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Fokusartikel Gentechfrei Magazin Nr. 101
Freisetzungsversuche mit Gentechmücken
Oxitec, ein britisches Unternehmen, hat gentechnisch veränderte Mücken freigelassen, die sich nicht mehr fortpflanzen können, um die Population zu verkleinern. Der Erfolg lässt auf sich warten. Wurde mit öffentlichen Geldern einem kommerziellen Unternehmen gestattet, einen irreführenden Hype um den Nutzen seiner Technologie zu verbreiten?
Text: Helen Wallace, GeneWatch UK
Den männlichen Mücken hat das britische Biotechunternehmen Oxitec erstens ein fluoreszierendes Markergen ins Genom eingefügt und zweitens eine Art «Tötungsgen». Dieses bewirkt, dass die meisten (aber nicht alle) Nachkommen dieser Mücke bereits als Larven sterben, sich also nicht fortpflanzen werden. Wiederholte Freisetzungen vieler Millionen oder gar Milliarden solcher GV-Männchen, die die Zahl der wilden männlichen Moskitos bei weitem übersteigen, sollen die gesamte erwachsene Mückenpopulation im Laufe der Zeit verkleinern. Im Jahre 2008 hat Oxitec damit begonnen, auf den Kaimaninseln, in Malaysia, Panama und Brasilien solche gentechnisch veränderten Mücken der Art Aedes aegypti versuchsweise in der Umwelt freizusetzen.
Die Aedes aegypti übertragen die tropischen Krankheiten Denguefieber, Zika und das Chikungunyafieber.
Keine Hinweise auf Rückgang der Mückenpopulation
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Die Firma behauptete immer wieder, dass ihre Experimente erfolgreich und der Bestand der Aedes-aegypti-Populationen um über 90 Prozent reduziert worden seien. Doch ein von GeneWatch UK kürzlich veröffentlichter Bericht zu diesen GV-Mücken,1 der auf veröffentlichten Resultaten der «Versuchs»-Länder basiert, kann diese Erfolgsquote nicht bestätigen. Es gibt weder Hinweise auf eine Verkleinerung der Population der weiblichen Moskitos, welche die Krankheiten übertragen, noch auf einen Rückgang der Infektionsraten. Nur die weiblichen Mücken stechen und können Krankheiten übertragen. Auch gemäss einer Analyse neuer Daten, die auf Druck öffentlich zugängig wurden, gibt es «keine signifikante Abnahme der Häufigkeit von Aedes aegypti im Freisetzungsgebiet», wie die Wissenschaftler des Mosquito Control and Research Unit (MRCU) auf den Kaimaninseln feststellen mussten.
Nach dem Bericht von GeneWatch UK hat sich die Zahl der weiblichen Moskitos auf den Kaimaninseln im Freisetzungsgebiet sogar erhöht. Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass nicht nur männliche genetisch veränderte Mücken freigesetzt wurden, sondern unbeabsichtigt auch eine grosse Zahl weibliche GV-Mücken. Durch diese ungewollte Freisetzung stechender weiblicher Moskitos kann die Ausbreitung von Krankheiten bei der lokalen Bevölkerung während dieser Experimente erhöht werden, statt dass sie verringert wird, wie dies Oxitec propagiert.
Worauf beruht die Risikoprüfung?
Seit 2008 wurden auf den Kaimaninseln Millionen von gentechnisch veränderten Mücken freigesetzt. Doch die Versuche habe bislang keinen Erfolg gebracht. Die Zahl der weiblichen Mücken ist gar gestiegen. (Bild: Shutterstock)
Es gibt zudem Bedenken hinsichtlich der Kosten für die Technologie. Es gibt Hinweise, dass Oxitec gravierende Probleme bei der Produktion der GV-Mücken hat. All dies wirft wichtige Fragen auf: Wurden und werden die Öffentlichkeit, die Gesundheitsministerien, die Behörden, die für die Mückenbekämpfung verantwortlich sind, und auch Intrexon, die Oxitec vor drei Jahren übernahm, falsch über die Wirksamkeit der Gentechmücken und die Kosten informiert?
Oxitec war ursprünglich ein Spin-off-Unternehmen der Universität Oxford. Die wichtigsten Investoren in der Frühphase der Firma waren die Universität, Oxford Capital Partners und das US-Unternehmen East Hill Management. Die Forschungs- und Entwicklungsvorhaben des jungen Unternehmens wurden durch zahlreiche öffentliche Forschungszuschüsse gefördert. Im September 2015 erwarb die Intrexon Corporation, ein US-Biotechkonzern, Oxitec für 160 Millionen US-Dollar – bezahlt mit einer Mischung aus Bargeld und Aktien. Die Behauptung, mit den GV-Mücken werde die Aedes-aegypti-Population um 90 Prozent reduziert, wurde in den Pressemitteilungen besonders hervorgehoben, welche beide Unternehmen bei der Übernahme publizierten. Wenn sich diese Angaben aber nicht auf Datenerhebungen stützten, wirft dies Fragen zur Sorgfalt der durchgeführten Risikoprüfung auf. Eine solche Risikoprüfung wird durch das US-Recht vorgeschrieben. Dabei wird auch geprüft, ob die Investoren der Firmen richtig informiert worden sind. Hinzu kommt, dass Investitionen in neue Technologien, die in der Realität nicht funktionieren, Geld verschwenden und Leben gefährden.
Antibiotikum schaltet Tötungsmechanismus aus
GeneWatch hat in der Vergangenheit bereits mehrfach auf die Risiken der Freisetzun gen der Gentechmücken von Oxitec hingewiesen.2, 3 Bedenklich ist, dass einzelne GV-Mücken überleben und sich verbreiten – auch stechende und Krankheiten übertragende Weibchen. Das heisst, dass diese gentechnisch veränderten Mücken bis ins Erwachsenenalter überleben und sich fort pflanzen können. Für die Herstellung der GV-Männchen werden nicht einheimische Mückenstämme verwendet. Diese können neue Merkmale in die wilde Mückenpopulation einbringen, beispielsweise verschiedene krankheitsübertragende Eigenschaften. Ebenso ist nicht bekannt, welche Auswirkungen die Freisetzungen auf andere Arten haben, ob sich beispielsweise durch die Reduktion von Aedes-aegypti-Mücken die Aedes-albopictus-Mücken oder andere krankheitsübertragende Arten stark vermehren würden. Die Auswirkungen dieser freigelassenen Gentechmücken auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit sind bis heute nicht erforscht.
Dazu kommt, dass für die Zucht der männlichen Mücken das eingebaute Tötungsgen stillgelegt werden muss, das nach der Freisetzung dafür sorgt, dass die Nachkommen schon im Larvenstadium absterben. Dafür wird das Antibiotikum Tetracyclin eingesetzt: Es setzt wie ein chemischer Schalter den genetischen Tötungsmechanismus aus. Fehlt das Antibiotikum, sterben die Mücken. Stossen dagegen die frei gelassenen Mücken in der Umwelt auf ausreichend hohe Tetracyclin-Werte, kann der genetische Tötungsmechanismus deaktiviert werden oder die Mücken können eine Resistenz entwickeln. Dies würde die Mückenpopulation wieder vergrössern. Auch die Entsorgung des Antibiotikums Tetracyclin, das zur Züchtung der Gentech-Mücken im Labor verwendet wird, schafft Probleme, und ungeklärt ist auch, ob frei gesetzte GV-Mücken antibiotikaresistente Bakterien in der Umwelt verbreiten.
Internationale Richtlinien ignoriert
Diamantmotten befallen Kohlgewächse und andere Nutzpflanzen. Zur Bekämpfung sollen gentechnisch veränderte Motten freigesetzt werden. In Entwicklung sind auch Versuche mit GV-Olivenfliegen in Spanien und GV-Obstfliegen in Australien und Brasilien. (Bild: Wikipedia)
Überhaupt scheint man bei der Herstellung und Freisetzung dieser GV-Mücken einige Richtlinien ignoriert zu haben. GeneWatch konnte nachweisen, dass Oxitec die Anforderungen des «Cartagena-Protokolls über die biologische Sicherheit» nicht erfüllt. Das internationale Übereinkommen umfasst eine Meldepflicht bei grenzüberschreitenden Lieferungen. Dies ist bei Oxitec der Fall, welche GV-Mückeneier in die Freisetzungsregionen aus dem Vereinigten Königreich exportiert. Das Protokoll schreibt ausserdem eine Risikobeurteilung vor, die den europäischen Normen entspricht. Doch veröffentlichte, zuverlässige Risikobewertungen fehlen bei den Freisetzungen von GV-Mücken. Die Menschen in den Freisetzungsgebieten wurden weder ausreichend über die Risiken informiert noch konnten sie den Versuchen in voller Kenntnis der Sachlage zustimmen.
Gentechschädlinge in der Landwirtschaft?
Trotz all dieser Bedenken plant Oxitec weitere experimentelle Freisetzungen auf den Kaimaninseln und in mehreren Städten Brasiliens. Gegenwärtig prüft die US-Umweltschutzbehörde (EPA) auch einen Antrag auf Freisetzung von GV-Mücken in Florida und Texas. Eine grossflächig angelegte kommerzielle Einführung dagegen wurde bis auf weiteres auf Eis gelegt. Oxitec hat auch eine Reihe von gentechnisch veränderten landwirtschaftlichen Schädlingen entwickelt. GV-Diamantmotten, die auch als Kohlmotten bekannt sind und Kohlgewächse und andere Nutzpflanzen fressen, sollen in Grossbritannien und in den USA freigesetzt werden. Ein kleiner Freisetzungsversuch mit solchen Motten wurde im Bundesstaat New York bereits durchgeführt. In Entwicklung sind Gentech-Olivenfliegen in Spanien und Gentech-Obstfliegen in Australien und Brasilien. Ein Problem dabei: Die weiblichen Nachkommen sterben meist im Larvenstadium, wenn sie sich bereits in der Pflanze befinden. Obst- und Gemüsepflanzen, die durch die GV-Larven bereits beschädigt sind und die daraus produzierten Nahrungs- oder Futtermittel können mit zahlreichen toten weiblichen GV-Maden kontaminiert sein, was in der Nahrungsmittelproduktion inakzeptabel ist.4 Die meisten dieser Freisetzungsanträge haben die Behörden deshalb abgelehnt oder aber die Entwicklung wurde vorzeitig eingestellt.
Mit beträchtlichen öffentlichen Geldern (aus unterschiedlichen Forschungs- und den Gesundheitsbudgets) wurde einem kommerziell ausgerichteten Unternehmen gestattet, einen irreführenden Hype um den Nutzen seiner Technologie zu verbreiten – ohne angemessene Risikobeurteilungen vor der unkontrollierten Freisetzung der Gentechmücken in der freien Natur. Es ist bedenklich, dass öffentliche Gelder für Unternehmen dieser Art verschwendet werden. Sie sollten besser in die Entwicklung und Umsetzung glaubwürdigerer und nachhaltigerer Alternativen investiert werden.
Unter einem Gentechdach: Insekten, Fisch und Obst
Das britische Unternehmen Oxitec wurde 2015 von Intrexon, einer US-amerikanischen Gesellschaft für synthetische Biologie, übernommen. Zu diesem Konzern gehören auch das Biotechunternehmen AquaBounty Technologies, das den ersten gentechnisch veränderten Lachs herstellte, sowie Okanagan Specialty Fruits, die gentechnisch manipulierte Äpfel entwickelt hat. Dem gentechnisch veränderten Lachs wurde ein Gen für ein Wachstumshormon eingebaut, damit er schneller das Schlachtgewicht erreicht, und ein Regulationsgen mit Antifrostproteinen, damit er auch in eiskalten Gewässern wächst. Der Lachs wird in Kanada bereits verkauft und darf ab dem nächsten Jahr auch in den USA verkauft werden. In Europa ist er verboten. Okanagan Specialty Fruits hat unter anderem Gentechäpfel hergestellt, die weniger schnell braun werden. Die so veränderten Sorten Arctic, Golden Delicious, Granny Smith sowie Fuji sind in Kanada und den USA für den Markt zugelassen worden.
1 Oxitec’s GM insects: Failed in the Field? GeneWatch UK Briefing, May 2018
2 Oxitec’s Genetically Modified Mosquitoes: A Credible Approach to Dengue Fever? GeneWatch UK, March 2015
3 GeneWatch UK comments on FDA Docket FDA-2014-N-2235: Oxitec OX513A Mosquitoes, 17th May 2016
4 Failures of the transboundary notification process for living geneti-cally modified insects. GeneWatch UK Briefing, August 2014