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(Bild: Clipdealer)

Fokusartikel Gentechfrei Magazin Nr. 100

Ein erhebliches Risiko für Mensch und Umwelt

Die industrielle Landwirtschaft und die Varroa-Milbe haben den Bienenbestand weltweit stark dezimiert. Nun wollen Forscher die Bienen mit den neuen gentechnischen Verfahren an die industrielle Landwirtschaft anpassen. Gentechnikexperte Christoph Then warnt vor diesen unberechenbaren Eingriffen am wichtigsten Bestäuber.

Text: Denise Battaglia

Bienen bestäuben rund 80 Prozent der Pflanzen. Wir verdanken ihrem Pollentransport Früchte und Obst, Ölsaaten wie Raps, auch Nüsse und Gemüse. Seit der Ausstrahlung des Dokumentarfilms «More than Honey» des Schweizer Regisseurs Markus Imhoof weiss auch jeder Nichtimker: Den Bienen geht es nicht gut. In China müssen in bestimmten Regionen die Blüten von Menschenhand bestäubt werden, weil es keine Bienen mehr gibt. Im Jahr 2016 riefen die USA die Biene zur gefährdeten Art aus. Auch hierzulande hat der Bundesrat einen Massnahmenplan «für die Gesundheit der Bienen» verabschiedet, weil der Bestand an Honigbienen und Wildbienen stark rückläufig ist.

Frühere Hochkulturen haben die Biene verehrt. Für die Ägypter, die schon vor 3000 Jahren Honigbienen züchteten, war der Honig eine Götterspeise. Die Bienen sind in den Heiligtümern ägyptischer Tempel abgebildet. Nach der Überlieferung sind die Bienen göttlicher Herkunft: Sie entstanden aus den Tränen des Sonnengottes Re, dem wichtigsten altägyptischen Gott. Auch im antiken Griechenland galten die Bienen als «Boten der Götter».

Nun steht die Biene im Fokus der Gentechnik

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(Bild: Fotolia)

Für den modernen Menschen ist die Biene, die rund 17 Millionen Jahre vor dem Menschen die Erde bevölkert hat, kein Götterbote mehr, sondern bestenfalls ein Mittel zum Zweck (der effizienten Bestäubung und Honigproduktion). Die industrielle Landwirtschaft mit ihren (gentechnisch veränderten) Monokulturen und ihrem Pestizid einsatz steht im Verdacht, neben der Varroa-Milbe mit verantwortlich für das weltweite Bienensterben zu sein: Die Monokulturen haben die Vielfalt des Bienenfutters reduziert und Studien verweisen darauf, dass die in den Pestiziden enthaltenen Wirkstoffe wie Neonicotinoide und Glyphosat die Bienen schwächen könnten. «Bienen hatten über Millionen von Jahren eine wunderbare Nahrung, die genau ihre Ansprüche erfüllte», sagte der Bienen forscher Jay Evans vom US-Landwirtschaftsministerium in einem Interview gegenüber dem deutschen Fernsehsender ARD. «Mit zusätzlichen Chemikalien kommen sie deshalb nicht klar.» Doch die Konsequenz dieser Erkenntnis ist nicht, die industrielle Landwirtschaft in Frage zu stellen. Die Konsequenz des modernen Menschen ist, zu versuchen, neue Bienen herzustellen, die mit den Chemikalien «klarkommen». Mit den neuen Gentechnikverfahren wie CRISPR/Cas9 will man die Insekten zum Beispiel resistenter gegen Pestizide machen. Christoph Then vom deutschen Institut Testbiotech warnt vor Eingriffen in das Erbgut der Biene. «Wir haben eine Dimension der gentechnischen Manipulierbarkeit erreicht, die ich für sehr gefährlich halte.»

Herr Then, in den USA, wo gentechnisch veränderte Pflanzen grossflächig angebaut werden, steht die Biene auf der Liste der gefährdeten Arten. Schädigen gentechnisch veränderte Pflanzen die Bienen doch?
Christoph Then: Der Zusammenhang zwischen dem Bienensterben in den USA und dem Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen wurde meines Wissens nicht nachgewiesen. Womöglich ist es in den USA gar nicht mehr möglich, neben Bienen, die Gentechpflanzen anfliegen, noch eine Kontrollgruppe zu untersuchen, die keinen Kontakt zu Gentechpflanzen hat. Vermutlich sind die Bienen gegenüber dem Bt-Gift alleine relativ unempfindlich. Studien weisen aber darauf hin, dass Bienen auf das vom Bt-Mais permanent produzierte Insektengift empfindlich reagieren, wenn sie von Darmparasiten befallen, also geschwächt sind. Andere Studien zeigen, dass sich die Wirkung des Bt-Insektengiftes verstärken kann, wenn sie mit Umweltgiften, Krankheitserregern oder Pestiziden interagieren. Das könnte auch Bienen betreffen.

Die Frage, ob das Bt-Toxin Bienen mit Darmparasiten schädigt, wurde bis heute nicht geklärt. Warum?
Eine Studie von Forschern der Universität Jena konnte nicht weitergeführt werden. Nach den Hinweisen darauf, dass die Wirkung des Insektengifts auf Bienen durch Wechselwirkung mit Darmparasiten verstärkt wird, wurden keine weiteren Mittel für das Projekt bewilligt.

Nach anderen Studien beinträchtigt das Bt-Gift die Lernfähigkeit von Bienen.
Ja, aber die Industrie sagt, dass den Bienen in diesen Untersuchungen mehr Bt-Gift verabreicht worden sei, als sie auf ihrem Pollenflug aufnehmen würden. Auch hier bräuchte es weitere Untersuchungen.

Die Biene soll nun mittels Gentechnik vor dem Aussterben gerettet werden.
Monsanto will unter anderem biologisch aktive Stoffe, sogenannte mikroRNA, die mit Hilfe von Gentechnik hergestellt wird, in das Futter von Bienen mischen. Die Idee dahinter: Die Bienen nehmen diese Stoffe auf und geben sie an Parasiten wie die Varroa-Milben weiter, wenn diese den Bienenstock befallen. Bei den Milben sollen diese Stoffe dann in die Genregulation eingreifen und so die Parasiten abtöten. Das ist ein Verfahren, das mit vielen Risiken behaftet ist. Diese Stoffe würden auch im Honig landen. Insgesamt will die Industrie die Bienen an die Umweltbelastungen anpassen und nicht umgekehrt eine bienenfreundliche Umwelt schaffen. Dafür sollen auch die neuen Gentechnikverfahren verwendet werden.

Fokus 100 BienenMit gentechnischen Eingriffen bei Bienen und anderen Insekten wird eine wichtige Grenze überschritten. Man versucht, wildlebende Populationen gentechnisch zu verändern, die auf vielen Ebenen mit der Umwelt in Wechselwirkung stehen. Dies ist eine neue Dimension der Risiken. Ein solcher Eingriff kann nicht mehr rückgängig gemacht werden, sollte etwas schieflaufen. (Bild: Fotolia)

Sie meinen die neuen Gentechnikmethoden wie CRISPR/Cas9?
Genau. Diese neuen Gentechniken haben das Spielfeld massiv erweitert. Man will jetzt auch natürliche Populationen gentechnisch verändern, nicht wie bisher Ackerpflanzen. So will man unter anderem Mücken und Fruchtfliegen bekämpfen oder Bienen resistent gegen Pestizide oder die Varroa-Milbe machen. Diese Entwicklung hat eine ungeheure Dynamik und eine neue Dimension der Risiken. Wenn nun frei fliegende Insekten gentechnisch verändert werden, dann verlieren wir die Kontrolle – wir können nicht mehr eingreifen, wenn etwas schiefgeht.

Die Anwender sagen, es gehe ihnen bei den Bienen um deren Schutz.
Letztlich geht es oft um kurzfristige Profite. Mit der alten Gentechnik wollte man den Einsatz von Pestiziden verringern. Mit den neuen Gentechniken will man angeblich bedrohte Arten retten. Dass es aber um Profite geht, erkennt man daran, dass die Firmen Patente auf die Technologien und die Organismen anmelden – jüngst zum Beispiel ein Patent auf gentechnisch veränderte Bakterien, die den Darm von Bienen besiedeln sollen. Und auch die gentechnisch veränderten Insekten werden patentiert.

Ist es etwas anderes, ob man Pflanzen gentechnisch verändert oder Bienen?
Mit Insekten wie Bienen wird eine wichtige Grenze überschritten. Man versucht nun, wildlebende Populationen gentechnisch zu verändern, die auf vielen Ebenen mit der Umwelt in Wechselwirkung stehen. Bisher hat man versucht, die Gentechnik auf das Labor oder den Acker zu begrenzen.

Die Anwender von CRISPR/Cas9 sagen, dass diese Technik sehr präzise sei.
Man beruhigt die Politiker und die Bevölkerung mit der angeblichen Präzision der neuen Gentechniken. Tatsächlich sind die neuen Verfahren präziser – aber keineswegs fehlerfrei. Mit der Behauptung der «Präzision» – die Medien und Politiker oft zu unkritisch von der Gentechlobby übernehmen – soll verhindert werden, dass man über die Risiken diskutiert.

Welche Risiken bergen denn die neuen Gentechverfahren?
Wie bei den alten Gentechnikverfahren greift man auch bei den neuen – anders als bei der konventionellen Züchtung – direkt ins Erbgut ein und umgeht so die natürlichen Mechanismen der Vererbung und der Genregulation. Dabei kann es zu ungewollten Veränderungen der Struktur der Gene, der Genregulation, der Wechselwirkungen und der genetischen Netzwerke kommen. Das kann bei gentechnisch veränderten Pflanzen und Tieren − unabhängig davon, ob diese mit neuer oder alter Gentechnik manipuliert werden − sehr unterschiedliche Folgen haben. Grundsätzlich ist das Risiko höher, wenn man die Gentechnik bei wildlebenden Populationen anwendet. Aber auch ein Gentechnikpilz, der nach dem Schneiden nicht mehr braun wird, weil natürliche Genanlagen mit der Genschere entfernt wurden, kann in seinem Stoffwechsel so verändert sein, dass er für Menschen ungeniessbar wird.

Vielleicht funktioniert das, was sich die Anwender vorstellen, gar nicht? Die alte Gentechnik hat auch nicht, wie von der Industrie prophezeit, den Welthunger beseitigt oder den Pestizideinsatz verringert.
Ob die Technik das bringt, was die Anwender sich ausdenken, ist oft gar nicht entscheidend. Der Punkt ist: Die neuen Gentechniken haben die Möglichkeiten zur Manipulation des Erbguts erheblich ausgeweitet. Diese Machbarkeit ist eine grosse Herausforderung für die Gesellschaft. Denn damit nehmen die Einsatzmöglichkeiten wie die Risiken zu. Eine Biene, die in ihrem Darm gentechnisch veränderte Bakterien transportiert und in der Umwelt verteilt, ist ein erhebliches Risiko für Mensch und Umwelt. Das gilt auch dann, wenn die Bakterien sich im Darm der Bienen nicht so verhalten, wie eine Firma dies gerne hätte. Wir haben eine Dimension der gentechnischen Manipulierbarkeit erreicht, die ich für sehr gefährlich halte.

Was wäre zu tun?
Wir müssen über diese neuen Technologien eine gesamtgesellschaftliche Debatte führen: über Risiken, Verantwortung, Interessen, über Werte und Grenzen. Politik und Medien sind oft nicht auf dem aktuellen Wissensstand und unterschätzen die Risiken. Insgesamt erhält die neue Gentechnik noch nicht die Aufmerksamkeit, die sie benötigte. Diese Technologien entwickeln sich sprunghaft weiter. Mit der grossen Dynamik der Entwicklung droht der Gesellschaft die Kontrolle zu entgleiten. Die moderne Gesellschaft steht hier vor grossen Herausforderungen.


Fokus 100 Then
Testbiotech ist ein im Jahre 2008 von Tierarzt Christoph Then mitgegründetes Institut in München, das den Einsatz von Gentechnik kritisch hinterfragt und sich mit möglichen Auswirkungen und Folgen für Mensch und Umwelt auseinandersetzt. Testbiotech stellt von der Gentechnikindustrie unabhängige, wissenschaftliche Expertisen bereit und leistet damit einen Beitrag, die Entscheidungskompetenz von Politik und Gesellschaft zu stärken.
www.testbiotech.org