180202eughDie neuen Gentechnikverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof. Bild: Fotolia

Der Europäischen Gerichtshof muss momentan klären, ob Organismen, die mit neuen Gentechnik-Verfahren wie beispielsweise der Gen-Schere CRISPR/Cas entstanden sind, dem Gentechnikrecht unterliegen oder nicht. Mit Spannung war daher die Stellungnahme des Generalanwalts des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu den neuen Gentechnik-Verfahren erwartet worden. Die nun vorliegende Stellungnahme des Generalanwalt bringt aber wenig Klärung. Er bekräftigt zwar, dass "ein durch Mutagenese gewonnener Organismus ein GVO sein könne» und das Einbringen fremder DNA in einen Organismus nicht erforderlich sei, damit ein Organismus als GVO eingestuft werden kann. Doch der Generalanwalt beantwortet die Frage des französischen Staatsrates nicht, wann Mutagenese als Gentechnik auszulegen sei und in welchen Fällen nicht. Er befasse sich nicht in der Sache mit den technischen Verfahren und ihren Anwendungen und Risiken, kritisiert Testbiotech. Seine Argumentation beruhe vielmehr zu großen Teilen auf zu generellen und zum Teil veralteten Kategorien, die zu erheblichen Rechtsunsicherheiten führen können.

Die geltende GVO-Richtlinie der EU stammt aus dem Jahr 2001. Sie nimmt bestimmte Verfahren («Mutagenese-Ausnahme») von der GVO-Richtlinie aus. Französische Verbände hatten diese Ausnahmeregelung in Frage gestellt und eine Neubeurteilung verlangt, da Verfahren wie CRISPR/Cas9 damals noch gänzlich unbekannt waren. Doch auch nach der Stellungnahme des Generalanwalts fehlt eine klare Unterscheidung zwischen den bisher üblichen Verfahren der Züchtung und den neuen Verfahren des so genannten Genom-Editing wie CRISPR-Cas.

Geht es nach dem Willen der Saatgutindustrie und der Biotechnologieforscher sollen die neuen Gentechnik-Verfahren wie konventionelle Züchtungsverfahren eingestuft und folglich nicht dem Gentechnikgesetz unterstellt werden. Damit könnten sie ohne Risikoprüfung angebaut und ohne Deklaration vermarktet werden, obwohl die Forschung dazu noch in den Kinderschuhen steckt. Neue Studien zeigen, dass bei der CRISPR/Cas9-Methode immer wieder „off target“-Effekte im Genom auftreten – also unerwünschte Veränderungen an unerwarteten Stellen. “Aufgrund des Forschungsstands sind derzeit unerforschte Risiken für Gesundheit und Umwelt nicht auszuschließen“, sagt Mute Schimpf, Gentechnik-Campaignerin von Friends of the Earth Europe. “Schon allein auf Basis des Vorsorgeprinzips der EU könne daher nur eine strikte Kontrolle bei der Anwendung der Techniken zulässig sein. Zum Schutz der Konsument*innen, Bäuer*innen und Saatgut-Produzent*innen sei die Aufnahme der Techniken in die zu überarbeitende Gentechnik-Richtlinie der EU unumgänglich – und ebenso eine klare Kennzeichnung der so erzeugten Produkte.

Es ist offen, ob der EU-Gerichtshof der Einschätzung des Generalanwaltes folgt. Der Entscheid des EuGH wird in wenigen Monaten erwartet. Das Urteil hat auch einen entscheidenden Einfluss auf die Schweiz. Die Schweizer Gentechnik-Gesetzgebung ist mehr oder weniger identisch mit den EU-Richtlinien. Und auch in der Schweiz steht die Regulierung der neuen Gentechnik-Verfahren an.