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Es sind bereits 20 kommerzielle Farben mit Nanomaterialien auf dem Markt Bild: wikipedia

Im Bausektor zeichnet sich heute in nahezu sämtlichen Anwendungsbereichen ein Einsatz von Nanomaterialien ab, und es werden grosse Marktpotentiale erwartet. Unter anderem geht es um Farben, Beton, Lacke, Dämm- und Isoliermaterialien, selbstreinigende Oberflächen, Fassadenbeschichtungen oder Brandschutz. Einen Überblick – allerdings mit Stand 2012 – gibt das Nanotrust Dossier „Nano im Baugewerbe“. Das umfassendste heute verfügbare Inventar (Project on Emerging Nanotechnologies) listet für die Produktkategorie „Konstruktionsmaterialien“ 87 Marktprodukte und für „Farben“ 20 kommerzielle Farben auf, die auf dem Markt sind (Stand November 2015).

Das Projekt DaNa2.0, welches in einem Internetportal Informationen zu Nanomaterialien und zur Nano-Sicherheitsforschung bereitstellt, hat kürzlich eine Übersicht zu Nanopartikeln in Farbstoffen veröffentlicht. Nanomaterialien sollen die Eigenschaften von Farben verbessern und den Farben auch neue Funktionalitäten verschaffen. So könnten Nanomaterialien verbesserte Eigenschaften wie wasser-bzw. schmutzabweisende Oberflächen ("easy to clean"), UV-Schutz, antimikrobielle Wirkung gegen Bakterien, Algen und Pilze, Kratzfestigkeit oder auch eine verlängerte Lebensdauer der Farbpigmente erzeugen. Heute werden bereits Nanomaterialien für die Lack- und Farbindustrie genutzt, so beispielsweise nanoskaliges Titandioxid und Siliziumdioxid. Auch nanoskaliges Silber, Zinkoxid, Aluminiumoxid, Cerdioxid, Kupferoxid und Magnesiumoxid werden für eine mögliche Nutzung im Farbbereich untersucht. Meistens werden die Nanomaterialien in ein Gemisch der Farbkomponenten eingearbeitet, so dass das Nanomaterial fest in der Farbmatrix verankert wird.

Ein Kontakt (Exposition) der Anwender mit Nanomaterialien aus Farben ist grundsätzlich auf zwei Wegen möglich: Erstens bei der Anwendung eines gebrauchsfertigen Produktes (z. B. eine Fassadenfarbe). Zweitens bei der Bearbeitung eines Anstrichs mit Nanomaterial-haltigen Farben, etwa durch Bohr-, Schleif- oder Fräsarbeiten (Staubbildung). Die Empa hat in ihrem Projekt „NanoHouse“ den Lebenszyklus von der Produktion, über die Nutzung bis hin zum Abfall von Fassadenfarben und –beschichtungen studiert. Ziel war es, eine Bewertung zu erstellen, ob die Verwendung von Nanomaterialien in Farben von Vorteil für die Umwelt sein könnte aber auch die Schwachstellen für eine unbeabsichtigte Freisetzung und Exposition gegenüber Nanomaterialien zu identifizieren. Es wird empfohlen, dass Langzeiteffekte von Farben mit Nanomaterialien weiter untersucht werden.

Das Portal DaNa macht keine Aussagen zu den Risiken von Farben mit Nanomaterialien. Dies obwohl die Forschung zu Gesundheitsrisiken von Farben mit Nanomaterialien heute nicht als abgeschlossen betrachtet werden kann. Die grösste Gefährdung dürfte für die Arbeitnehmer bei der Herstellung und Verarbeitung der Farben bestehen. Tatsächlich gibt es Hinweise auf negative gesundheitliche Effekte von Nanopartikeln, welche für die Einbettung in Farben und Lacke vorgesehen sind (siehe zum Beispiel Saber et al., 2012). Sind die Nanopartikel einmal in den Farben eingebracht, so besteht noch immer die Möglichkeit einer geringen Freisetzung. So studierten Zuin et al. (2013) die Freisetzung von Nanopartikeln aus Farben: Für Siliziumdioxid-Nanopartikel stellten sie nach einer Behandlung von bestrichenem Faserzement während 120 Stunden in Wasser fest, dass ca. 1.8% der Nanopartikel in Bezug auf den anfänglichen Gehalt freigesetzt wurden. Die SiO2-Nanopartikel wurden hauptsächlich als Agglomerate ausgewaschen. Smulders et al. (2015) untersuchten die Toxizität von Nanopartikeln in Farben im Vergleich zu den reinen Nanopartikeln. Sie stellten fest, dass die reinen Nanopartikel (Titandioxid, Silber und Siliziumdioxid) zwar gewisse toxische Effekte in ihren Experimenten zeigten, dass aber keine zusätzlichen toxischen Effekte durch Farben mit diesen Nanopartikeln zu erkennen waren. Auch Kaiser et al. (2013) kamen zum Schluss, dass Farben, die mit Titandioxid, Silber oder Siliziumdioxid Nanopartikeln versetzt waren, keine zusätzlichen akuten Gesundheitsrisiken für den Menschen darstellen. Allerdings handelt es sich bei den genannten Studien um in vitro Experimente (ausserhalb des Organismus), die lediglich als Modell für die realen Bedingungen dienen.

Die Liste der aktuell verfügbaren und zukünftigen Nanoprodukte im Bauwesen ist bereits sehr umfassend und reicht weit über den Bereich der Farben als Anstrichmittel hinaus. Wichtige Produktgruppen sind etwa zu finden im Massiv- und Rohbau, wo beispielsweise Zusätze von nanoskaligen Nano-Metalloxiden wie kolloidales Siliziumdioxid oder von nanoskaligen Polymeren oder von Carbon Nanotubes eine Rolle spielen könnten (so in leichten und langlebigern Baustoffen, in ultrahochfestem Beton oder in zementgebundene Baustoffen wie Mörtel oder Dachsteinen), oder Nanosilber in antibakteriellen Beschichtungen, oder nanoporöse Polymerschäume bzw. hoch poröses nanostrukturiertes Siliziumdioxid in Dämmstoffen, oder andere nanoporöse Materialien in Isolationsstoffen, oder Nano-Titandioxid für den sogenannten Lotus- und photokatalytischen Effekt bei Fenstern und Verglasungen und selbstreinigenden Oberflächen, oder Nano-Siliziumdioxid für Antireflexeigenschaften in Gläsern, oder Silber-Nanoschichten für die verbesserte Wärmedämmung, oder Fassadenbeschichtungen mit Nano-Kompositen oder Titandioxid zum photokatalytischen Abbau von Luftschadstoffen, oder nanostrukturierte Silikatpartikel (sogenannte Nano-Clays) zum UV-Schutz, zur Kratzbeständigkeit oder zum Brandschutz, oder nanoskalige Halbleiterschichten in Leuchtdioden (LED) in der Energietechnik.