofil idealerweise beim Bratvorgang generieren und unerwünschte Aroma- und Geschmacksqualitäten eliminieren. Ein besonderes Augenmerk soll dabei auf natürlichen Rohmaterialien liegen, um so den Zusatz von Aromen reduzieren oder vermeiden zu können.

Um den Erfolg dieser Strategie zu überprüfen, werden ausgewählte Zutaten zur pflanzenbasierten Eimatrix dazugegeben und sensorisch durch ein geschultes Panel evaluiert. Dabei wird die Intensität von ausgewählten Aroma- und Geschmackseigenschaften des pflanzenbasierten Rühreis direkt mit dem tierischen Produkt verglichen. Zeigt das Profil des pflanzenbasierten Rühreis eine grosse Ähnlichkeit zu dem Profil des tierischen Produktes auf, kann die Arbeit als erfolgreich angesehen werden. In anschliessenden Konsumententests kann nochmals kontrolliert werden, ob die Aroma- und Geschmackseigenschaften des neuen Produktes überzeugend sind.

Auf dem Weg zum optimalen Eiersatz - Fortschritte an der ZHAW

Das Projekt «Molecular Sensory Guided Flavour Improvement of Plant-Based Egg” an der ZHAW wurde 2023 lanciert. Bereits konnte das «Flavour Gap» zwischen einem pflanzenbasierten Rühreiprodukt und der tierischen Version erfolgreich identifiziert werden.9 Basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen konnten auch die Aroma- und Geschmackseigenschaften erfolgreich optimiert werden. Darüber hinaus konnte anhand dieses Projektes aufgezeigt werden, dass das sensorische Verständnis von Produkteigenschaften auf molekularer Ebene essentiell ist, um die Aroma- und Geschmackseigenschaften von pflanzenbasierten Produkten mittels clean-label Ansätzen zu optimieren und diese für die Zukunft wettbewerbsfähig zu machen.


Irene Chetschik ist Professorin für Lebensmittelchemie und Aromaforschung and der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW).

Imre Blank ist freiberuflicher Lebensmittelchemiker. Sein wissenschaftliches Interesse liegt in der Förderung der Entwicklung nachhaltiger Lebensmittel.
 

1 Our approach – Food Systems – Food and Agriculture Organization of the United Nations. (2024) http://www.fao.org/food-systems/our-approach/en/

2 Chronakis, I.S.; Madsen, M. (2022). Algal proteins. In Handbook of Food Proteins, Phillips, G.O.; Williams, P.A., Eds. Woodhead Publishing. pp. 353-594.

3 Grizio, M.; Specht, L,; (2018) Plant-based egg alternatives: Optimizing for functional properties and applications. The Good Food Institute. https://gfi.org/wp-content/uploads/2021/02/Plantbasedeggalternatives.pdf

4 Choudhury, N.R. (2024) Global Egg Replacement Ingredient Market Outlook from 2024 to 2034. Future Market Insights Inc.; https://www.futuremarketinsights.com/reports/egg-replacement-ingredient-market

5 International Food Information Council (2022). 2022 Food and Health Survey; https://foodinsight.org/wp-content/uploads/2022/05/IFIC-2022-Food-and-Health-Survey-Report.pdf

6 Leonard W, Zhang P, Ying D, Fang Z. (2023). Surmounting the off-flavor challenge in plant-based foods. Crit Rev Food Sci Nutr. 63(30):10585-10606.

7 Mittermeier-Klessinger, V. K., Hofmann, T., & Dawid, C. (2021). Mitigating Off-Flavors of Plant-Based Proteins. Journal of Agricultural and Food Chemistry, 69(32), 9202–9207.

8 Granvogl, M. & Schieberle, P. (2022). The sensomics approach: A useful tool to unravel the genuine aroma blueprint of foods and aroma changes during food processing. In: Chiara Emilia Irma Cordero, ed. Comprehensive Analytical Chemistry. Vol 96. Elsevier; 2022:41-68.

9 Tran, L, Gillich, E, Cezanne, M.L., André, A, Gläser, P, Blank, I, Chetschik, I. (2024) Molecular definition of the flavour gap between plant-based egg and chicken egg. [Manuscript in preparation for submission for publication with the Journal of Agricultural and Food Chemistry.] https://www.zhaw.ch/storage/lsfm/ueber-uns/lakeweek/2024-01-31_Irene_Chetschik.pdf