Die Bäuerinnen werden im Umgang mit Permakulturen geschult (Bild: Pelum)
Fokusartikel Gentechfrei Magazin Nr. 110
Lebensmittelproduktion und Ernährungssicherheit
Der Klimawandel ist auf dem Vormarsch und bringt beträchtliche Veränderungen mit sich. Wetterextreme wie Dürren und Stürme häufen sich und haben unmittelbare Konsequenzen auf die Lebensmittelproduktion und die Ernährungssicherheit. Bereits vulnerable Regionen und Bevölkerungsgruppen, wie Kleinbauern im Königreich Eswatini, sind davon bereits stark betroffen. Die Agrarindustrie setzt auf Gentechnik. Doch es sind naturnahe agrarökologische Methoden wie Permakultur, die sich tatsächlich bewähren. Sie tragen nicht nur zur Ernährungssicherheit der lokalen Bevölkerung bei, sondern verbessern und diversifizieren deren Lebensunterhalt bedeutend. Eine Fallstudie im Königreich Eswatini.
Text: Alisa Autenried
Im Königreich Eswatini (ehemals Swasiland) im südlichen Afrika betreibt ein Grossteil der Bevölkerung Subsistenzlandwirtschaft – der Anbau von Lebensmitteln und das Halten von Nutztieren zur Selbstversorgung. Gerade in ländlichen Regionen, wo die Chance, eine geregelte Einkommensquelle zu haben, und somit die Kaufkraft gering sind, sind die Menschen auf den Eigenanbau der Lebensmittel angewiesen. So ist beinahe jede Behausung von kleinen Feldern umgeben. Und trotzdem leidet jeder dritte Swazi an Unterernährung, denn nebst wirtschaftlichen und sozialen Missständen stellt auch die Lebensmittelproduktion eine Herausforderung dar: Diverse Schädlinge zerstören die Ernte und heftige Regenfälle tragen den bereits nährstoffarmen Boden ab und hinterlassen unfruchtbare Felder. Hinzu kommt das heisse, trockene Klima, das vor allem in den tiefergelegenen Regionen herrscht und für starke Wasserknappheit sorgt. Der Mangel an Wasser reduziert die Auswahl an anbaubaren Pflanzen erheblich und beschränkt sie hauptsächlich auf Mais, Bohnen, Süsskartoffeln, Erdnüsse und Sorghum. Besonders schwierig gestaltet sich das Halten von Nutztieren und den Anbau von Gemüse, da deren Wasserbedarf sehr hoch ist. In den letzten Jahren haben sich die Dürre- und Sturmperioden verstärkt – gemäss Experten eine Folge des Klimawandels. Eine weitere Auswirkung der Klimaveränderung ist in Eswatini die Verlagerung der Jahreszeiten: Die sonst regenreiche Anbausaison (Oktober bis Dezember) wird zunehmend von Dürren heimgesucht, welche Jungpflanzen austrocknen lassen. Starker Regen im normalerweise trockenen Sommer (Januar bis April) lässt erntereife Pflanzen verfaulen. Verunsichert durch diese neuen unberechenbaren klimatischen Bedingungen werden Samen und Setzlinge zum falschen Zeitpunkt angepflanzt oder es wird gänzlich auf den Anbau verzichtet. Die Ernährungssicherheit im Königreich Eswatini wird jetzt, zur Zeit der Corona-Krise, noch stärker bedroht: Das Königreich Eswatini ist stark von Lebensmittelimporten aus Südafrika abhängig. Doch nun wurden die Grenzen geschlossen, Lieferketten unterbrochen und die dringend benötigte Lebensmittelzufuhr ist nicht mehr garantiert. Zusätzlich können sich wegen der steigenden Arbeitslosigkeit viele Familien den Kauf von Lebensmitteln nicht mehr leisten. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO, die FAO, befürchtet, dass sich aufgrund der Corona-Krise die Zahl der Hungernden weltweit verdoppeln könnte. Besonders besorgniserregend ist die Lage in trockenen Regionen Afrikas. In Krisensituationen wie Corona-Zeiten und Klimawandel ist die Subsistenzlandwirtschaft umso wesentlicher. Dafür braucht es aber geeignete Landwirtschaftstechniken, die der Bevölkerung erlauben – trotz trockenen und unberechenbaren Bedingungen – ihre Lebensmittel zu produzieren und Überschüsse als Einkommensquelle zu verkaufen.
Landwirtschaftstechniken und Wege zur Widerstandsfähigkeit
Kleinbäuerinnen werden Kenntnisse zu Permakultur, Wassersammlungssystemen, Bodenbearbeitung und Lagerung von Saatgut vermittelt. (Bild: EcoSolidar)
Diverse Akteure entwickeln Strategien zur Eindämmung der Auswirkungen des Klimawandels. Agrarkonzerne beispielsweise setzen hier an und propagieren, dass gentechnisch veränderte Nutzpflanzen durch ihre Hitzetoleranz, Dürreresistenz oder insektizidale Wirkung die Ernährungssicherheit in Afrika gewährleisten können. Doch diverse Fallstudien beweisen, dass Gentechnutzpflanzen langfristig weder ertragreicher noch gegen Insektenschädlinge wirksam sind. Vielmehr treiben sie Kleinbauern in eine starke Abhängigkeit von Agrarmultis und schliesslich in die Verschuldung. Denn das teure GV-Saatgut, Dünger und die dazu passenden Pflanzenschutzmittel müssen jährlich teuer erstanden werden: Aufgrund der Patentierung von Saatgut ist es den Bauern untersagt, die Samen der GV-Pflanze aufzubewahren und sie in der nächsten Saison zu säen. Die Nichtregierungsorganisation (NGO) ACAT Swaziland zeigt, dass biologische und agrarökologische Landwirtschaftstechniken die bessere Option zur Verbesserung der Ernährungssicherheit in Eswatini sind. Unterstützt durch die Basler NGO EcoSolidar vermittelt ACAT KleinbäuerInnen Kenntnisse zu Permakultur, Wassersammlungssystemen, konservierender Bodenbearbeitung, Lagerung von Saatgut und Haltung von einheimischem Geflügel.
Der Permakultur-Gemüsegarten
Nicht viele der in den trockenen Regionen wohnhaften Swazi bauen Gemüse an, denn nebst der Wasserknappheit sind Samen, Setzlinge und synthetische Pflanzenschutzmittel oft nicht erschwinglich. Tatsächlich wird der Einsatz von synthetischen Pflanzenschutz- und Düngemitteln von einem Grossteil der KleinbäuerInnen für den Gemüseanbau als notwendig erachtet. Daher lädt ACAT seit 2017 Kleinbäuerinnen aus den trockensten und ärmsten Regionen Eswatinis zu einem dreitägigen Permakulturgarten-Training ein, bei dem naturbasierte, preisgünstige Alternativen aufgezeigt werden. Das Training setzt sich aus sechs ergänzenden theoretischen und praktischen Lektionen zusammen: Kompost, Gülle, Pflanzungstechniken, Schädlingsbekämpfung, Fruchtfolge und Grauwasserfilterung. Die Gartentechniken sind lokal angepasst und helfen KleinbäuerInnen ressourcenschonend und naturnah Gemüse zu produzieren, ihren Lebensunterhalt zu diversifizieren und nachhaltig zu verbessern. Permakultur ist eine agrarökologische Landwirtschafts- und Gartenbaumethode. Ihr Ziel ist es, die Lebensgrundlagen der Menschen dauerhaft zu sichern – ökologisch, sozial und ökonomisch. Gleichzeitig werden Fruchtbarkeit und Biodiversität gefördert. Es werden dabei natürliche Ökosysteme und Kreisläufe nachgeahmt. Das Design spielt deswegen in Permakulturgärten eine zentrale Rolle: Indem gewisse Pflanzenarten spezifisch angeordnet werden, können sie ihre Energie, Eigenschaften und Ressourcen austauschen, sich so gegenseitig unterstützen und schaffen dadurch ein produktives Ökosystem. Diese Wechselwirkung ersetzt menschlichen Arbeits- und Materialeinsatz weitgehend. Schichten organischer Materialien, das Beifügen von Kompost, die Streuung von Holzasche und Fruchtfolgen fügen dem Boden eines Gemüsebeetes wichtige Nährstoffe zu. Dieser fruchtbare Boden, kombiniert mit Sonne und ausreichender Feuchtigkeit, ist die ideale Basis für einen gedeihenden Gemüsegarten. Die benötigte Feuchtigkeit wird generiert, indem dem Gemüsebeet eine Schicht Zeitungspapier unterlegt wird und Mulch die Oberfläche abdeckt. Dies speichert Wasser und verhindert eine rasche Evaporation. Die Grauwasserfilterung – die Reinigung von Koch- oder Abwaschwasser – erlaubt, bereits gebrauchtes Wasser zum Bewässern des Gemüsegartens zu nutzen. Da in der Permakultur gänzlich auf chemische Pflanzenschutz- oder Düngemittel verzichtet wird, muss das Gemüse ausserdem vor dem Verzehr nicht gewaschen werden. Dank dieser optimalen Nutzung der verfügbaren Wasserressourcen kann auch in den trockenen Regionen Gemüse angebaut werden. Aber auch im Königreich Eswatini gibt es zahlreiche Schädlinge, die sich gerne über das Gemüse hermachen. Daher hat die Permakultur viele lokal angepasste, natürliche Methoden der Schädlingsbekämpfung entwickelt. Indem Zwiebelgewächse das Gartenbeet umrunden und in Linien zwischen Blatt- und Wurzelgemüse gepflanzt werden, werden einerseits Insekten durch den stechenden Geruch ferngehalten und andererseits sind Krankheiten an der Verbreitung gehemmt. Eine insektenabwehrende Wirkung hat auch der botanical Spray – Wasser, in das bittere und scharfe Pflanzen wie Chili, Knoblauch, Aloe Vera, Pfeffer und einheimische Kräuter eingelegt werden und mithilfe eines Blattes auf das Gemüse gepinselt wird. Weitere simple Massnahmen wie beispielsweise das Umstellen der Setzlinge mit Holzstäbchen verhindern eine Zerstörung durch Erdraupen.
Permakultur verbessert Lebensgrundlagen in Eswatini
Durch heftige Regenfälle wird der bereits nährstoffarme Boden abgetragen, was die Lebensmittelproduktion erschwert. Fehlende Vegetation, ausgelöst durch Überweidung und Trockenheit, unterstützt die Bodenerosion zusätzlich. (Bild: Alisa Autenried)
Diese Techniken helfen, dem Boden Nährstoffe zuzufügen, die knappen Wasserressourcen optimal zu nutzen und Schädlinge vom Gemüse fernzuhalten. So wird es möglich, auch in trockenen Regionen einen Gemüsegarten zu haben – ohne chemische Pflanzenschutz- oder Düngemittel und ausschliesslich mit verfügbaren, natürlichen Materialien. Im Rahmen einer unabhängigen Forschungsarbeit habe ich die Auswirkungen dieser Permakulturmethoden auf die Lebensgrundlagen der Kleinbäuerinnen untersucht. Die Befragten sind sich einig: Permakultur hat ihr Leben positiv verändert, und zwar in diversen Aspekten. Die bedeutendste Veränderung ist die gesteigerte Produktion von Lebensmitteln. Die Kleinbäuerinnen beobachteten Zunahmen sowohl in Quantität wie auch in Qualität des Gemüses im Vergleich zu herkömmlichen Gemüsegärten, in denen chemische Pflanzenschutz- und Düngemittel eingesetzt wurden: Permakulturgemüse wächst nicht nur schneller, ist grösser und hat eine höhere Ertragssicherheit, es kann auch länger gelagert werden und hat einen besseren Geschmack. Die gesteigerte Ernährungssicherheit führt zu verbesserter Gesundheit: Die Ernährung der Kleinbäuerinnen und ihrer Familien ist durch den Konsum von Gemüse ausgewogener und vitaminreicher als zuvor und dank des biologischen Anbaus frei von gesundheitsschädigenden Chemikalien. Dadurch, dass die Kleinbäuerinnen für den Gemüsegarten ausschliesslich verfügbare Materialien benutzen, Pestizide und Dünger auf natürliche Weise selbst herstellen und keine teuren synthetischen Mittel mehr erstehen müssen, können sie viel Geld sparen. Der Gemüseanbau bessert die Haushaltskasse weiter auf, da sie weniger Lebensmittel kaufen müssen. Zusätzlich verkauften viele der Befragten Ernteüberschüsse an Nachbarn und Bekannte. Das zusätzliche Geld kann anderweitig investiert werden, etwa in Schulgebühren, in Zäune oder in den Aufbau eines kleinen Geschäftes.
Agrarökologie statt Gentechnologie
Krisensituationen, wie heute die Corona- Pandemie, in denen beispielsweise Lieferketten unterbrochen werden, verdeutlichen die Wichtigkeit, Lebensmittel lokal produzieren zu können, um die Ernährungssicherheit der Menschen zu gewährleisten. Ist die Lebensmittelproduktion jedoch durch klimawandelbedingte Wetterextreme dauerhaft erschwert, müssen die lokalen Anbausysteme neu überdacht und den neuen Gegebenheiten angepasst werden. Die Agrarindustrie und die mit ihr verbandelte Forschung wirbt für teure gentechnisch veränderte Nutzpflanzen, die eigene Insektizide produzieren oder dürreresistent sind. Doch die Kosten und die Risiken sind hoch, für Mensch und Umwelt gleichsam. Agrarökologische Anbaumethoden wie die Permakultur aber haben das Potenzial, auch mittellosen Menschen in trockenen Gebieten mit nährstoffarmen Böden zu mehr Ernährungssicherheit zu verhelfen. Es braucht keine Gentechnologie in Afrikas Landwirtschaft.
Alisa Autenried
(Bild: Alisa Autenried)
Im Rahmen meiner Masterarbeit in Geografie (Entwicklung und Umwelt) an der Université de Lausanne untersuchte ich in dreimonatiger Feldforschung den Wissenstransfer von agrarökologischen Ansätzen zwischen KleinbäuerInnen im Königreich Eswatini. Mittels 43 tiefgreifenden Interviews mit KleinbäuerInnen, die das Permakulturtraining der Entwicklungsorganisation ACAT Swaziland besuchten oder das Wissen durch eine TrainingsbesucherIn erlangten, gewann ich Einblick in die lokalen Gegebenheiten und konnte die tatsächlichen Auswirkungen der Permakultur auf den Lebensunterhalt ermitteln. Zusätzlich erlaubte mir diese unabhängige Forschung, die Funktionalität des «Farmer to Farmer»-Ansatzes und die Tragweite des Projektes zu untersuchen. Mein Interesse für Wissenstransfer in der Landwirtschaft hat mich im September 2019 zur SAG geführt, wo ich eine einjährige Projektassistenz absolviere.
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