170516weizenDass der Forschungsstandort Schweiz bislang problemlos mit dem Verbot leben konnte, zeigen die Versuche im Reckenholz. Bild: SAG

Bei der Änderung des Gentechnikgesetzes besteht zwischen National- und Ständerat noch eine Differenz. Sie betrifft den Einsatz von Markergenen bei Freisetzungsversuchen. Bei diesen ist gemäss geltendem Recht die Verwendung von Markergenen aus Antibiotika, welche in der Human- und Veterinärmedizin eingesetzt werden, verboten. Der Bundesrat will dieses Verbot aufheben. Er wolle damit eine Entlastung für die Grundlagenforschung schaffen, schrieb er in seiner Botschaft zum Gentechnikgesetz. Die heutige Einschränkung hemme den internationalen Austausch von Material zwischen Forscherinnen und Forschern. Der Nationalrat hat sich bereits zwei Mal gegen die Aufhebung des Verbots solcher Markergene ausgesprochen, da ihre Anwendung zu riskant sei und es alternative Marker gäbe.

Die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Ständerates WBK-S dagegen empfiehlt weiterhin, dem Bundesrat zu folgen. Sie beantragt mit 6 zu 4 Stimmen, am Beschluss des Ständerates festzuhalten und das Verbot von Antibiotika-Markergenen bei Freisetzungsversuchen zu streichen. Die Kommissionsmehrheit ist der Ansicht, dass durch die Aufhebung des Verbotes die Forschung, insbesondere im Grundlagenbereich, vereinfacht und gestärkt würde. Eine Minderheit der Kommission verweist hingegen auf mögliche Umweltrisiken und beantragt, die bisherige Regelung beizubehalten.

Bei der Diskussion im Ständerat wurde argumentiert, die Alternativen zu Antibiotika-Markergenen seien teurer. Die Haltung des Ständerates erstaunt. Denn die Höhe der Kosten darf nicht über die Qualität der Sicherheitsbestimmungen entscheiden. Vor allem auch, wenn man bedenkt, dass sich das Verbot auf Antibiotika beschränkt, die in der Human- und Veterinärmedizin eingesetzt werden und nicht die Grundlagenforschung, sondern lediglich Freisetzungen betrifft.

Dass der Forschungsstandort Schweiz bislang problemlos mit dem Verbot leben konnte, zeigen die Versuche im Reckenholz. Bei drei der vier Freisetzungsversuche auf der Protected Site handelt es sich um internationale Projekte. Dies zeigt zudem, dass es möglich ist, Pflanzen ohne Antibiotika-Resistenzgene zu entwickeln. Von einer massiven Behinderung kann nicht die Rede sein. Es kann auch nicht Ziel der Politik sein, dass die Schweiz noch mehr Freisetzungsversuche für internationale Forschungsprojekte durchführt. Diese sind teuer, sie belasten das Budget von Agroscope mit Fr. 750'000 pro Jahr bereits massiv.

Die Regelung in der Schweiz ist restriktiver als die EU-Norm. Die Aufhebung des Verbotes wäre ein Rückschritt. Dass der Einsatz solcher Antibiotika-Resistenzgene problematisch ist, anerkennt aber auch die EU. Die revidierte Freisetzungsrichtlinie der EU stammt aus dem Jahr 2001. In dieser Richtlinie wird der Gebrauch aller Resistenzgene für Antibiotika mit veterinär- und humanmedizinischer Bedeutung bis spätestens zum 31. Dezember 2008 für die kommerzielle Anwendung verboten. Diese könnten „schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt haben.“ Denn beim Verzehr von pflanzlichen Lebensmitteln oder Futter könnte es passieren, dass die Resistenzgene von Bakterien im Darm aufgenommen werden und von dort auf Krankheitserreger übergehen. Die gegen diese Infektionen eingesetzten Medikamente könnten dann unwirksam werden. Ein solcher horizontaler Gentransfer von Pflanze zu Bakterien konnte im Labor nachgewiesen werden - wenn ideale Bedingungen für einen Gentransfer vorhanden sind. In der Natur sei dies nach den bisherigen Erkenntnissen relativ selten, sagen die Gentechbefürworter. Doch ein solcher Gentransfer sei nicht völlig auszuschließen, wird eingestanden.

Bei Freisetzungsversuchen könnten Bodenbakterien Antibiotikaresistenz-Marker aus verrottenden transgenen Pflanzen aufnehmen und weiterverbreiten. Die Schweiz ist bereits einen Schritt weiter als die EU und regelt die Anwendung von Markergenen restriktiver. Die Aufhebung des Verbotes wäre ein Rückschritt.

Das Geschäft wird voraussichtlich während der Sommersession im Ständerat behandelt.